Kapitel 12 - James & Berlin

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Kapitel 12



Wie schon vermutet, hatte es mit dem Ignorieren nicht so geklappt, wie ich das wollte. Wir haben zwar keine längeren Gespräche als "Hi" und "Wie gehts dir?" geführt, aber trotzdem machte James mich immer wieder nachdenklich. Ich meine, er war anders, als alle anderen, denn viele Typen in seinem Alter waren einfach nur Arschlöchern und Player (so wie auf meiner Schule). James aber nicht.
Ich war schockiert darüber, wie oft ich mich selber dabei erwischt habe, James zu beobachten.

Die Art, wie er sich auf die Zunge biss und breit lächelte, um sich ein Lachen aus Höflichkeit zu verkneifen. Die Art, wie er Leute ansah, die neu waren oder Hilfe brauchten. Die Art, wie er seine Augen schloss und völlig in seine eigene Welt abdriftete, wenn er Musik hörte. Die Art, wie seine Arme und Beine anfingen zu zucken, wenn gute Musik lief und er einach anfangen könnte zu tanzen. Die Art, wie er sich durchs Haar fuhr, wenn er sich konzentrierte. Die Art, wie er sich nervös über den Arm rieb, wenn er nicht wusste was er sagen oder machen sollte. Die Art, wie eingeschüchtert er auf Komplimente reagierte. Die Art, wie er sich über Menschen aufregte, wenn sie Müll auf die Straße warfen oder andere dumm anmachten.

Alles war irgendwie einzigartig an ihm, im positiven Sinne.

Lynn lachte mich jedes Mal aus, wenn ich wieder zu mir kam, nachdem ich James beobachtet hatte. Sie neckte mich und meinte, dass es ja sooooo süß sei. Ich gab ihr immer nur böse Blicke als Antwort.

Zweimal hatte James mich dabei erwischt, wie ich ihn angestarrt hatte. Er hat mir dann immer nur amüsiert zugelächelt und gezwinkert. Ich wurde natürlich jedes Mal rot wie eine Tomate und wäre am liebsten im Erdboden versunken.

Und seht ihr jetzt was ich damit meine, dass er mich ablenken würde? Und ja, ich weiß, das ist alles meine eigene Schuld. Aber ich kann mir selber nicht helfen, ich weiß auch nicht.

Ich versuchte mich trotzdem auch die letzten Tage im Boot Camp auf das Training zu konzentrieren, doch man konnte nicht sagen, dass ich so erfolgreich und intensiv trainieren würde, wie vorher und dafür könnte ich mir am liebsten selber eine reinhauen. Ich war hier, um den letzten Wunsch von meinem Vater zu erfüllen und nun ließ ich mich so leicht von einem Jungen ablenken. Was ist los mit mir? Klar, für andere Mädchen mag das vielleicht normal sein, aber nicht für mich. Wie schon hundertmal gesagt, ich bin nicht die anderen.

Aber heute ging es erstmal wieder nach Hause und ich freute mich auf meine Mutter und Berlin. Zu Hause würde ich genug Zeit haben das verpatzte Training nachzuholen in meinem alten Versteck auf meinem Dachboden.

Ich holte meine ganzen Sachen und machte mich bereit für den langen Weg nach Hause. Als ich dann endlich meine ganzen Sachen und Flugunterlagen hatte, musste ich mich nur noch von Lynn  verabschieden und natürlich auch noch von den ganzen anderen Mädchen, die mich hier alle unterstützten und für mich da waren. Aber niemand war mir hier so wichtig geworden wie Lynn.
Ich weiß, was ihr jetzt denkt: Doch, James ha ha ha. Ihr seid soooo lustig.

Ich entdeckte Lynn weiter hinten mit Hana. Ich bahnte mir einen Weg durch die ganzen Menschen und deren Gepäck, bis ich schließlich vor Lynn stand und es mal wieder Zeit war 'Tschüss' zu sagen.

'Tschüss Lynn, ich werde dich vermissen!' sagte ich und meinte es auch.

'Bis bald, Ballettmaus. Ich werde dich auch vermissen.' lachte sie.

'Und tschüss Hana, wir sehen uns!' ich lächelte und machte mich dann aber auf den Weg die anderen zu suchen. Ich fand sie alle relativ schnell und war dann aufbruchbereit zum Flughafen.

Ich steckte mir gerade meine Kopfhörer in die Ohren und wollte loslaufen zur Bushaltestelle, als mich jemand antippte. Verwirrt drehte ich mich um und natürlich, wie hätte es anders sein können, stand James vor mir und lächelte mich an.

'Oh...hi...' stammelte ich.

Super Lamiya, du schaffst es ja echt toll, dir nicht anmerken zu lassen.

'Wolltest du etwa gehen ohne dich von mir zu verabschieden?' fragte James mich gespielt beleidigt.

'Nein, natürlich nicht.' Ich gab ihm so schnell eine Umarmung, dass er erst gar keine Chance hatte mich festzuhalten.

Ha, 1:0 für Lamiya!

'Das lasse ich nicht gelten!' lachte er.

'Man James, aber ich muss jetzt wirklich los!'

'Aber ich muss dir noch was sagen...'

'Schieß los!' Eigentlich wollte ich es gar nicht hören, ich hatte ein bisschen Panik, dass er mir jetzt seine Liebe gestehen würde oder so.
Alles klar, Lamiya?
Aber ich wollte wirklich los und nicht noch lange mit James reden.

'Ich komme nach Berlin für das Halbfinale!!!' Er klang so begeistert, dass ich einfach lächeln musste. Aber dann fiel mir ein, dass das eigentlich echt beschissen war, weil ich mich wieder nicht konzentrieren können werdeund meine Gedanken ständig um James handeln werden.

Trotzdem sagte ich: 'Großartig, dann sehen wir uns ja bald schon wieder!'

'Ja...' er lächelte und sah mir direkt in die Augen.

Oh Gott, könnte er bitte damit aufhören?

Ich merkte, wie die Schmetterlinge in meinem Bauch freigelassen wurden und mir ein Schauer über den Rücken lief. Schnell schaute ich zu Boden.

Nein, Lamiya. Das ist nicht gut, gar nicht gut!

'Okay...uhm...ich muss dann los...' ich lächelte schüchtern und drehte mich dann um. Nach ein paar Metern drehte ich mich noch einmal um und winkte James noch einmal zu.

'BIS BALD, MACH ES GUT LAMIYA!' rief er mir zu und ich lächelte zurück.

Na, das kann ja was werden in Berlin.

Tanzen ist Träumen mit den FüßenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt