•Hinny Oneshot•500/800 Special•

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Lieber Harry,

sollte sie wirklich 'Lieber' schreiben? Liebte er sie denn überhaupt noch? Hatte er sie je geliebt? Oder war das nur eine kleine Ablenkung von seinen ganzen Aufgaben als 'Auserwählter'?

ich hoffe, dieser Brief wird dich jetzt oder irgendwann später erreichen. Wer weiß, vielleicht denken wir nach dem Krieg an diese Zeit zurück, mit einem Lächeln auf den Lippen.

Wieder stockte sie. Die Feder hinterließ einen großen Fleck an der Stelle, wo eigentlich das nächste Wort hätte stehen sollen.

Nach dem Krieg.

Gab es für sie überhaupt ein 'Nach dem Krieg'? Und falls es eins gab, würde er es mit ihr verbringen wollen? Die Zweifel und vor allem die Trauer füllten ihre Augen mit Tränen, doch sie ignorierte sie und auch den Fleck auf dem Pergament vor ihr und setzte wieder an weiter zu schreiben.

Ich wünschte so sehr, ich wüsste, wie es dir geht, was du machst und woran du denkst. Ich wünschte, du wärst jetzt hier bei mir. Ich wünschte ich könnte dich nur sehen, dich riechen, dich berühren. Und vor allem wünsche ich, dass du an mich denkst, wie ich es gerade tue. Es gibt keinen größeren Weihnachtswunsch für mich, als dich in meine Arme zu schließen, deine Lippen auf meinen zu spüren.

Die erste Träne tropfte aufs Pergament und verschwand, ließ nichts als einen dunklen Fleck zurück. Genau wie er. Er verschwand einfach und ließ nichts als einen dunklen Fleck in ihrem Herzen zurück.

Ich weiß noch damals, als ich dich das erste mal sah. Am Bahnhof. Ich begleitete meine Geschwister dort hin und du hattest Probleme, das Gleis zu finden. Natürlich hatte ich schon vorher von der Legende 'Harry Potter' gehört, doch als ich dich da sah, wusste ich nicht, wer du warst. Dennoch wusste ich, du warst besonders. Ich habe es später darauf geschoben, dass du ja Harry Potter wärst und es klar war, dass du besonders warst, aber du warst und bist auch so etwas besonderes.

Der Brief war mittlerweile schon fast durchtränkt von Tränen. Schmerzlich traten die Erinnerungen in ihr hoch, doch auch ein kleines Lächeln schlich sich über ihre Lippen. Sie wollte den Brief trocknen, doch sie konnte sich nicht von der Stelle rühren. Aber auch selbst wenn sie gekonnt hätte, hätte sie es nie geschafft auch nur den einfachsten Zauber anzuwenden. Ihr Kopf war leergefegt, das einzige, was sie sah, war er.

Er, wie sie ihn das erste Mal gesehen hatte, er, wie er verletzt im Krankenflügel lag, nachdem er sie alle von Quirrell gerettet hatte. Er, wie er sie angelächelt hatte und sie kurz darauf in ihr Zimmer gestürmt war. Er, wie er sie gerettet hatte, damals in der Kammer des Schreckens. Er, wie er halb Tod neben Sirius gelegen hatte, nachdem er sich selbst vor den Dementoren gerettet hatte. Er, wie er nach Cedrics Tod so verzweifelt gewesen war. Er, er, er.

Reglos saß sie da, die Tränen liefen ihr nur so von den Wangen, als sie an ihrer letzten richtigen Begegnung angekommen war. Sein Geburtstag, der Tag vor Bills Hochzeit mit dieser Zicke. Der Kuss. Es war so perfekt. Er war so perfekt! Warum musste er nur am nächsten Tag schon verschwinden? Nicht einmal reden hatten sie darüber gekonnt.

Sie blickte zurück auf das Blatt Pergament und zerknüllte es schließlich. Fast erschrocken von ihrer eigenen ruckartigen Bewegung, schnappte sie sich ein neues Blatt und schrieb:

Lieber Harry,

Ich hatte eigentlich vor, dir in diesem Brief zu schreiben, wie sehr ich dich vermisse und wie doll ich mir wünsche, dich jetzt bei mir zu haben, aber wenn du wirklich fühlst, wie du sagst, wirst du mich auch so verstehen!

Harry James Potter ich liebe dich über alles, mehr als ich sonst je jemanden geliebt habe und ich würde alles dafür geben, wirklich alles, nur um ein Lebenszeichen von dir zu hören!

In Liebe, deine Ginny.

Eine letzte Träne tropfte hinunter und verwischte leicht das y. Sie wollte den Brief eigentlich Bill mitgeben, er würde wissen was er mit dem Brief anfangen sollte, außerdem war ihm beim letzten Besuch etwas raus gerutscht und sie hatte den Verdacht, er würde irgendwie mit ihnen in Kontakt stehen, doch immer noch starrte sie ihn unbeweglich an.

Es tropften keine Tränen mehr, aber vor ihren Augen geisterte immer noch das grüne Paar Augen, dass zu seiner früheren Zeit schon zwei schwarzhaarige Männer um den Verstand gebracht hatte.

J.I.L.Y.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt