Doch noch Pastellfarben

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Als ich die Augen aufmache merke ich, dass alles anders ist. Ich hätte mir gestern nie geträumt, mit diesen Gefühlen aufzuwachen. Als wir gestern bei meiner Oma angekommen sind, hat sich diese fast nicht mehr eingekriegt. Obwohl sie oft gesagt hat, das sie die Entschuldigung annimmt, quälen sich die Jungs jetzt wegen ihres schlechten Gewissens, schliesslich liess sie ihr stolz fernbleiben von der einzigen Person, die man noch als Familienmitglied bezeichnen konnte. Wir haben noch viel geredet, auch als Chris und Kyle dazugekommen sind. Zwar hat Chris immer geschaut, dass sie möglichst weit weg von Lucas sitzt, doch als er ihr ein Glas gegeben hat, haben sich ihre Hände berührt und sie hat mit rotem Kopf ein Danke gehaucht. Er hat darauf hin gestrahlt, als hätte er eine Medaille bekommen. Wir hatten uns nach langem hin und her darauf geeinigt, dass wir es nicht an den grossen Nagel hängen, dass ich ihre Schwester bin. Erstens weil wir alle keine Lust haben, alles zu erklären und zweitens um Ashley zu verarschen. Von dieser Idee weiss nur Kyle, da er sie mir ins Ohr geflüstert hat, als die anderen beschäftigt waren. Er meinte, sie solle doch noch einen Tag länger Gerüchte über mich verbreiten, und wenn es dann rauskomme wüssten alle, dass sie eh nur Schrott erzählt. Diese Ansicht gefiel mir sehr gut, denn ich hasste diese Frau, nur schon ihre Art. Bei diesem Gedanken verziehe ich gerade mein Gesicht und muss lachen, da das beim schminken wohl nicht die beste Idee war.




Jedoch musste ich gestern meinen Brüdern versprechen, dass ich es ihnen sage, sobald irgend jemand gemein zu mir ist und ich nicht sauer bin, falls sie es ihnen mal rausrutscht oder sie es für besser halten, aber nur wenn diese Person schlecht für mich ist. Also auf deutsch gesagt: Sobald er sagt, dass ich hübsch bin oder nur ein Anzeichen macht, dass er etwas von mir will, machen sie ihm ziemlich klar, das ich tabu für ihn bin. Ist mir eh egal, ich habe ja meine Brüder und Kyle. Kyle hatte sich gestern am Schluss ganz komisch verhalten, zuerst wollte er mir zum Abschied die Hand geben, da ich ihn aber umarmen wollte, entstand so einem Mischung zwischen beidem, woraufhin seine Hand auf meinem Bauch landete. Es kribbelt immer noch, wenn ich daran denke, ach was! Das bilde ich mir sicher nur ein!

Ich wende mich meinem Kleiderschrank zu: Was soll ich denn bloss anziehen. Zum ersten Mal seit langem sehne ich mich nach etwas Farbe. Komisch, schwarz war für mich doch immer genug Farbe, aber mal schauen was mein Schrank zu bieten hat. Nach langem suchen finde ich wirklich etwas anderes als schwarz und weiss. Keine Ahnung wie ich es geschafft habe, in der kurzen Zeit schon eine solche Unordnung in meinem Schrank zu stiften, aber gut. Mit pastellfarbenen, ja Mama in Gedanken bin ich bei dir, Hotpants und einem grauen „Forever Young"-Shirt bewaffnet gehe ich ins Bad. Meine Haare strecke ich mir noch, sonst sehe ich dann doch wieder zu sehr nach dem schüchternen Mädchen aus, das ich mal war; und auch wenn Rose weg ist ich bin nicht mehr so wie früher: Jetzt kann ich mich wehren und meine Meinung sagen.


Mit ziemlich Verspätung hetze ich aus dem Haus und stecke meine Kopfhörer rein. Aus ihnen tönt mein absolutes Lieblingslied „Sweet Lovin'" von Sigala. Passend zu dem Beat ziehe ich meine Linien mit meinem Longboard. Ich gebe zu: Von weitem muss man mich für verrückt halten, ein Mädchen das Schlangenlinien fährt, dabei irgend etwas summt und strahlt. Das ganze um acht Uhr morgens.

Ich merke wie ein Auto hinter mir her fährt, doch das ist mir scheissegal. Ohne richtig auf mein Handy zu schauen stelle ich die Musik automatisch lauter und fahre weiter. Plötzlich wird die Musik durch den nervenden Ton meines Handys unterbrochen. Ahrrg! Ich hasse das. Widerwillig nehme ich die Kopfhörer ab ohne auf mein Handy zu schauen und antworte ich mit einem leicht saureren „Was gibt's?" An der anderen Leitung ist zuerst mal nur ein Lachen zu hören bis Kyle sagt: " Süsse, wie gerne ich noch lange hinter deinem süssen Arsch her fahren würde, wir sind viel schneller wenn du zu uns in Auto steigst." Den letzten Teil schreit er und stöhnt schmerzhaft in den Hörer. „Mann Alter, was soll das?" Im Hintergrund höre ich einen amüsierten Valentin sagen: "Das ist meine kleine Schwester du Idiot." Gerade als ich anfangen will mit: „Jungs..." werde ich unterbrochen. „Siehst du Chris, bei mir antwortet sie gleich, nicht wie bei dir. Im Hintergrund höre ich wie sich Chris verteidigt, da sie mir ja nur SMS geschrieben habe und doch sofort rangegangen wäre, wenn sie mich angerufen hätte. Inzwischen habe ich mich aber schon umgedreht und sehe sie im Auto hocken und wie wild diskutieren. Ohne gross zu zögern gehe ich zum Auto, mache die Tür auf und frage in die Runde: „Danke, dass ihr mich abholen wollt, aber wo soll ich euer Meinung nach sitzen?" Sie schauen sich verwirrt und dann die Anzahl Sitze im Auto an. „Dann komm zu mir auf meine Schoss, versuch es nicht erst Kyle." Sagt Lucas am Schluss dann zu Kyle gewandt, der vom vorderen Sitz her schon den Mund aufmachen und das gleiche vorschlagen wollte.

Als wir dann endlich weiterfahren können, unterbrich plötzlich Chris' spitzer Schrei die angenehme Ruhe. „Halt, scheisse, ich hab mein Deutschheft vergessen, das brache ich heute dringend." „Mann Chris, kannst du einmal am Morgen nicht nur an dein Aussehen sondern auch mal an deinen Kopf denken?" Ruft ihr Kyle vom vorderen Sitz zu. "Wir können jetzt nicht mehr zurück, sonst kommen wir zu spät, und du weisst, dass ich und Kyle ganz nahe daran stehen, dass wir die Klasse wiederholen müssen. Wir können uns nichts mehr leisten!" sagt nun Lucas ernst. Überrascht, dass er sich überhaupt getraut, mit ihr zu sprechen, sehe ich ihn an und sage dann verspätet „Süße, wenn du willst, kannst du mein Board haben, dann bist du schneller." Sie nickt dankbar und sagt das sie einverstanden ist. Dann ist sie schon mit meinem Board aus dem Auto gesprungen und wir können endlich richtung Schule fahren. Ich denke das laute und schnelle fahren liegt nicht nur daran, dass wir spät dran sind, sondern auch daran, dass sicher alle Schüler vom Schulhof jetzt merken, wer kommt.


Plötzlich wird mir klar, wie das wirkt. Ich bin gerade dabei, aus dem Auto mit den beliebtesten Jungs der Schule zu steigen. Super, das werden ja wieder tolle Gerüchte!
Langsam rutsche ich von meinem Platz in der Mitte ans Fenster und schaue unsicher zu Jeremy rauf der vor mir ausgestiegen ist. Er hält mir hilfsbereit die Hand hin und lacht mich an.

Also hopp, let's go!

Und glaubt mir, alle Blicke waren auf uns gerichtet, vor allem auf mich. Ich hörte die Barbies bis hier von wegen Schlampe flüstern. Dies hörte aber auch Lucas; er macht gerade einen Schritt in ihre Richtung, als ich ihn an der Hand zurück halte und leicht meinen Kopf schüttle. Das ist es wirklich nicht wert.

„Kommt, ab in die Hölle, meine Dämonen!" sage ich mit einem echten Lachen auf meinem Gesicht und wir steuern zu viert unser geliebtes Schulgebäude an.









Hei meine Lieben!❤️
Ich hoffe es geht euch gut und ihr habt freude am neuen Kapitel!
Das nächste kommt schon bald!
LG Marlen

Rose, aber Rosalie für euch! Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt