Als ich mich wieder beruhigt habe, gehe ich leise wieder runter. Das leise hätte ich mir sparen können, laut und deutlich höre ich meinen Vater: „Sandra, das geht so nicht weiter mit ihr, sie ist 16 und verhält sich noch wie ein kleines Kind. Mein Gott, als ich ihn ihrem Alter war, hatte ich schon Pläne für meine erste Firma und sogar ihre Brüder waren da besser, sie hatten mehr Lebensfreude...." Ich kann es mir gerade noch verkneifen, hinein zu stürmen und ihnen zu sagen, dass sie ja daran schuld sind. „Peter bitte, sei nicht so streng, sie ist ein Mädchen. Ich habe das Gefühl, es ist nicht gut, dass wir so oft und lange weg sind, jetzt wo sie ganz alleine daheim ist, sie hat ja auch sonst keine Freunde mehr... Wen wundert's, so wie sie herumläuft." Und schon sind die aufkommenden warmen Gefühle für meine Mutter wieder weg! Doch der Gedanke, dass sie sich besser um mich kümmern wollten, gefällt mir. Doch zu früh gefreut...
„Ich denke das beste ist, wir schicken sie zu meiner Mutter. Wir werden ab nächster Woche für zwei Monate weg sein und für diese Zeit braucht sie jemanden, der auf sie acht gibt. Vor allem kann sie dort ihn eine andere Schule und kann somit noch mal neu beginnen." „Bist du sicher, dass du deine Mutter fragen willst Sandra? Sie hat sich doch so schrecklich verhalten, als das mit den Jungs passiert ist." Ja das stimmt, meine Oma ist der herzlichste und liebevollste Mensch, den ich kenne. Sie ist immer nett und freundlich zu allen. Ich frage mich oft, ob sie meine Mutter adoptiert hat, doch leider habe ich sie, seitdem meine Brüder gegangen sind, nur ein paarmal am Telefon gehört, an Geburtstagen und Weihnachten. Meine Eltern und sie hatten sich extrem gestritten, als das mit meinen Brüdern passiert war, denn meine Oma lebt ebenfalls in San Diego und anscheinend hatte sie einmal noch Kontakt zu meinen Brüdern. Dies erzählte mir natürlich niemand. Ich habe es ebenfalls durch eine geschlossene Tür mitbekommen, wie heute auch. Da die Diskussion vorbei ist, wage ich den Schritt in die Küche und sehe, wie meine Eltern ganz geschäftlich in ihre Laptops starren. „Ah, hallo Spätzchen, hast du dich beruhigt? Schön! Dein Vater und ich sind auf die Idee gekommen, dass du natürlich recht hast, mein Engel. Wir dachten, da du Oma eh so vermisst, kannst du bei ihr sein wenn wir weg gehen. Sie freut sich sicher auch auf dich, meine Prinzessin." So habe ich meine Eltern nicht mehr reden hören, seitdem sie letztes Jahr meinen Geburtstag vergessen haben. Also wollen sie es auf die Wir-sind-so-liebe-Eltern-und-sorgen-uns-Art machen. „Und wie lange bleibe ich bei Oma? Weiss sie von ihrem Glück?" „Ah, da schauen wir, wie gut es klappt. Sicher mal bis Ende des Semesters, das sind ja nur noch drei Monate, und dann schauen wir weiter. Ah ja, wegen Helene: Nein sie weiss es noch nicht, aber sie hat ja viele Gästezimmer. Rufst du sie schnell an? Das wäre super, danke mein Schatz!" Sie getraut sich nicht mal, selbst ihrer Mutter anzurufen, auch wenn sie es für mich machen müsste....
Als ich die Nummer meiner Oma Helene wähle, merke ich, wie mir warm wird, die Liebe und das Familienglück, die ihn diesem Hause so furchtbar fehlen, strahlte schon diese Nummer aus. Nach dem dritten Mal klingeln ging sie ran. „Hallo hier ist Helene, mit wem habe ich das Vergnügen?", hörte ich sie mit ihrer vertrauter und warmen Stimme sagen. „Hallo Oma.... hier ist Rosalie. Ich hoffe ich störe nicht, und du bist noch nicht im Bett." „Hallo mein Kind, du störst doch nie! Na, wie geht's dir? Bist du auf wilden Partys, wie ich zu meiner Jugend oder hast du einen eifersüchtigen Freund? Ich sage dir, es gibt nichts schlimmeres! Als ich jung war..., dieser Tom, ich sage dir...." ich musste mir ein Lachen verkneifen, genau so war meine Oma. Diese Art, die lockere, quasselnde Art, die meine Eltern so hassten, für diese vergötterte ich sie. „Oma halt, halt. Ich will weder wissen, wen Tom alles verprügelt hat, noch will ich genaueres über deinen letzten Samstagabend beim Klassentreffen wissen. Aber ja danke, mir geht es soweit gut. Einen Freund habe ich keinen, aber ich rufe wegen etwas anderes an: Hast du immer noch so viele freie Zimmer?" Ich hoffe das war jetzt nicht zu direkt.... "Ja, die sind immer noch da Kindchen, aber warum fragst du, ist alles in Ordnung?" Und genau mit diesem Satz stürme ich aus der Küche, mit dem Telefon in der Hand, und schütte seit langem mal jemandem mein Herz aus. Ich erzähle ihr alles, von den fiesen Klassenkameraden bis hin zu meinen unfähigen Eltern. Sie hört mir genau zu und unterbricht nur manchmal mit einer Nachfrage oder mit einem „Ganz ruhig meine Kleine, tief durch atmen, ich bin da!" Am Schluss meiner langen Rede ist es nur ganz wenig das sie sagt: „Du kommst zu mir, sofort. Ich lasse nicht zu, dass meine Tochter aus der liebsten Person, die ich kenne, so ein Wrack macht." So ist meine Oma, direkt aber mit einem guten Willen. Wir besprechen an diesem Abend alles noch genauer. Meine Oma lässt sich davon abhalten meiner Mutter noch die Ohren voll zu schreien und erledigt das mit meinen Eltern, indem wir zu dritt um das Telefon mit Lautsprecher hocken und sie sagt: „ Okay, gut. Rose kommt zu mir, sie kann morgen anfangen zu packen und ich mache hier alles fertig, dann kann sie am Freitag zu mir kommen. Rose. Mein Schatz, noch einen schönen Abend und nimm ja alle Sachen mit, auch warme. Man weiss nie, wie kalt die Nächte werden und Sandra, ich hoffe du weisst wie enttäuscht ich von dir bin. Aber wenigstens machst du jetzt das richtige, indem du Rose nicht mehr alleine läst!" Nach diesem Gespräch gehe ich in mein Zimmer und fange an zu packen. Ich merke, dass ich etwas in mir spüre, was ich schon seit langer Zeit nicht mehr gefühlt habe: Hoffnung und Freude.
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Rose, aber Rosalie für euch!
Teen FictionRose Black Sie ist gefühllos. Sie ist kalt. Und sie ist zutiefst verletzt. Gefühle verdrängen, sich nichts anmerken lassen und ja nicht an ihre Brüder denken! Das sagt sich Rose jeden Tag selbst in den Spiegel. Doch was ist, wenn sie ihre Br...