Siebenundzwanzigstes Kapitel - kleine Erbse

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Eine Woche später.

"Mama mir geht's gut!"
Sie zwingt mich, dass ich mich hinlege und sie mir ein Tuch auf meine Stirn legt. Sie ist doch verrückt.
"Du übergibst dich seit Tagen. Seit Tagen geht es dir schlecht!"
"Na und? Ich habe bestimmt vom kurzen Urlaubstripp eine Magenverstimmung. Etwas Tee, und es ist vorbei."
Sie schüttelt heftig ihren Kopf und mir entfällt ein Seufzer.
"Du musst zum Arzt!"
Ich richte mich auf und meine Stimme ist zwar ruhig dennoch genervt.
"Du, ich muss in die Uni! Ich habe Prüfung, die ist wichtig! Bitte lass mich gehen."
Ich stehe auf, schiebe meine Mama auf die Seite, ignoriere die aufsteigende Übelkeit und gehe Richtung Bus. Diese Übelkeit macht mich noch Wahnsinnig.
Beim Bus angekommen sehe ich auch schon Steffi.
"Und? Bist du fit?"
Ich grinse gezwungen.
"Fit, wie noch nie!"
Sie lacht und ich hake mich bei ihr ein. Die letzten Tage haben mich glücklich gemacht.
Die letzte Woche mit Besim war schön. Ich hatte zwar einen verstimmten Magen, er aber hat sich rührend um mich gekümmert. Es war wie ein Traum, wie eine andere Welt, in der nur er und ich existieren. Und sonst niemand. Sonst keine Probleme. Sonst keine Vergangenheit. Er hat es mir so leicht gemacht, und wir hatten es so schön. Er ist so schön. Immer wieder haben mir Menschen gesagt, Hey, Elma, mach dir keine Sorgen. Ardit wirst du nicht vergessen. Du wirst ihn nicht ersetzen. Aber es wird ein Mensch kommen, der wird dir das Leid nachempfinden und mit dir trauern. Der wird dich halten und fest an sich binden. Du wirst gerne bei ihm sein, weil du willst, nicht weil du musst. Und das war es. Ich war gerne bei ihm. Und ich habe Angst. Angst davor mich zu verlieben und alles wieder kaputt zu machen. Wieder verletzt zu werden. Wieder alles zu verlieren. Deswegen halte ich mich auf Distanz.
Ich spüre, wie Steffi an meinem Arm tupft.
"Dein Handy, du verwirrtes Huhn!"
Ich lache auf und mein Herzschlag beschleunigt sich, als ich lese, dass Besim mich anruft. Er macht mich so glücklich.
"Ja?"
"Hallo meine Prinzessin."
Mein Herz macht einen Satz, ich stocke.
"Ich wollte dir nur viel Glück für deine Prüfung wünschen. Geht es dir schon besser?"
Ich kratze an meinem Kopf.
"Danke. Jaja, ich bin ein großes Mädchen ich halt das schon aus."
Er lacht auf der anderen Leitung und ich muss automatisch grinsen.
"Na gut, mein großes Mädchen, dann mach sie alle platt!"
Ich lache.
"Ja werde ich."
Und ich lege auf und es macht sich sofort dieses Gefühl in mir breit. Ich vermisse ihn.

"Die Prüfung war soo scheisse! Ne, das geht ja mal garnicht!"
Ich taumle zu einer Bank, bei der ich mich hinsetzen kann. Steffi redet wie in Strömen und mein Blickfeld verengt sich. Was ist los mit mir? Steffis stimme wird undeutlicher, die Geräusche um mich werden verschwommener. Ich nehme jedes Geräusch als dumpf und stumm war, mein Körper bebt, meine Schweißdrüsen laufen auf Hochtouren. Mein Kopf dröhnt, meine Ohren fiepen. Ich versuche meinen Blick auf einen Punkt zu fokussieren, nicht umzufallen oder mich schonwieder zu übergeben, aber ich versage. Ich versage kläglich, hebe mit allen meinen Kraftrecourssen meinen Arm und stöhne leise Steffis nahmen, bevor ich auf dem Boden aufknalle und mein Bewusstsein verliere. Es wird alles gut. Die Kühle Luft und die leisen Stimmen lassen mich dies zumindest hoffen.

