19.Kapitel

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Bill tigerte unruhig in seinem Zimmer auf und ab. Er hätte sich ohrfeigen können! Er war sich einfach nicht sicher, ob sein Plan, den Jäger laufen zu lassen, so gut war. Aber als er ihm direkt in die Augen blickte, brachte er es einfach nicht fertig auf ihn zu schiessen, oder ihn sonst irgendwie zu quälen. Stattdessen machten sich ganz andere Gedanken in ihm breit. Diese Augen, sie brannten sich förmlich in sein Gedächtnis. Und er ertappte sich dabei, dass er diesen Jäger am liebsten bei sich haben wollte. Und nicht etwa um ihn zu quälen. Obwohl, quälen konnte man auch anders, wenn man es geschickt anstellte. Eine andere Art von Qual. Ein Lächeln umspielte bei diesem Kopfkino seinen Mund.

"Boah, wie bescheuert bist du eigentlich!" sagte er erbost zu sich selbst, als ihm bewusst wurde, über was er sich Gedanken machte. "Er ist ein gottverdammter Jäger!" Das allein war eigentlich schon Grund genug keinen einzigen Gedanken mehr an ihn zu verschwenden.

Mein Gott! Von diesen bescheuerten Gedanken durfte nie jemand erfahren. Vorallem nicht seine Brüder! Nicht auszudenken, was Tom und die anderen dazu sagen würde!

Unruhig und total aufgewühlt begab er sich in sein Badezimmer und stellte sich unter die Dusche, in der Hoffnung wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Aber es funktionierte nicht. Immer und immer wieder sah er diese Augen vor sich, die ihn in Todesangst anbettelten, nicht zu schiessen.

Wilde Träume begleiteten ihn den ganzen Tag über. Immer wieder wachte er auf und war völlig durch den Wind. Nein, so konnte es ganz sicher nicht weiter gehen!

Als die Nacht hereinbrach, verabschiedete sich Helena wieder zu ihrer Freundin. Zeitgleich mit den Brüdern verließ sie die Villa. Und wieder war es Damian, der sie bei Nayla absetzte. Sie freute sich auf die Frauengespräche mit ihr. Ausserdem hatte sie beschlossen, Tom zu überraschen. Sie wollte in der Nacht noch ein paar Sachen bei sich Zuhause zusammen packen und zu ihm bringen. Nach der zweiten Nacht war sie sich sicher, dass sie kein Auge mehr zumachen konnte, ohne ihn an ihrer Seite zu spüren.

Wie schon die Nacht zuvor, richtete es Bill so ein, dass er wieder mit zwei von den neuen Rekruten unterwegs war. Tom und Bill trennten sich sonst nur ungern während der Jagd. Aber wenn jeder von ihnen mit den Neuen unterwegs war, konnten sie mehr Gruppen bilden. Und eine Gruppe mehr, hieß normalerweise auch, dass mehr Jäger erledigt werden konnten.

"Was ist eigentlich heute mit dir los?" fragte plötzlich Tom während der Fahrt in die Stadt.

"Mit mir? Was soll schon sein?" blaffte ihn Bill an. Jetzt hatte er also den Salat. War ja klar, dass Tom bemerkte, dass er mit dem Kopf ganz woanders war.

"Ich weiß auch nicht. Irgendwie kommst du mir komisch vor." Tom musterte seinen Zwilling von der Seite.

"Ach Quatsch, alles in bester Ordnung", rang sich Bill ein Lächeln ab.

Tom schaute wieder aus der Windschutzscheibe. "Klar, wer's glaubt...", murrte er. "Wahrscheinlich brauchst du einfach nur mal wieder was Körperliches", grinste er dann.

Bill schnaubte durch die Nase. "Kann sein." Er hatte jetzt keine Lust auf irgendwelche Grundsatzdiskussionen mit seinem Bruder. Er hatte lange überlegt, ob er Tom von dem Jäger erzählen sollte. Aber er hörte es jetzt schon, wie er toben und ihn dafür beschimpfen würde. Noch nie wurde ein Jäger am Leben gelassen. Alle wurden sie erledigt, ohne Wenn und Aber. Er konnte es immer noch nicht glauben, dass ausgerechnet er so einen am Leben ließ.

Bill glaubte nicht wirklich daran, dass genau dieser Jäger ihm die gewünschten Informationen bringen würde. Wahrscheinlich würde er nicht einmal auftauchen. Warum sollte er auch? Er wäre ja schön blöd, wenn er es tatsächlich tun würde. Schliesslich waren die Brüder nicht umsonst gefürchtet, und ihr Ruf eilte ihnen weit voraus.

Schon bald nachdem jede Gruppe ausgeschwärmt war, setzte sich auch Bill ab. Die beiden Rekruten wurden von ihm kurzerhand an eine jägerlose Ecke verbannt. Bill wusste, dass es dort ganz sicher keine Jäger gab, und die beiden nicht in Gefahr waren. Sie würden hinterher vielleicht ein bisschen enttäuscht sein, weil sie keinen erledigt haben. Aber immer noch besser, als selbst erledigt zu werden.

Bill wusste, dass er sich auf dünnem Eis bewegte, je näher er an den vereinbarten Treffpunkt kam. Was wenn dieser Jäger tatsächlich gepetzt hatte, und ihn ans Messer liefern würde? Er beschloss für sich, sobald ihm etwas komisch vorkam, er sich auf der Stelle wegteleportieren würde. Er würde sich nicht in Gefahr bringen. Aber machte er das nicht schon sowieso?

Kaum sah er den Busch von Weitem, stieg ihm der bekannte Jägergeruch in die Nase. Aber es schien so, als ob er tatsächlich alleine gekommen war. Und tatsächlich stand der Jäger hinter dem Busch. Unruhig trat er von einem Fuß auf den anderen. Er hielt in der Bewegung inne, als Bill plötzlich aus dem Nichts vor ihm stand.

"Bist du alleine?" fragte Bill ihn schroff.

Der Jäger nickte hastig. "Ja..ja bin ich."

"Gut. Und? Was hast du mir zu sagen?"

Der Jäger fuhr sich aufgeregt mit seiner Zunge über die spröden Lippen, was Bill nicht entging. Sein Blick heftete sich auf dessen Lippen und reflexarig leckte er sich ebenfalls über die Lippen.

Was machst du hier?! rief er sich ins Gedächtnis. Er durfte jetzt um himmelswillen nicht schwach werden!

"Also?" drängte er und um sich abzulenken.

"Ich wusste bisher nicht, wo das Quartier war. Das wussten immer nur die Mitglieder des inneren Kreises. Und dem gehöre ich noch lange nicht an."

"Wirst du auch niemals, wenn du jetzt nicht endlich mit der Sprache rausrückst!" knurrte Bill.

"Schon gut, schon gut." Der Jäger erhob die Hände. Er hatte Angst, auch wenn der Vampir dieses Mal nicht mit gezückten Waffen vor ihm stand. Aber er wusste genau wer er war. Schliesslich wurde ihnen von Anfang an eingetrichtert, vor wem sie sich besonders in Acht nehmen mussten. Und da war der Blondhaarige da vor ihm, ganz vorne mit dabei. "Es gibt da also eine große Fabrik vor der Stadt. Sie liegt ziemlich unscheinbar in einem großen Industriegebiet", fuhr er fort.

"Das ist alles? Dort sitzt dein Boss?" fragte Bill jetzt doch etwas ungläubig. Er hätte nicht gedacht, dass es so einfach war, an die Info zu kommen.

"Ja, mehr weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass die alte Bleibe wohl abgefackelt wurde, um irgendwelche Spuren zu verwischen."

"Annabelle...", flüsterte Bill und senkte seinen Blick.



Dark Warriors(Tokio Hotel)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt