"Besim. Es muss sein. Die Familie des Mädchens hat schon zugesagt, Ringe, Kleid und Anzug sind schon gekauft. Da musst du durch Besim, vet ke dasht."
Mein Vater schreit mich an, während ich auf und ab gehe, dabei seinen Blick meide und das Gerede versuche zu ignorieren. Meine Mutter betritt das Zimmer.
"Dieses Mädchen ist gut für dich. Nachdem das mit Marigona war, sollte sie dir gut tun. Du wirst dich bessern!"
"Vielleicht will ich mich garnicht bessern? Vielleicht bin ich gerne so, wie ich bin? Und was hat Marigona damit zu tun? Es war ein Unfall.."
"Ich weiß.. Wir versuchen dir doch nur zu helfen.."
Ich blocke ab. Ich ersticke. Sie ersticken mich. Was soll das? Marigona hat hier nichts verloren.
"Ich muss raus. Tut mir leid!"
Und so packe ich meinen Schlüssel, ziehe meine Jacke und Schuhe an und verlasse das Haus.
"Sei pünktlich zur Verlobung da!", schreit mir mein Vater nach. Ich ignoriere es. Ich brauche Luft!
Und so mache ich mich auf den Weg zum Friedhof. Dorthin, wo Marigona liegt. Meine kleine, süße, zierliche Marigona.Ich stehe vor ihrem Grab. Mein Engel. Wie sie wohl über die ganze Sache gedacht hätte?
"Hallo Schwesterherz. Lange nicht mehr gehört."
Ich muss grinsen, weil das, was ich jetzt gesagt habe keinen Sinn macht und so absurd ist. Sie ist tot. Da ist es normal, dass man sich nicht hört. Ich atme die Kälte ein, lege meinen Kopf in den Nacken und fühle einen Regentropfen auf meinem Gesicht. Na toll!Minuten später stehe ich völlig durchnässt unter der Kapelle, es schüttet wie in Strömen und ich klopfe mir den Dreck von meiner Hose.
"Kalt, oder?"
Ich zucke zusammen. Diese Stimme. Diese raue, kalte, fremde und vertraute Stimme würde ich immer erkennen. Ein rauchiger Geruch steigt in meine Nase und ich blicke zu ihr.
"Du hier?"
"Ja, und? Ich habe einen Grund. Was machst du hier?"
"Was macht man an einem Friedhof?"
"Tote besuchen"
"Genau."
Sie raucht einen Zug. Ich friere, stecke meine Hände in meine Jackentasche und fange an zu zittern. Sie steht da, lässig und ihr scheint die Kälte nichts auszumachen. Ich setze meine Kapuze auf.
"Ist dir nicht kalt?"
"Nö."
"Und warum rauchst du schonwieder?"
"So."
"Okay."
Sie grinst.
"Ich war bei meiner Schwester."
"Hmm.."
Sie reagiert unerwartet. Sie ist nicht wie die anderen, sie reagiert nicht negativ. Sie reagiert nicht überrascht. Sie fragt nicht nach. Sie ist anders.
"Und du? Warst du bei Ardit?"
"Ja. Morgen verloben wir uns. Ich musste mich verabschieden."
"Okay."
Nach einer kurzen Pause breche ich die Stille.
"Wollen wir gehen?"
"Wohin?"
"Irgendwo hin, wo es warm ist. Ich friere mir sonst den Arsch ab."
Sie grinst.
"Okay."
Und sie folgt mir. Obwohl sie mich kaum kennt, ich gegangen bin, weil ich zu weit ging, ich fast noch weiter gegangen wäre und so intim mit ihr war, geht sie mit mir mit. Ich muss mich entschuldigen. Das darf nicht zwischen uns stehen.Nach ein paar Minuten sitzen wir in einem Lokal, sie mit ihrer warmen weißen Schokolade und ich mit einem Kaffee.
"Morgen also."
"Jep."
"Frierst du?"
"Nein, Besim, mir ist nie kalt."
"Okay. Tut mir leid."
"Und du?"
"Nein. Nach dem Kaffee, nicht mehr, nein."
"Okay"
"Du, Elma. Sag mal, wieso ist es so komisch?"
"Ich weiß es nicht.. Du bist einfach abgehauen. Du hast mich alleine gelassen. Das ist komisch."
"Das kann ich erklären."
Sie grinst.
"Du musst nichts erklären. Weißt du, ich... ja.. wie soll ich sagen..."
"Dir hat es gefallen?"
"Nein..."
Sie wird rot. Süß.
"Ich wollte nicht zu weit gehen. Elma, guck mal, du bist unschuldig. Du musst mich heiraten, obwohl du nicht willst. Du liebst jemand anderes. Und in dem Moment kam es mir vor wie Betrug."
"Verstehe."
"Es tut mir leid, dass ich dich verletzt habe. Aber es kam mir falsch vor. Ich hatte mich nicht unter Kontrolle."
"Nein, Besim. Denke nicht mehr darüber nach! Vergeben, vergessen."
"Vergeben, vergessen."
Sie hebt ihre Tasse, als würde sie einen Toast aussprechen und zwinkert mir zu.
"Na dann, auf unsere Verlobung morgen!"
Ich grinse und tue es ihr gleich.
"Auf morgen!"Ich begleite sie nachhause und vor ihrer Haustür schaue ich sie an. Wir hatten im Kaffee noch gesessen und geredet und sie wird mir immer sympathischer. Sie sieht mich genauso an, wie an Tag eins und zum ersten Mal freue ich mich auf das, was mir morgen bevorsteht. Auf meine Verlobung mit dieser verrückten Frau. Ich breite meine Arme aus und sie umarmt mich fest. Lange liegt sie in meinen Armen und schmiegt sich an meinen Pullover. Ich fühle ihre Wärme, rieche ihren Duft und spüre ihren weichen, zarten Körper an meinem. Sie ist so zerbrechlich und ihre Umarmung birgt so viel. Ich möchte sie am liebsten ewig so halten. Ab morgen sind wir vereint. Auf ewig.
"Ich will nicht gehen."
"Du musst. Morgen ist unser großer Tag!"
"Glaubst du Ardit ist böse?"
"Nein."
Ich halte sie noch fester.
"Nein, nein, so darfst du nicht denken! Hör mal, er hätte nicht gewollt, dass du ihm nachtrauerst. Er hätte gewollt, dass du glücklich wirst."
"Genau, wie deine Schwester von dir."
Mein Herz sticht. Sie hat recht.
"Genau. Vertrau mir."
"Ich vertraue dir."
Und dann löst sie sich von meiner Umarmung, gibt mir einen Wangenkuss und betritt ihre Wohnung. Und ich gehe mit einem erleichterten Grinsen in Richtung meiner Zukunft.
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Mein Lichtblick
Romance"Klar. Ich lebe. Vielleicht ist ja das der Sinn. Einfach Leben, ohne großartige Gedanken zu verschwenden, wieso wir denn genau das tun sollten, was man von uns verlangt. Wieso wir denn jetzt genau so leben, wie es uns vorgelebt wird. Oder doch vorge...