Langsam und vorsichtig öffne ich meine Augen. Ich gebe meinen Kopf, der einen Verband trägt, und Blicke im Zimmer umher. Links neben mir liegt eine Dame, sie blickt mich glücklich an. Ansonsten ist das Zimmer leer.
"Na du. Du bist wach! Wie geht es dir?"
Ich bin verwirrt.
"Ich habe Kopfschmerzen, bin etwas verwirrt."
Sie grinst.
"Das ist normal. Du bist auf den harten Fliesenboden mit deinem Kopf geknallt. Die mussten dich ein wenig sogar nähen."
Ich greife mir unbewusst auf meinen Kopf. Er sticht. Die Dame widmet sich wieder ihrem Buch und ich schließe meine Augen. Ich frage mich, ob ich jemals normal werden kann. Ohne dieses ganze Desaster. Ohne diesen ganzen Dramen.
"Ach, ohne Dramen wäre das Leben doch nur halb so spannend."
Ich schrecke auf. Die Dame grinst mich an und ich wundere mich, wieso sie meine Gedanken hören kann. Oder habe ich laut gesprochen.
"Wissen Sie, bei mir ist es etwas kompliziert."
Sie legt ihr Buch weg und dreht sich zu mir. Sie lächelt und ihr Blick ist weich, fast schon mütterlich. Sie hat leichte Falten und ihre Haare sind blond und kurz. Ihre Grünen Augen verleihen ihr einen zarten Ausdruck und ihre Lippen sind hell. Ich blicke auf ihren Körper herab und sehe, ihr Bauch ist etwas gewölbt. Sie ist schwanger. Ich muss grinsen. Ein schönes Gefühl bestimmt.
"Wieso denn kompliziert?"
Ich blicke ihr wieder in die Augen.
"Ach, wissen Sie, manchmal fügt uns das Leben so tiefe Wunden zu, dass wir glauben zu schwach zu sein, um diese Wunden zu überleben."
"Was macht dich da so sicher?"
"Ich weiß es nicht.. Keine Ahnung.. Wissen Sie, das Leben ist unfair. Es ist so so unfair."
"Das stimmt.."
Ich blicke auf. Ich bin überrascht, mir hat noch nie jemand zugesagt. Immer habe ich Widersprüche zu hören bekommen, nie Zustimmung.
".. das sagt auch niemand, dass das Leben fair ist. Jeder Mensch hat in seinem Leben einen oder mehrere Schicksalsschläge, die er nur schwer oder garnicht überwinden kann. Am Liebsten würde man alles vergessen. Aber dann gibt es doch auch die Tage an denen man einfach glücklich ist, weil man sein Glück nicht fassen kann."
Sie streicht über ihren Bauch, ihr Blick verändert sich.
"Sie sind schwanger?"
Sie nickt.
"Du kannst mich ruhig Duzen. Ich bin Arbesa."
Ich grinse.
"Du bist Albanerin?"
Sie nickt.
"Weißt du, Elma, ich habe auch viel erleben müssen. Aber dieses Baby, das ist das schönste, das mir passieren konnte. Es hat mich wieder zurück in die Realität geholt und ich weiß, dass ich eine Aufgabe habe. Und ich weiß, dass alles, was mir passiert ist einen Grund hatte. Also mach dir keinen Kopf. Du und dein Verlobter, ihr schafft das!"
Ich bin überrascht. Woher weiß sie, dass ich verlobt bin?
"Ach, der war bis vor ein paar Minuten da. Er wird wahrscheinlich gleich kommen, wollte sich nur einen Kaffee holen."
Sie grinst, dreht sich wieder auf den Rücken, nimmt das Buch und schlägt es auf. Bevor sie anfängt zu lesen, sieht sie zu mir und ihre Augen leuchten. Sie ist so hübsch.
"Er liebt dich wirklich. Also lass es zu. Zeig ihm, dass du ihn auch liebst, denn jetzt wird eure Bindung gestärkt. Ihr werdet das schaffen."
Ich bin verwirrt und will sie fragen, was sie damit meint, als Besim den Raum betritt und mich sofort ausfragt.
"Hey, Schatz! Du bist wach! Na, wie geht es dir? Hast du Schmerzen?"
Ich sehe, wie Arbesa grinst, ihren Bauch streichelt und wieder in ihrem Buch vertieft ist. Sie hat Recht.
"Jaja, mir geht's gut soweit. Habe nur etwas Kopfschmerzen. Wieso bin ich hier?"
Sein Blick verändert sich, er setzt sich zu mir auf mein Bett, nimmt meine Hände in seine und küsst meine Stirn. Dann sieht er mir in die Augen, und ich sehe, sie strahlen. Sie strahlen und sind mit Tränen gefüllt, er zittert und macht mich nervös. Was ist los mit mir?
"Baby.."
Er küsst meine Lippen und ich bin verwirrt.
"Besim, sag es. Was habe ich?"
Er küsst meine Hände und sagt mit heiserer Stimme:
"Schatz.. Wir sind schwanger."
Und dann blicke ich zu Arbesa und alles macht einen Sinn. Die Übelkeit, die Stimmungsschwankungen, die Müdigkeit. Alles macht einen Sinn. Ich erwarte ein kleines Baby. Besim grinst.
"Der Arzt hat gemeint, du bist schon in der 3. schwangerschaftswoche. Es muss beim ersten Mal passiert sein. Anders kann ich es mir nicht erklären. Sie haben dich untersucht, und es scheint alles ok mit unserem Baby. Sobald du wach bist, also jetzt, können wir einen Ultraschall machen."
Ich bin verwirrt, das Ganze überrempelt mich. Ich fühle mich schwach, ich? Ich, und schwanger? Das gibt es doch nicht. Das kann es nicht sein. Besim hat sich bestimmt verhört.
"Bist du nicht glücklich? Freust du dich nicht?"
Er wirkt traurig, ich muss ehrlich mit ihm sein.
"Besim.. Klar freue ich mich. Aber ich muss es noch verdauen, das ist so etwas großes, es wird unser Leben verändern. Wir werden Eltern, das ist eine Riesen Verantwortung!"
Besim bringt mich mit einem Kuss zum schweigen.
"Wir werden tolle Eltern werden."
"Und euer Leben wird bereichert werden. Ich wünsche euch alles Gute."
Wir sehen beide zu Arbesa, und sie hat Tränen in den Augen.
"Liebt und schätzt einander, liebt euer Kind und genießt die Zeit. Es wird toll!"
Sie lacht, wischt sich die Tränen weg und steht aus ihrem Bett auf.
"Das sind die Hormone.. Damit kommt mein Körper nicht klar. Ich lasse euch mal alleine, werde etwas spazieren gehen. Der Moment des Ultraschalls ist sehr intim."
Wir lachen beide auf, sie verabschiedet sich und wir? Besim legt sich zu mir, hebt die Decke und legt seine Hand auf meinen Bauch.
"Unsere kleine Erbse."
Ich grinse, lege meine Hand auf seine und flüstere, in der Angst, dass das Baby schrickt.
"Ich liebe dich."



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Hallo liebe Alle!
Es tut mir leid, dass so lange nichts kam. Aber die Schwangerschaft und der Umzug zerren an meinen Kräften.
Nächste Woche ist es endlich soweit, wir ziehen um! Dann wird alles besser, hoffe ich.
Ich bin wie immer für alles offen, Kommentare und Kritik, Immer her damit!
Bis bald!
- eure A. ❤️

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