•Eins•

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...von pinken High Heels und Bellatrix Haaren.

Ich wurde nicht gerade sanft und von der lieblichen Stimme meiner Schwester geweckt. Dazu hämmerte sie wie immer gegen die Tür, als wolle sie sie eintreten oder eher einschlagen. Was auch immer es war, sie wollte irgendwas von mir. Woher ich das wusste? Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass es erst 9:00 Uhr war. Normalerweise ließ sie mich bis 10:30 Uhr schlafen, wenn auch nur recht widerwillig.

"Liiiiilllly, jetzt komm da endlich raus!", zeterte das Wesen vor meiner Tür, dass sich große Schwester aka Petunia aka die Person, die man nicht in den Ferien sehen wollte, nannte. Zum Glück war ich so schlau gewesen, die Tür abzuschließen. Denn ansonsten würde sie jetzt wahrscheinlich auf meinem Bett hüpfen. Obwohl ich nicht einmal wusste, ob sie überhaupt hüpfen konnte.

Ich schnappte mir meinen Zauberstab, nicht dass ich nachher noch eine neue Tür brauchte, und öffnete diese mit einem 'Alohomora'.

Petunia, die mich natürlich nicht zur Tür gehen gehört hatte, fiel jetzt, da plötzlich ihr 'Hämmerobjekt' weg war, ins Zimmer und versuchte sich irgendwo festzuhalten. Dabei allerdings riss sie drei wirklich spannende Bücher von meiner Kommode, die ihr natürlich auf die Füße flogen, und sie schrie ziemlich schrill auf.

Das Ende vom Lied war dann, dass sie doch auf dem Boden landete und sich auch noch eine Hacke ihrer pinken High Heels abbrach. Das Lustigste allerdings war immer noch ihr Gesichtsausdruck, der von überrascht über die Tatsache, dass sie jetzt auf dem Fußboden saß, über schmerzverzerrt und schließlich zu bitterböse wechselte, als ihr Blick auf den kaputten Schuh fiel.

Ich hob meinen Zauberstab auf, der mir vor mehr oder weniger erfolgreich unterdrücktem Lachen heruntergefallen war und reparierte schnell den demolierten Schuh. Zum Glück war ich im Januar schon 17 geworden und durfte nun auch außerhalb Hogwarts zaubern. Ansonsten wäre ich jetzt mit höchster Wahrscheinlichkeit eine tote Hexe.

Petunia blickte erst ihren nun reparierten Schuh an und dann mich. In ihrem Blick lag eine Mischung aus Missachtung, Dankbarkeit und sogar etwas Erstaunen. Normalerweise hätte sie sich geweigert den Schuh anzuziehen. Aber ich glaubte sie hatte einfach keine Lust und Zeit sich noch ein Outfit passend zu einem anderen Paar Schuhen rauszusuchen. Wahrscheinlich hatte sie für das hier schon mindestens eine halbe Stunde vor dem Kleiderschrank gestanden.

"Also", fragte ich nachdem ich mich endgültig aus der inzwischen eh schon halb heruntergefallenen Decke befreit hatte, "was willst du?" Meine Schwester, die inzwischen wieder auf ihren pinken, geflickten Absätzen stand, sah mit gespitzten Lippen an mir herunter und sagte dann: "Vernon kommt in exakt 43 Minuten und ich hoffe für dich, dass du dann nicht mehr so aussiehst."

Mit erhobenem Kopf und einer Menge Lärm, den ihre Schuhe veranstalteten, stürmte sie aus meinem Zimmer, wobei sie allerdings fast wieder über die immer noch am Boden liegenden Bücher stolperte. Das kurze Straucheln dadurch ruinierte ihr ein bisschen den dramatischen Abgang.

Immer noch entsetzt darüber, dass Petunia gerade meinen Tag, der so schön hätte sein können, zunichte gemacht hatte, starrte ich ihr hinterher. Ich hasste, und das war noch untertrieben, ihren Freund, der eine Mischung aus Nilpferd und Walross mit Schnurrbart war. Und das war nicht übertrieben! Er sah wirklich so aus.

Aber das Hassen beruhte wahrscheinlich auf Gegenseitigkeit, da sich Nilpferd-Walross-Schnurrbart-Vernon immer wenn er nur konnte, und das war leider viel zu oft, über Petunias kleine Schwester, das hässliche Entlein, schwarze Schaf und was auch immer der Familie, aufregte. Das hatte er sogar schon getan bevor er von meinen 'Fähigkeiten' erfahren hatte.

