Schwarz wie die Nacht

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Ich küsse sie voller Sehnsucht, Trauer und Liebe. Ich habe sie so vermisst, ihre Augen, ihre Nase, ihre Wangen, ihre wunderschönen weichen Lippen. Die letzten Wochen waren schrecklich für mich gewesen, jedes Mal hier zu sein, sie weder am Leben noch tot zu sehen. Ihr nicht helfen zu können. Sie einfach nicht lieben zu können, unsere Tochter alleine zu lieben. Gerne hätte ich diese Liebe geteilt. Mit ihr. Jedes Mal, als ich hier war, habe ich sie gewaschen, ich habe sie umgezogen und sie gepflegt. Ich habe die Hoffnung niemals verloren. Ich liebe sie. Jedes Mal habe ich sie hochgehoben, habe sie gegen die Sonne gehalten, habe gesehen wie sie durch sie durchscheint, wie bei einem Kaleidoskop. Und ich habe alles gesehen, was ich sehen wollte.

Damals, als sie in der Intensivstation lag, mit ihrer Lungenentzündung und ihren Schläuchen, damals, da hatten wir unseren ersten Kuss. Unsere Lippen hatten sich das erste Mal berührt und sie ist so unberührt gewesen. So zart, so weich, so zerbrechlich. Und jedes Mal wenn ich dieses Zimmer betrat, kam mir dieses Bild vor Augen. Ihr bleiches Gesicht, ihre hellen, krustigen Lippen, ihre geschwungenen Wimpern. Alles. Und jedes Mal habe ich so getan, als würde sie mich hören. Ich habe sie mit einem Kuss begrüßt, habe ihr Luana auf den Schoß gelegt, habe ihr Luana auf die Brust gelegt. Damit sie unsere Tochter lieben kann. Damit Luana ihre Mama nicht vermissen muss. Ich liebe sie. Und jedes Mal, wenn ich diesen Raum betreten habe, wurde mir das immer klarer. Ich liebe diese Frau.

Und jetzt? Jetzt bin ich froh sie wieder zu haben. Sie in meine Arme zu schließen und meinen Kuss erwidert zu bekommen. Ihre Liebe zu spüren.
"Ich habe dich so vermisst."
Sie zittert und weint, und ich kann einfach nicht anders, als sie zu küssen. Sie ist so wunderschön.

Nach ein paar Momenten schläft Luana in Ihren Armen ein. Elma gibt mir die Kleine nicht. Sie will sie regelrecht garnicht los lassen.
"Elma, mein Engel, wie geht es dir?"
Arbesa setzt sich an die Bettkante und streicht über Elmas Arm.
"Ich bin einfach nur froh wieder hier zu sein. Ich bin verwirrt, gleichzeitig will ich aber auch nicht zu sehr über das Geschehene nachdenken. Andererseits muss es doch geklärt werden, nicht?''
Arbesa sieht Weg. Sie stellt sich zum Fenster und sieht hinaus. Dabei verschränkt sie ihre Arme, so als wäre ihr kalt. Ich denke, ich muss es ihr erzählen. Ich denke, Elma hat es verdient, zu erfahren, was passiert ist.
"Elma.. Schatz.."
Sie sieht mich an.
"Ja?"
Ich schlucke.
"Du weißt, wer uns das alles angetan hat?"
Wenn ich ehrlich bin, hätte ich nie gedacht, dass es mir einmal so schwer fallen wird. Und es ist verdammt schwer.
"Ja.. Wo sind sie?"
Ich schlucke erneut, Arbesa dreht sich um.
"Ich denke, es wäre gut, wenn ich euch in Ruhe lasse. Ihr könnt ruhig über alles reden, ich fahre die Kleine spazieren."
Elma zögert nicht, sie übergibt die kleine und sieht mich sofort wieder an.
"Besim, was ist passiert?"
"Hör mal, Schatz. Ich weiss, egal was ich dir jetzt erzähle, du darfst dir niemals die Schuld für irgendwas geben okay?"
Denn das ist meine größte Angst. Dass sie wieder in dieses Loch fällt und nicht mehr hinaus kommt.
Sie schüttelt den Kopf.
"Elma.. Dein Bruder und dein Vater, beide waren bei uns.."
Sie nickt. Und dann zuckt sie zusammen, so, als würde ihr Kopf stechen und greift sich auf ihre Wunde.
"Ich weiß, besim. Was ist mit Ihnen? Irgendwas ist doch?"
Ich merke, wie mein Hals austrocknet, ich schwer schlucken muss und Elmas Hände, die ich fest in meinen halte zu zittern beginnen.
"Sie wurden kurze Zeit später von der Polizei geschnappt. Beide sitzen in U-Haft. Wegen versuchten Mordes, und bei der Hauptverhandlung sind wir als Hauptzeugen eingeladen."
Ich Merke, wie ihr Gesicht bleich wird, sie schluckt und tief Luft holt.
"Besim.. Ich muss Aussagen? Gegen sie?"
Ich nicke.
"Sie werden mich umbringen lassen, wenn ich das mach. Das ist so unfair. Warum?"
Sie zittert, ihr Körper bebt. Sie starrt auf die leere Wand, Emotionslos und starr.
"Elma.. Schatz.. Alles wird gut! Wenn wir das geschafft haben, diesen Prozess, kommen Sie Hinter Gitter und du kannst endlich Ruhe finden.. Das ist das Beste, was uns passieren konnte.."
Jetzt weint sie, sieht mich immer noch nicht an, sondern nur Starr auf die Wand hinter mir. Sie schluchzt nicht, nein, nur Tränen kullern ihr die Wangen herab.
"Wer sorgt sich um Mama? Um meine jüngeren Geschwister?"
Ich nehme ihr Gesicht in meine Hände, küsse ihre Tränen weg und sehe sie an.
"Hey, Schatz, sieh mich an.. Sieh mich an! Es wird sich alles legen, hörst du? Wir sind in Deutschland, da gibt es für alles eine Lösung.. Wir dürfen nur nicht aufgeben.. Ich bin da.. Hey.."
Endlich sieht sie mich an. Und jetzt schluchzt sie, sie kriegt keine Luft, liegt in meiner Brust und weint, nein bricht fast zusammen. Genau wie damals, nur diesmal ist es anders. Diesmal kann ich ihr helfen.

Nach einigen Momenten, beruhigt sich Elma; ich gehe hinaus und hole Arbesa herein. Elma lächelt, als sie Luana sieht, sieht dann zu Arbesa und fragt ganz locker.
"Was ist mit deinem Baby? Ist er denn schon groß?"
Arbesa lacht, küsst Luana, und erzählt Elma die Geschichte, wie ihr kleiner Sohn schon Zähne bekommen hat, und schon Mama gesagt hat. Elma freut sich, meint, sie hat Arber vermisst. Den Kleinen Hosenscheisser.
Ich verlasse Elmas Zimmer lasse die beiden alleine, begebe mich zum Kaffe Automaten. Ich lehne mich an ihm und kann es nicht glauben. Mein Schatz, mein Engel, die Mutter meines Kindes ist endlich wieder da. Jetzt können wir es zusammen angehen. Ich bin bereit für den nächsten Schritt in Richtung Zukunft.

Mein LichtblickWo Geschichten leben. Entdecke jetzt