Draußen ist es hell und es regnet. Steffi schläft wie ein Stein, hat sich auf ihrem Bett ausgebreitet und ihr Mund steht offen. Außerdem schnarcht sie. Ich grinse. Sie ist schon verrückt. Ich drehe mich erneut zum Fenster und der Regen fasziniert mich. Jeder einzelne Tropfen hat seine Geschichte. Ein Tropfen ist wahrscheinlich vom Ozean, der andere von einer Pfütze, die irgendwo verdunstet ist und nun erneut zu einer Pfütze wird, um erneut zu verdunsten. Ich sehe Menschen, wie sie alle aus den Häusern gehen, sich beeilen, um ja nicht zu spät in die Arbeit zu kommen. Einige von ihnen haben einen Regenschirm, andere gehen wieder hinein, um sich einen neuen zu holen, und wieder andere schauen sich ein paar mal um, um sich dann die Jacke über den Kopf zu ziehen und so bis zum Auto oder zur Bushaltestelle zu laufen und dann wegzufahren. Und sie alle haben eines gemeinsam. Sie werden von dem Regen nass, der aus Regentropfen besteht, die aus verschiedenen Regionen kommen und so ihre Geschichte haben. Entweder sie kommen vom Ozean, oder von einer kleinen Pfütze. Einer Pfütze auf dem Spielplatz, oder einer aus dem Friedhof. Ich fühle wieder dieses Gefühl. Mir wird übel. Ich packe meine Zigarettenpackung und stelle mich auf den Balkon. Die Kälte ignoriere ich und zünde mir einen Glimmstängel an. Der Rauch, der meine Lungen füllt schmerzt, der Schmerz fühlt sich aber gut an. Ich lebe. Langsam puste ich den Rauch aus und genieße einen Moment die Stille. Schließt man die Augen, hört er sich an, wie ein Applaus. Es hört sich so an, wie als würde mir die Welt gratulieren. Gratulieren, zu meinem Misserfolg. Zu meinem miserablen Leben.
Damals, vor mehr als einem Jahr, war ich mit Ardit schon fast 3 Jahre zusammen. Wir hatten viel erlebt, ich hatte ihm meine gesamte Jugend geschenkt. Ich schließe die Augen, schmeiße die fertig gerauchte Zigarette weg und erinnere mich. Ich denke gerne an ihn, wenn ich an ihn denke, wird mir warm ums Herz. Ich schließe also die Augen und lausche dem Applaus. Und dann habe ich die Szene vor mir. Wie er von Tag zu Tag schwächer wurde. Wie er von Tag zu Tag immer bleicher wurde. Wie ich ihn zu einem Bluttest zwingen musste und wie er mich auslachte und meinte, es sei doch sowieso alles in Ordnung. Und wie dann doch nicht alles in Ordnung war, der Arzt feststellte, dass sich seine weißen Blutkörperchen ungebremst vermehren würden und er dringend ins Spital muss. Ich war immer bei ihm gewesen. Auch, als wir im Spital in der Intensivstation lagen und er diverse Tests durchführen musste. Auch, als die Diagnose kam. Leukämie im fortgeschrittenen Stadium. Wie er bleicher wurde, sie ihm sofort Infusionen gaben. Wochenlang lag er im Spital, wochenlang war er wie ausgewechselt. Dünn, bleich und haarlos. Er lachte immer. Er dachte, mir würde das was ausmachen und stellte es deshalb ins Lächerliche. Er dachte, ich würde ihn abstoßend finden. Aber nein. Ich liebe ihn.
Langsam öffne ich meine Augen, und finde mich immer noch am Balkon von Steffi wieder. Der Regen hat aufgehört, der Himmel ist dennoch grau. Ich begebe mich ins Schlafzimmer von Steffi, wo sie immer noch schläft. Wir hatten gestern bis spät geredet, geweint und getrunken. Sie sollte sich ausruhen von meinem Chaos. Ich muss an Besim denken. Er war so nett zu mir gewesen, hatte mir so unfassbar einfühlsame Dinge geschrieben. Er hilft. Also nehme ich mein Handy und merke, keine Nachricht scheint von ihm auf. Und ich bin enttäuscht, warum weiß ich auch nicht. Ich öffne unseren Chat und sehe, er war vor 1 Stunde online. Mittlerweile ist es 8 Uhr früh. Warum ist er so früh wach? Ich überwinde meinen inneren Schweinehund, immerhin ist er mein Verlobter, und schreibe ihm:
"Hallo und guten Morgen. Hoffe, es geht dir gut? Mir geht's prima. Die Nacht bei Steffi, tja, muss den Rausch noch ausschlafen, aber danach sollte es gehen. Wie wär's, wenn wir uns heute Nachmittag wieder treffen? Im Park? Würd mich jedenfalls freuen."
Ich lese sie noch einmal durch und schicke sie, ohne zu zögern ab. Ich nehme mir ein Handtuch aus Steffis Schrank und begebe mich ins Badezimmer. Das ganze Make-up muss weg, das Parfum, dieses Gefühl. Ich muss es abwaschen und während Steffi noch schläft, ist eine Dusche möglich. Ich ziehe mich aus, merke, dass ich den Ring trage. Meinen Verlobungsring. Der Beweis für unsere "Liebe", die nicht existiert. Ich lege ihn ab und begebe mich in die Dusche. Komisches Gefühl.
"Ich trinke nie wieder!" Steffi sitzt vor mir und hält ihren Kopf, während ich ihr einen Kaffee einschenke. Ich lache. "Das sagst du jetzt, weil du so einen Kater hast. Spätestens beim nächsten Mal bist du die erste, die ganz vorne steht und Tequilaaa schreit." Sie stimmt meinem Lachen ein, stöhnt dann aber laut auf. "Wie kannst du überhaupt so früh schon so wach sein?" Sie sieht mich skeptisch an, ich beiße in mein Brötchen, damit ich nicht sofort antworten muss.
"Ehm, tja, ich bin verlobt. Die Emotionen.. Du weißt schon.." Sie hat wieder diesen Blick, ich weiß genau was kommt. Die Mitleidsnummer und ich hab echt kein Bock drauf. Ich hasse Mitleid an mir.
"Du musstest an.. an ihn denken, stimmts?"
Ich schweige.
"Hey, das ist völlig normal hörst du? Er war ein Teil deines Lebens, ihn einfach vergessen geht nicht. Aber seinen Tod akzeptieren ist der erste Schritt, um damit fertig zu werden. Ardit ist tot und er hätte nie gewollt, dass du ihm nachtrauerst. Ardit hätte gewollt.."
"Halt deine verdammte Klappe!" Ich stehe und mein Körper bebt. Mein Herz rast und ich drohe, in Tränen auszubrechen.
".. nein. Er hätte gewollt, dass du glücklich wirst. Und Besim macht dich glücklich." Ich weine. Verdammt.
"Hey, ist schon gut, komm her, lass dich in den Arm nehmen. Du sollst ihn nicht vergessen, das geht auch nicht und das wäre echt schade, denn er war ein toller. Aber lass los, Schatz. Las los und fang an zu leben. Seit einem Jahr vegetierst du dahin. Seit einem Jahr grinst du nicht, geschweige denn lachen.. Und jetzt? Sieh dich an. Lass es zu, du bist doch glücklich?"
Ich nicke in ihre Umarmung, in ihre Brust hinein.
"Eben. Also bitte, gib diesem mega hoten, sexy Typen namens Besim die Chance dir zu helfen."
Ich grinse. "Du hast Recht. Aber es ist so verdammt schwer." Ich schluchze.
"Ich weiß mein Engel. Ich weiß."__________________________
Hallo liebe Alle, die hier mitlesen. Ich habe mir fest vorgenommen, solche Kommentare unter der Geschichte zu vermeiden, aber irgendwie muss ich doch meinen Senf dazu geben und euch kollektiv antworten. Habe so viele Nachrichten bekommen, dass ich nicht mehr dazu komme, alles zu beantworten und da einige Fragen doch ähnlich sind, versuche ich es auf diesem Wege.
- Ihr wolltet wissen, ob die Geschichte wahr ist.
Ja, einiges davon ist wahr, vieles aber reine Utopie. Ich versuche verschiedene Bereiche meiner Erfahrungen einzubauen und hoffe, dass es mir gelingt.
- Warum kommen nur so selten Updates?
Ich schreibe die Geschichte aus Hobbyzwecken, nicht, um irgendwie "berühmt" zu werden. Ich schreibe, weil es mir Spaß macht, an manchen Tagen hab ich mehr Lust, an anderen wieder nicht. Ich schreibe auch die Kapitel immer spontan, dieses Kapitel habe ich jetzt eben geschrieben.^^
- Wie heißt du und woher kommst du?
Das möchte ich lieber nicht sagen.. Bin lieber anonym, fühle mich dadurch sicherer.Da es schon fast 1 Uhr in der Nacht ist, sage ich gute Nacht, falls noch Fragen offen sind, schreibt mir, ich werde sie so ehrlich wie möglich beantworten. LG und bis bald. <3
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Mein Lichtblick
Dragoste"Klar. Ich lebe. Vielleicht ist ja das der Sinn. Einfach Leben, ohne großartige Gedanken zu verschwenden, wieso wir denn genau das tun sollten, was man von uns verlangt. Wieso wir denn jetzt genau so leben, wie es uns vorgelebt wird. Oder doch vorge...