Kurz und knapp: Ein recht unsympathischer Typ. Also perfekt für mein Schwesterlein, welches schon wieder Lärm veranstaltete. Diesmal in der Küche.

Widerwillig stand ich nun also langsam auf, sammelte vom Boden ein paar Klamotten auf, die noch tragbar aussahen und einigermaßen zusammen passten und schlurfte ins Bad. Dort blickte ich im Spiegel meinem von Augenringen verziertem Gesicht entgegen.

Ich seufzte. Vielleicht hätte ich gestern das sehr spannende Buch über Verwandlungen nicht mehr zu Ende lesen sollen. Schlaf konnte man nun eben doch nicht mit ein, zwei Tassen Kaffee wett machen.

Nach einer Weile Betrachten im Spiegel nahm ich meine Haarbürste und versuchte meine roten Locken, die momentan Bellatrix Schwarzen sehr ähnelten, zu zähmen.

Bellatrix Black war Sirius' Kusine, die vor acht Jahren ihren Abschluss gemacht und sich wahrscheinlich schon lange den Todessern angeschlossen hatte. Sie war in der Zaubererwelt vor allem bekannt für ihre Verrücktheit und ihre schwarzen, anscheinend unzubändigenden Locken.

Schließlich gab ich es auf und band mir einfach einen Zopf. Ich zog mich um und schminkte mich ein wenig. Vor allem unter den grünen Augen, die mir durch den Spiegel entgegen blickten, trug ich ein bisschen mehr auf.

Danach kam nur noch mein Parfüm. Ich trug ein paar Spritzer auf und schon umgab mich der leicht fruchtige Geruch, der mich sofort etwas wacher und fröhlicher machte.

Ein letztes Mal sah ich in den Spiegel, war zufrieden und ging in mein Zimmer zurück. Ich sah auf die Uhr und bemerkte, dass ich noch eine Viertelstunde Zeit hatte, bis das Nilpferd-Walross-Schnurrbart-Monster kam und konnte mich so noch seelisch darauf vorbereiten und meiner besten Freundin Marlene zurückschreiben.

Ich setzte mich also auf meine Fensterbank, mein absoluter Lieblingsplatz in diesem Haus, und fing an den Brief zu schreiben, während ich Calipso, meiner Eule, über das Gefieder streichelte und über das letzte Schuljahr nachdachte. Es war eigentlich wirklich schön gewesen. Ich hatte zwar die Freundschaft zu Severus endgültig gekündigt, aber Marlene und auch Mary hatten mir gut geholfen.

Marlene, ich lächelte bei dem Gedanken an sie. Was würde ich nur ohne sie machen? Ich war zwar recht beliebt und viele meiner Mitschüler waren auch nett, aber ich glaubte, wenn ich nicht mehr nach Hogwarts gehen würde, hätten wir keinen Kontakt mehr.

Anders war das bei Marlene. Ihr würde ich alles anvertrauen, sogar mein Leben, und wahrscheinlich würde ich es psychisch nicht verkraften, würden wir den Kontakt abbrechen.

Andere wiederum würde ich nicht wirklich vermissen. Darunter viele Slytherins, bei denen das vermutlich auf Gegenseitigkeit beruhte, aber auch die Rumtreiber, eine Art 'Gang' bestehend aus Remus Lupin, der eigentlich ein ganz netter Kerl und mit mir zusammen Vertrauensschüler gewesen war. Ihn würde ich wahrscheinlich am meisten vermissen. Sirius Black, ein Aufreißer der feinsten Sorte, der nichts von Regeln hielt oder einfach dachte, sie galten nicht für ihn. Und zu guter Letzt James Potter, der größte Idiot der Geschichte! 

Viel mehr musste man zu Potter wirklich nicht sagen, obwohl ich mich auch gut eine Stunde über ihn aufregen konnte. Vernon toppte den Aufregungs-Rekord, wie Marlene ihn nannte nur sehr knapp. Und das musste schon was heißen!

Allerdings sollte ich fairer Weise zugeben, dass wir uns Ende des letzten Jahres wirklich normal unterhalten hatten. Ohne, dass ich den Drang hatte, ihn zu erwürgen. Außerdem hatte er auch sein ständiges Date-Gefrage etwas mehr unter Kontrolle und er sah schon verboten gut aus... Was aber alles nichts an der Tatsache änderte, dass er ein arrogantes Arschloch war, das sich viel zu viel auf sein gutes Aussehen und sein Quiddich-Talent aufspielte!

J.I.L.Y.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt