6. Kapitel

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Als Bill aufs Podest zulief, staunte er nicht schlecht, als er seinen Bruder am Hals von Helena saugen sah.

"Wollt ihr euch dafür nicht einen anderen Ort suchen",

grinste er und baute sich dreist vor den beiden auf.

Tom sog die warme Flüssigkeit in sich, ehe er grummelnd die Augen aufschlug und seinen jüngeren Bruder mit seinem Blick am liebsten aufspießen wollte. Von Diskretion hielt der Kleine noch nie etwas. Im Allgemeinen konnte Tom darüber nur schmunzeln. Aber nicht jetzt.

"Verzieh' dich Bill", knurrte Tom und funkelte ihn böse an.

"Ich denk ja gar nicht daran. Lässt du mir noch was übrig oder muss ich mir ne andere Zapfstelle suchen?" traute sich Bill tatsächlich zu fragen und verschränkte seine Arme vor der Brust

"Kleiner, übertreib's nicht!" Toms Wangenknochen traten hervor. "Helena ist für dich tabu!"

"Alles klar", Bill hob ergeben die Hände, "wollt's nur wissen."

Sofort erhob er sich vom Sessel, in den er sich keine fünf Sekunden zuvor fallen ließ. Es kam noch nicht oft vor, dass Tom seine Beute so verteidigte. Wenn er es sich recht überlegte, kam das sogar noch gar nie vor. Also schien es, als ob es ihm mit Helena ernst war.

Bill hatte keine Lust lange nach einem Spender zu suchen. Daher schnappte er sich die erstbeste junge Frau, die ihm über den Weg lief. Ohne Vorwarnung, griff er in ihren Nacken und riss ihren Kopf weit nach hinten. Die pulsierende Ader war genau das, was er jetzt brauchte. Gierig schlug er seine Zähne in die weiche zarte Haut.

Gerade noch rechtzeitig erinnerte er sich an das Dilemma beim letzten Mal, als er getrunken hatte. Er ließ von ihr ab, bevor er ihr das Leben völlig aussaugte. Schwach glitt sie an ihm hinab und landete auf dem weichen Teppich. Sie war schwach, aber sie lebte noch.

"Ich muss mich für meinen kleinen Bruder entschuldigen", räusperte sich Tom, während er sich verstohlen über die Lippen fuhr. Eben noch hatte er Helenas Blut getrunken, was ihm einen ungeheuren Energieschub gab. Sie schmeckte köstlich. Noch nie hatte er mit so viel Besonnenheit von jemandem getrunken wie von ihr. Noch nie nahm er jeden einzelnen Tropfen Blut so intensiv wahr, wie bei ihr.

Helena lächelte verlegen. Also Bill eben vor ihr stand, nahm sie ihn zuerst gar nicht wahr. Mit geschlossenen Augen konzentrierte sie sich auf Toms Saugen an ihrem Hals. Fast schon zu zärtlich bohrten sich seine Zähne kurz zuvor in ihr Fleisch. In dem Moment wusste sie, dass sie nie wieder einen anderen von sich trinken lassen konnte, ohne dabei an Tom zu denken. Aber durfte sie das überhaupt? Einfach so an Tom denken, den höchsten ihrer Rasse? Solange sie ihre Schwärmerei für sich behielt, ganz sicher.

"Er ist manchmal echt ein riesengroßes Trampeltier und merkt gar nicht wann es genug ist", lachte Tom sie an. Auch für ihn war das Trinken ein ganz anderes Erlebnis als sonst. Nur mit viel Mühe konnte er sich beherrschen und sich zum Aufhören zwingen.

Manche Vampire hatten eine feste Nahrungsquelle. Meistens die, die keine Lust hatten sich immer wieder eine neue Quelle zu beschaffen. Für die Dark Warriors stellte sich dieses Problem nicht dar. Denn in ihrem Haus waren immer willige Menschen oder Vampire, die gerne bereit waren ihnen das zu geben, was sie brauchten.

"Ich würde mich freuen, wenn du in Zukunft nur mir zur Verfügung stehst." Noch bevor Tom über seine Worte nachdenken konnte, hatten sie auch schon seinen Mund verlassen.

Helenas Augen weiteten sich. Hatte sie da gerade eben richtig gehört? Tom Kaulitz, der mächtigste Vampir unter ihnen, wollte sie als feste Nahrungsquelle? Wollte sie als Auserwählte?

Auserwählte, das waren jede, die nur einem der Brüder alleine zur Verfügung stehen.

Ob sie es wollte oder nicht, einem Dark Warrior durfte niemals ein Wunsch abgeschlagen werden. Widerspruch wurde nicht geduldet. Aber das wollte sie auch überhaupt nicht. Ganz im Gegenteil! Sie konnte es kaum mehr abwarten, wann sich seine Zähne erneut in sie bohrten.

"Natürlich, wie du wünschst", sagte sie daher mit gesenktem Kopf. Tom sollte nicht sehen wie sie errötete.

"Gut", Tom nickte. Auch er wollte sich nicht anmerken lassen, wie aufgeregt er eigentlich war. Schliesslich war es das erste Mal, dass er einen festen Partner -in dem Fall Partnerin- für sich forderte. Der Gedanke gefiel ihm. Sehr gut sogar. "Du wirst ab jetzt immer abrufbereit für mich sein müssen", sagte er und schaute sie von unten herauf an.

Helena nickte ergeben. Sie sollte dem höchsten ihrer Rasse dienen. Und in ihren Augen auch noch dem Attraktivsten. Na wenn das nicht eine Ehre war.

Innerlich freute sie sich wie ein kleines Kind.


Dark Warriors(Tokio Hotel)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt