Vierunddreißigstes Kapitel - zuhaus

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"Frau Asani, ich wünsche Ihnen und Ihrem Baby alles erdenklich Gute! Sie werden das sicherlich sehr gut Meistern, Ihr Mann wird Ihnen eine große Unterstützung sein! Ab jetzt beginnt ein neuer Lebensabschnitt!"
Die Hebamme lächelt Elma an, diese lächelt zurück. Ich halte unseren Engel im Arm, sie liegt in ihrer Liege, das ins Auto passt. Sie schläft so friedlich und macht mich so unglaublich stolz. Ich liebe sie mehr als mich, mehr als Elma mehr als alles, das ich je geliebt habe.
Auch mir drückt die Hebamme die Hand und ich bedanke mich. Danach verlassen wir dieses kahle und doch freundlich eingerichtete Gebäude, um in unser neues Glück zu fahren. Bald ist unser Mädchen zuhaus.
"Schatz, wie wollen wir sie denn nennen?"
Ich grinse.
"In ihren Dokumenten haben wir noch nichts eingetragen, bis spätestens nächster Woche müssen wir uns entscheiden, denn dann fangen die ganzen Untersuchungen an. Hast du dich denn entschieden?"
Wir hatten viel diskutiert, wie wir unser Kind nennen wollen, sollte es ein Junge werden, wollten wir ihn Luan nennen, bei einem Mädchen konnten wir uns nicht entscheiden. Entweder Marigona oder Luana. Ardit kam nicht in Frage, Elma wollte das dann nicht.
"Wir wäre es mit Luana und als Zweitnamen Marigona. Hier ist doch sowas möglich nicht?"
Sie hält meine Hand und ich küsse sie.
"Natürlich Schatz! Ich finde Luana sehr schön. Und damit Gona bei uns ist, trägt unsere Prinzessin ihren Namen. Danke."
Sie lächelt und sieht zu unserer Prinzessin nach hinten.
"Sie schläft so viel. Unsere Kämpferin. Unsere Heldin. Luana - Marigona." Sie lächelt. Und ich bin sehr glücklich.
Nach wenigen Momenten kommen wir auch schon zuhause an. Ich trage den Koffer mit all den Geburtsdingern von Elma hinauf, während Elma sich um die kleine kümmert. Als wir in die Wohnung eintreten, wacht Luana auf, und ich glaube bemerkt zu haben, wie sie mit ihrem Blick durch die Wohnung schweift.
"Willkommen zuhause meine Kleine!" Elma lächelt und dreht sich weg, um die Kleine abzustellen. Ihre Augen sind mit Tränen gefüllt und ich kann mein Glück nicht fassen.

Nachdem Luana im Bett liegt, kuschelt sich Elma zu mir auf die Couch.
"Und? Schläft sie?"
Sie nickt und ich küsse ihre Stirn.
"Ich liebe dich."
Sie schmiegt sich an meine Brust, ich spüre ihren warmen Körper und streiche über ihren Rücken. Leise haucht sie ein "ich dich auch.", als es an unserer Tür läutet.
"Ich will nicht aufmachen. Tun wir so, als wären wir nicht da."
Elma lächelt und ich muss grinsen. Wir sind verrückt. Immer noch hämmert es an unserer Tür, und als das Klopfen unerträglich wird, stehe ich schnaufend auf und öffne diese. Ich bereue es im selben Moment, denn vor mir steht niemand anderer, als Elmas Bruder. Daneben hält sein Vater eine Waffe in der Hand. Ich kriege Panik. Wie haben sie es bis hierher geschafft, wie haben sie uns gefunden?
"Da seid ihr ja!" Die Augen von Elmas Bruder sind von Hass erfüllt.
Ich versuche die Tür zuzuschlagen und versuche auch keine Panik zu machen. Unser Engel schläft doch. Elmas Bruder jedoch schiebt seinen Fuß zwischen die Tür und dem Rahmen und grinst schelmisch.
"Hey, nicht so schnell, wir wollen doch nur reden."
Ich lasse beide widerwillig in meine Wohnung, sie gehen ins Wohnzimmer, als hätten sie das jeden Tag gemacht, als wäre es ein normaler Besuch, ein Besuch von Vater und Bruder, nur dass eines nicht normal scheint. Sie haben eine Waffe mit. Damals, da hatten sie uns mit dem Tod gedroht. Ich gehe schnell zum Zimmer der Kleinen und Sperre die Tür mit dem Schlüssel zu, den ich in meiner Geldtasche verstecke. Auch wenn uns etwas passiert, Luana soll in Sicherheit sein.
Ich höre plötzlich Elma schreien und laufe ins angrenzende Wohnzimmer. Elma lehnt an der Wand und atmet nur schwach, ihr Vater und ihr Bruder haben schon Platz genommen.
"Was wollt ihr hier?"
Elmas Stimme zittert, sie sieht gebrochen aus, angreifbar und ungeschützt. Ich nehme sie in den Arm und ihr Vater lacht.
"Wir haben euch gesagt, wir finden euch. Ihr hättet damals einfach da bleiben sollen, das Kind weggeben und uns diese Schande ersparen."
Ihr Bruder grinst schelmisch, während ihr Vater uns beide abwertend fixiert und seine Waffe auf dem Tisch vor ihm dreht. Elma weint.
"Was wollt ihr? Lasst uns in Ruhe verdammt!"
Sie zittert überall, so einen Schwächeanfall hatte sie seit unserer Flucht nicht. Sie kippt gleich um, wie damals. Ihr Bruder lacht.
"Wie sehr habe ich es vermisst dich so zu sehen. Du miese, kleine, dreckige Hure! Du hast nichts anderes, als den Tod verdient. Weißt du denn überhaupt was bei uns los war, die letzten Tage, ha? Rede!"
Er schreit sie an, ich bleibe ruhig. Jede falsche Bewegung kann für uns schlimm ausgehen.
"Alle haben geredet! Elma kish ik, me ni djal! (Elma ist abgehauen, mit einem Jungen) Sie hat ihre Familie bloßgestellt, du bist eine Schande Elma! Wir müssen unser Gesicht wahren."
Er zittert, sein Vater sieht zu ihm. Ich schweige. So viel würde ich gerne sagen, so viel würde ich gerne tun. Aber ich liebe Elma zu sehr, um ihr Leben zu gefährden.
"Wo ist es?"
Mein Herz rast. Sie meinen Luana.
"Sag schon! Wo ist es?"
Ihr Vater schreit, Elma bricht zusammen. Sie bricht zusammen und mit ihr ein Teil von mir.  Ich versuche sie aufzurütteln, zwecklos.
"Elma, wach auf! Schatz! Komm schon! Wach auf! Seht ihr was ihr mit ihr angerichtet habt?? Sie ist krank wegen euch! Sie ist instabil wegen euch, und sie ist so glücklich ohne euch! Ihr habt sie nicht verdient, also lasst uns in Ruhe verdammt!"
Ich zittere und lege Elma in die stabile Seitenlage. Schnell hole ich mein Handy aus meiner Hosentasche. Plötzlich spüre ich einen Arm um meinen Hals.
"Denkst du wir merken nicht, dass ihr das alles vorspielt? Los! Aufstehen! Sofort!"
Meine Kehle ist zugeschnürt, mein Hals brennt. Mein Atem geht nur sehr schwach und meine Augen sind auf Elma fixiert. Wenn wir nicht handeln, passiert etwas ganz schlimmes. Ich muss mich befreien. Ich greife mit meinen Händen an seinen Arm, der stark an meinem Hals gedrückt ist, versuche mich aus seinen Fängen zu befreien. Plötzlich spüre ich einen Tritt in meiner Magengrube, noch einen in meinem Gesicht, ich knalle zu Boden. Mein Blick verengt sich,  die Schmerzen sind unerträglich. Ich krümme mich zusammen und versuche regelmäßig zu atmen, was sehr schwer gelingt. Ich spüre noch einen Tritt, gefolgt vom nächsten, und höre dann, wie eine Waffe geladen wird. Ich bete zu Gott, ein letztes Mal, dass sie Elma und Luana nichts antun, als ich den Knall höre. Ich spüre ein Brennen in meiner Schulter, der schmerz zieht sich bis zu meiner Brust. Laut aufschreien geht im Moment nicht, weil sich mein Mund mit Blut füllt. Ich versuche zu Elma zu sehen, sie liegt friedlich da. Sie ist bleich und atmet nur ganz schwach. Ich sehe, wie sich die beiden Männer ihr nähern, die Pistole auf ihren Kopf gerichtet. Ihr Vater weint, und ihr Bruder lädt die Waffe nach. Plötzlich höre ich einen lauten Knall, ich spüre Blutspritzer in meinem Gesicht. Mein Herz rast, ich kann nicht atmen, weil meine Brust sticht. Und dann sehe ich es. Das Blut. Überall Blut, mein Kopf dröhnt, mein Herz beruhigt sich. Ich sehe, wie sich beide von Elma entfernen und höre, wie die Tür ins Schloss fällt. Meine Brustschmerzen werden immer schlimmer, ich kann nicht mehr schlucken, das Blut quillt aus meinem Mund.  Ich .. Ich denke, es ist soweit. Ich denke, das war's. Meine Augenlieder werden immer schwerer. Elma, es tut mir leid. Luana mein Engel, ich hoffe du wirst ein schönes Mädchen. Marigona, ich komme. Ich schließe meine Augen, mein Blick erhellt sich. Ich höre keine Schritte mehr, keine Stimmen, nur ein Lautes piepen, das langsam verstummt, genau wie mein Blickfeld. Und dann wird es ganz dunkel. Ich denke, das war's.

Mein LichtblickWo Geschichten leben. Entdecke jetzt