'I was writing about everything, I saw before me' - 7 years, Lukas Graham
Eine Stunde später wurden wir wieder entlassen, und Miriam und ihr Liebster waren offiziell verheiratet. Was soll ich sagen, das Ganze war sterbenslangweilig. Eine gute halbe Stunde hatten wir uns auswendiggelerntes Beamtendeutsch anhören sollen, weitere fünfzehn Minuten Liebesgedichte, die ich schon alleine wegen den Gedichtsanalysen im Deutschunterricht verabscheute, und schlussendlich noch das Geheule der Anwesenden. Ich kannte Miriam doch gar nicht, und nun wurde ich auf diese Hochzeit gezwungen. Der einzige Lichtblick war Alex, der ebenfalls unfreiwillig hier war und im Anzug einfach umwerfend aussah. Mittlerweile saßen wir in einem Restaurant, das sogar Oprah zu edel gewesen wäre. Hätte ich zahlen müssen, wäre ich spätestens nach dem Anblick der Speisekarte in Ohnmacht gefallen. Die edelsten Weine, teure Champagner und irgendwelche Trüffelspezialitäten, von denen ich noch nie gehört hatte. Von Cola keine Spur. Allerdings wurde mir in förmlichsten Deutsch das Tafelwasser einer scheins unberührten Quelle angeboten, für zehn Euro das Stück. Mag ja sein, dass nur zehn Prozent der Wassers auf der Erde Trinkwasser sind, aber zehn Euro? Ich wollte doch nur was trinken! Verzweifelt sah ich zu Alex, der neben mir saß und genauso verzweifelt auf die Karte guckte wie ich zuvor. „Was ist ein Vinaigrette?", fragte er ratlos. „Weiß ich doch nicht!", zischte ich zurück. Mir stand der Sinn nach irgendeinem Wein, dessen Preis meine Mutter töten wurde. Vielleicht konnte ich dann Kaninchenleber mit Trauben – Pilz – Soße und Spargel – Himbeere – Muffins etwas abgewinnen. Allerdings wurde mir die Entscheidung wenig später abgenommen, da meine Mutter für mich Sekt, Wasser und irgendetwas Französisches bestellte. Im Laufe des Bestellvorgangs fiel das Wort ‚Vinaigrette' des Öfteren. „Ich freue mich, dass ihr alle hier seid!", begann Miriam lächelnd. Alex und ich sahen uns an. Wir kannten sie ja nicht mal. Es folgte das übliche Geschwafel über die große und einzige Liebe, gemeinsame Zukunft und strahlendem Optimismus im weiteren Verlaufe der Ehe, als wäre das Leben ein Disneyfilm. Zu meinem großen Entsetzen forderte die Braut auch noch zum Tanzen auf, solange das Essen noch nicht da war. Himmel hilf! Stumm beobachtete ich, wie alle möglichen Pärchen auf die Tanzfläche vor den Tischen strömten. Disneyfilm. Mama flirtete ununterbrochen mit einem Mann aus der Familie des Bräutigams, und Alex' Eltern sah ich ebenfalls auf der Tanzfläche. „Darf ich bitten?" Alex verbeugte sich galant vor mir und streckte mir die Hand entgegen. Ich hatte gar nicht mitbekommen, dass er Aufgestanden war. „Das hast du gerade nicht ernsthaft gemacht, oder?", erkundigte ich mich nur wenig entsetzt, während ich meine Hand in die seine legte. „Na ja, hat doch geholfen, oder?" Ein Seufzen entfuhr mir, als wir auf die Tanzfläche traten. Disney. „Hätte nie gedacht, dass unsere Mütter gemeinsame Freunde haben", meinte Alex und legte seinen Arm um mich. „Hätte nicht gedacht, dass meine überhaupt welche hat", murmelte ich zurück und fokussierte meine Erzeugerin, die eng mit dem Mann von vorhin tanzte. „Also, warum kannst du tanzen?" Letztendlich gab ich Mama auf und wandte mich stattdessen wieder an Alex. „Sport. An meiner Schule legen alle – Lehrer, sowie Eltern – großen Wert auf eine gute Erziehung, zu der eben auch tanzen gehört." „Das merkt man ja an Malika", erwiderte ich ironisch. Ich konnte sie definitiv nicht leiden. „Prachtexemplar, ich weiß. Hey, was hältst du davon, wenn wir morgen ins Kino gehen. Nur du, ich und ein Horrorstreifen", fragte Alex und wechselte somit das Thema. „Ohne den Horrorfilm, bitte." „Und was schlägst du dann vor?" „Wir könnten in einen Liebesfilm gehen und Pärchen mit Popcorn bewerfen?" Er lachte. „Gib es zu, du willst eher den Film sehen als unschuldige Pärchen zu nerven." Verdammt. Okay, ja, ich hatte ab und an auch mal das Bedürfnis nach einem Liebesfilm. Oder nach Bananen. Ertappt wandte ich den Kopf ab - woraufhin mein Blick auf Leo und Ben fiel, die angestrengt versuchten, die Erwachsenen zu kopieren. Ben hatte in James – Bond – Manier seinen Arm um den Älteren gelegt und versuchte konzentriert, die Zunge zwischen die Lippen geklemmt, die gleichen Tanzschritte zu machen wie alle um die beiden herum. Kichernd holte ich mein Handy aus meinem Dekoltée, erntete einen irritierten Blick von Alex und machte ungeachtet dessen ein Video der beiden Turteltäubchen.
DU LIEST GERADE
Pennerlook
Teen FictionEigentlich mag Helen ihr Leben. Gut, sie mag die Art, wie sie es lebt. Als würde sie kaum etwas interessieren, was meist auch der Fall ist. Nur tritt genau das Gegenteil ein, als Alex in ihr Leben stolpert und sie zum ersten Mal merkt, wie schön Ver...