Siebzehn

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'I'm tired of being what you want me to be' - Numb, Linkin Park

Etwas misstrauisch ließ ich mich auf den Sessel gegenüber fallen. Mit den Füßen über der Lehne, damit ich sie richtig sah. Mama redete nie. Zumindest nicht so, wie es Mütter normalerweise tun.
Sie atmete tief ein. „Ich möchte, dass du über die Ferien zu deinem Vater gehst. Fürs erste. Ich brauche... Unser Verhältnis ist nicht so, wie es früher mal war. Vor der Scheidung." Ich verkniff mir ein ‚Vor deinem Betrug' und ließ die weiterreden. Ich ahnte schlimmes. „Wir streiten eigentlich ständig, und jetzt... Ich möchte wirklich, dass wir uns wieder verstehen. Und ein Wechsel mitten im letzten Schuljahr ist ziemlich ungünstig." Oh mein Gott. Sie wollte mich abschieben! Ich holte tief Luft, wollte ebenfalls etwas sagen, doch sie unterbrach mich. So viel zum Thema ‚wir' müssen reden. „Aber ich verstehe dich nicht mehr, Helen! Du bist siebzehn, in vier Monaten wirst du achtzehn, und du vergräbst deine Nase andauernd hinter Büchern oder verbringst deine Zeit mit Partys! Du machst dieses Jahr dein Abitur, du kannst nicht nur Harry Potter und so viel Alkohol wie möglich im Kopf haben! Und dann ständig die Typen, mit denen ich dich in der Stadt treffe..." Die Typen?! Vor einem halben Jahr hatte ich was mit einem aus meinem Deutschkurs. Wir waren in der Stadt gewesen, weil ich mir hatte Bücher kaufen wollte. Und er sich die neue Staffel von How I met your Mother. Mama hatte uns gesehen, als er die Hand auf meinem Hintern hatte und mit mir geflirtet hatte. Vielleicht hatte ich nie gesagt, dass ich einen Freund hatte, aber dennoch. Davor war es eine Bekanntschaft von einer Party, mit der ich ebenfalls geflirtet hatte, als meine Mutter um die Ecke bog und vor Schreck fast die Einkaufstüten fallen gelassen hätte. Nur wegen seinem Tattoo. Zugegeben, es schlängelte sich über den ganzen Arm, aber er war letztendlich auch schon neunzehn. Das waren zwei. Zu ‚Typen' gehörten definitiv mehr. Wieder wollte ich etwas sagen, protestieren, doch meine Erzeugerin sprach einfach weiter. „Dazu läufst du durch die Wohnung als würdest du unter einer Brücke hausen und ich bin mir ziemlich sicher, wenn du volljährig bist wirst du dir die Haare bunt färben. Ich kenne dich nicht mehr, Helen, du bist nicht mehr das Mädchen, das ich großgezogen habe!" Ich bekam einen Kloß im Hals. Auch das noch. „Weißt du, warum das so ist? Warum du mich nicht kennst?", fragte ich leise. Überraschenderweise wurde ich nicht unterbrochen. „Weil du mir nicht zuhörst. Du hörst dich selbst lieber reden als andere. Hast du dich jemals nach mir erkundigt, seit Papa weg ist? Nein. Du weißt nicht welche Musik ich höre, welchen Schauspieler ich mag. Du hast ja nicht mal meine Noten richtig angeguckt, als ich dir meine Arbeiten oder mein Zeugnis zum Unterschreiben gegeben habe. Du interessierst dich nur für dich. Und dann wunderst du dich, warum wir uns dauernd streiten? Vielleicht weil ich mich dezent ignoriert fühle. Im Stich gelassen. Von meiner eigenen Mutter." Ohne ein weiteres Wort stand ich auf und verließ den Raum. Auf meine vollkommen perplexe Schöpferin achtete ich nicht. Automatisch griff ich nach meinem Schlüssel, zog die Schuhe an und schlüpfte in die Jacke. Als ich die Haustür öffnete erschien meine Mutter im Eingangsbereich. Sie hielt Jon auf dem Arm und streichelte ihn, was sie sonst fast nie tat. „Helen, komm wieder rein, ich..." Die zufallende Tür erstickte ihre Worte. Bevor sie mir folgen konnte hastete ich aus dem Haus und rannte um die nächste Ecke. Erst dort blieb ich stehen und erlaubte mir zu weinen.


Falls unter euch irgendwelche Malec - Shipper sind: Das Infochap von meiner FF ist draußen :3

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