Emotionslose blaue Punkte

70.2K 3.7K 435
                                    

Da stehe ich also...

Meine Brüder hinter mir analysieren immer noch das Spiel, während ich einfach da stehe und ihn anschaue.
In mir erwacht eine Stimme, die ich schon lange nicht mehr gehört habe: Rose, was zum Himmel ist mit dir los? Wegen so einem Kerl lässt du dich so runterkriegen? Ich hab dir gesagt, Gefühle bringen einem nicht weit, aber du wolltest ja nicht auf mich hören. Er hat dich nur ausgenutzt. Kein Wunder, du hast dich so naiv verhalten. Ich sag nur: Gott straft sofort.

Mit einem Wedeln vor meinem Kopf versuche ich, die Stimme weg zu bekommen. Nein, ich lasse mir so etwas nicht gefallen, weder von meiner Stimme noch von Kyle, der hier steht und rumschaut als gehöre ihm diese verfickte Welt.
Mit starken und grossen Schritten gehe ich auf ihn zu. Mit seinen Augen, die sich wieder aus Barbies Ausschnitt befreit haben, schaut er nun mich zuerst unsicher und dann herablassend an.

„Kyle, ich muss mit dir reden." Anstatt dass er antwortet macht Barbie ihre Klappe auf: „Baby, soll ich dich mit dieser Hässlichkeit alleine lassen?" Während Kyle anfängt zu antworten mit: „Nein, schon okay, du kannst bleiben...", falle ich ihm ins Wort und sage: „Hör mir zu, Schminkpuppe, wenn du nicht sofort deinen Silikon-Arsch von hier weg bewegst, schwöre ich bei Gott, dass meinen Brüder nie wieder mit dir reden werden."
Mit einem kurzen Keuchen macht sich Barbie aus dem Staub, während mich Kyle fies mustert und dann sagt: „Ich dachte, du lässt die „Achtung-ich-bin-die-kleine-Schwester"-Masche nicht raus? Scheinbar doch nicht so stark, ganz alleine." Etwas erschrocken sehe ich ihn an. Ist das derselbe Kyle, mit dem ich am letzten Freitag das beste Date meines Lebens gehabt hatte? „Kyle, kannst du mir mal sagen, was zum Teufel mit dir los ist?"
Er schaut mich desinteriessiert an. „Nichts, was soll los sein? Kommt die kleine Prinzessin nicht damit klar, dass sie nicht immer im Mittelpunkt steht?" Ich merke, wie meine Augen verräterisch zu brennen anfangen, was zum Himmel soll das.
„Kannst du mal bitte aufhören, mich mit so einem Scheiss zu provozieren, was zum Teufel ist in dich gefahren? Hattest du einen schlechten Tag, oder ein schlechtes Wochenende? Wenn ja, dann lass das zum Teufel nicht an mir aus! Du musst gar nicht so tun, als wäre ich hier das Püppchen, das nur dank meinen Brüdern leben kann. Ich meine hallo, du weisst praktisch alles von mir! Du weißt, dass das nicht stimmt!" Ich schlucke leer, nachdem ich fertig mit meiner immer lauter werdenden Rede bin.
Langsam merke ich, wie die ersten Tränen runter rutschen, eine aus Wut und die andere aus purer Verzweiflung. „Wow, Rosalie, ganz ruhig, was soll dieser Aufstand, nur weil ich zwei Mal mit dir im Bett war und nicht mehr, also was erwartest du von mir?"
Ich stosse einen erschrockenen Luftzug aus (keine Ahnung, wie ich das beschreiben soll, ich hoffe ihr wisst, was ich meine). „Sag mal, willst du mich gerade verarschen? Ich bin keine deiner Schlampen, die du mal so durchnehmen kannst, wenn dir langweilig ist! Ich meine, am Freitag hast du mir noch gesagt, du hast Gefühle für mich und jetzt stellst du mich dar wie das naive kleine Rotkäppchen, das sich in den grossen bösen Wolf verliebt hat. Hunter, ich will sofort eine Erklärung!"
Meine Tränen laufen mir richtig runter, doch das ist mir scheissegal.
„Schau zu Baby. Wir hatten eine gute Zeit, du bist nicht schlecht im Bett, aber du wolltest mich am Freitag nicht ranlassen, also musste ich doch irgendwas sagen. Dachtest du echt, ich sei so ein Weichei? Aber hei, du musst nicht traurig sein, du warst besser als Ashley im Bett, ich werde dich sicher weiterempfehlen." Zu weit! Viel zu weit. Schneller als er es sehen kann ist meine Hand schon an seiner Wange und gibt ihm eine schallende Ohrfeige.
Kurze Zeit schaut er mich erschrocken und traurig mit einem entschuldigenden Blick an; kommt sehr wahrscheinlich davon, dass er gerade über den Stolz trauert, den er verloren hat, indem ein Mädchen ihm eine geschlagen hat. Als ich mich wütend umdrehe und davon renne, sehe ich gerade noch, wie sich seine Augen wieder zu zwei emotionslosen blauen Punkten verwandeln. 

Dank dem Regen sind nur noch wir beide hier draussen, so muss ich mich nicht durch die Masse kämpfen, sondern renne geradewegs zum Pausenplatz. Dort lasse ich mich erst mal an der Mauer runter, an dem er vor zwei Stunden mit Valentin gestanden hatte. Weinend lege ich meinen Kopf auf meine Knie und versuche mich zu beruhigen.
War ich wirklich so naiv gewesen und hatte so eine schlechte Menschenkenntnis, dass ich es nicht mal merke, wenn ein Typ mir wochenlang etwas vorspielt? Ich merke, dass sich in mir etwas schmerzlich zusammenzieht.
Mein Herz pocht und schmerzt wie wild, während mein Magen gegen den eben gegessenen Hot-Dog rebelliert. Ich fühle mich genau so scheisse wie ich sehr wahrscheinlich gerade aussehe.

Ich sitze sicher schon zehn Minuten hier am Rande des trockene Asphalts und schaue, wie sich immer mehr Regentropfen auf der Spitze meiner Chucks versammeln.
Das gleiche lässt sich auch bei meinen Oberschenkeln beobachten, auf die immer mehr Tränen tropfen.  Plötzlich reisst mich eine Stimme aus den Gedanken:
„Hei, kann ich dir irgendwie helfen?" Ein besorgter Junge in meinem Alter schaut mich an. Als ich ihn weiter stumm mit Tränen in den Augen anschaue, streckt er mir seine Hand entgegen. Ich nuschle ein leises "Danke", als er mir seine Jacke hinhält und mich etwas weg vom Regen in das Licht führt. "Wie heisst du? Kann ich dir irgendwie helfen?" Er schaut mich besorgt an, als ich leicht schniefend sage: „Ich heisse Rose. Mhh, keine Ahnung, weisst du, ob noch Busse fahren? Wer bist du? Ich hab dich hier noch nie gesehen." „Ich denke das mit den Bussen könnte schwierig werden, aber wenn du willst, kann ich dich heimfahren. Ich heisse Daniel." Ich überlege kurz. Einfach zu einem Fremden ins Auto steigen? Das war das erste, was man doch immer von den Eltern hört, was man ja nicht machen soll. Doch ich hatte keine Lust heim zu laufen oder zu warten, bis meine Brüder fertig waren. Sie haben ja schliesslich gewonnen, da sind sie jetzt sicher am feiern. „Also ja, eigentlich schon gerne... Aber willst du nicht noch hier bleiben und mit den anderen feiern?" „Keine Angst, mir geht es auch ziemlich mies. Zwar zu hundert Prozent nicht aus dem gleichen Grund wie dir. Man sieht an deinem T-Shirt ziemlich genau, für welches Team du warst, aber ich bin Stürmer und der Captain des anderen Teams, das heisst wir haben soeben das letzte Spiel der Saison verloren, und damit sind wir ausgeschieden... Tja, Shit happens, also kommst du mit?"

Super, Rose, als Team-Captain der Schule ist er sicher auch bei den Whites dabei... Ohne es richtig zu realisieren, ziehe ich den Ärmel meines schwarzen Langarm-T-Shirts, das ich unter dem roten Trikot von Lucas anhabe, etwas weiter nach unten, damit man ja nichts von meinem Tattoo sieht. Soll ich wirklich mitgehenden?
Aber komm was kann ich verlieren...










Hei meine Lieben!❤️
Ich hoffe es geht euch allen gut und ihr geniesst euer Wochenende!
Das Kapitel ist leider nicht so extrem lang aber das nächste wird lang, sehr lang! Ich bin schon am schreiben und freue mich jetzt schon auf das veröffentlichen! Bitte gibt mir noch Meinungen zu dem Cover das ich evt ändere😊
Lg Marlen

Rose, aber Rosalie für euch! Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt