Kapitel 24 - I miss you.

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Kapitel 24

Gold - Wake Owl

Distance - Jack and Jack

Another World - The Vamps

Slowly Dancing in a Burning Room - Somo

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Erschöpft verließ ich den Tanzsaal. Das Training war gut. Anstrengend, aber gut. Selbst, wenn ich nicht ich selber bin, so wie heute, sondern mit den Gedanken ganz woanders, holt mich das Tanzen zurück in die Realität, oder besser gesagt in eine andere Welt. Sobald ich anfange zu tanzen, werde ich abrupt aus meiner Trance geholt und mit Herausforderungen konfrontiert. Wenn ich tanze, träume ich. Aber nicht so einen abwesenden Traum, sondern einen, der sich so real anfühlt, dass man nicht mehr weiß, ob man träumt, oder wach ist.

*****

Auf dem Rückweg im Bus fummelte ich irgendwie mein Handy im sitzen aus meiner Jackentasche und hinterließ erst Lynn eine Nachricht, dass ich mich auf sie freue und ich fragte, wie es ihr gehe. Sie antwortete sofort, aber ich schrieb erst James. Ich sagte ihm, dass ich ihn vermisste und fragte, ob wir abends skypen könnten. Dann schrieb ich Lynn und wir redeten eine Weile miteinander.

Es war bereits dunkel, als ich zu Hause ankam. Mum war anscheinend nicht zu Hause, da das ganze Haus dunkel war, also machte ich mir selber auch nichts zu essen, sondern ging direkt duschen und legte mich dann in mein Bett. Ich schaute auf mein Handy und hatte immer noch keine Nachricht von James. Ich vermisste ihn. Ich weiß, dass ich ihm gesagt hatte, dass ich nicht wusste, was ich von ihm wollte, aber das hieß doch nicht, dass ich kein Kontakt mit ihm haben wollte. Normalerweise schrieb er mir immer sofort zurück. Vielleicht war er nicht zu Hause oder einfach beschäftigt, redete ich mir ein.

****

6:30 Uhr - mein Wecker klingelte. Stöhnend drehte ich mich um, schaltete meinen Wecker aus und quälte mich aus dem Bett. Mein Kopf fühlte sich an, als würde er gleich explodieren und bei dem Gedanken an Schule wollte ich einfach nur heulen. Ich trottete in die Küche, wo meine Mutter auf den Kaffee wartete.

"Morgen.." murmelte ich.

"Guten Morgen, Lami. Ich hoffe du hast gut geschlagen." begrüßte sie mich.

"Mh-mhm" murmelte ich nur. Ich war kein Mensch, der morgens gut gelaunt war und meine Mutter wusste das. Trotzdem versuchte sie jeden Morgen mit mir zu reden und manchmal ging es dabei sogar um richtig wichtige Themen, obwohl ich doch gar nicht fähig war im diesem Zustand Entscheidungen zu treffen.

Ich schüttete mir irgendwelche Müslis zusammen, von denen ich überhaupt nicht wusste, ob ich sie mochte und setzte mich zu meiner Mom an den Tisch. Während sie stumm ihre Zeitung las, aß ich stumm mein Müsli. Ich war viel zu müde, um zu fragen, wo sie gestern Abend gesteckt hatte.

Eine halbe Stunde später verließ ich das Haus mit schlechter Laune und ohne Nachricht von James. Es waren verdammte elf Stunden vergangen und er hatte sie noch nicht einmal gelesen.

Als ich in den vollen Bus einstieg, konnte ich meine Kopfhörer nicht schnell genug finden, damit ich ja nichts von den Menschen um mich herum mitkriegen würde.

In der Schule starrten mich immer noch alle an, als ob ich ein Zombie wäre. Alle wussten bereits, dass ich bei Got to Dance war, aber sie taten so, als hätte ich jemanden umgebracht. Die Jungs, die wussten, wie geil sie waren, weil ungefähr jeder sie anhimmelte (außer ich und Hetero-Typen) und sich so über jeden lustig machten, machten alberne Figuren, die Ballett darstellen sollten und riefen mir Primaballerina hinterher. Primaballerina war aber so ziemlich das einzige, das ich als Kompliment nahm und mich in keiner Weise verletzte.

Man hätte annehmen können, dass ich vielleicht mehr respektiert worden wäre, aber nein, so war es nicht. Ich hatte das Gefühl, egal was ich machen würde, alles wäre dumm und scheiße. Warum waren Menschen dazu veranlagt, andere zu verletzen? Ich würde es nie verstehen. Sie wussten nichts über einen und meinten doch über ihn zu urteilen?

Ich gab mein Bestes, sie zu ignorieren, aber das war auch das meiste, das ich schaffte. Ich war nicht jemand, der konterte. So etwas konnte ich nicht.

Ich quälte mich durch den Schultag - Englisch, Literatur, Geschichte und Kunst. Alles war in Ordnung, bis auf Geschichte. Ich hasste meinen Lehrer und er hasste mich.

Um drei Uhr war ich aber dann endlich auf dem Weg nach Hause. Vier Tage bis ich Lynn sehen würde.

Ich hatte keine große Lust mir etwas zu essen zu machen, also ging ich an einer Pizzabude vorbei, damit ich nicht kochen musste. Ich setzte mich zu Hause mit meiner Pizza vor den Fernseher und schaltete ihn ein. Er war automatisch bei Sat1, wo gerade die täglichen Nachrichten vom Mittag liefen. Gerade als ich umschalten wollte, kam eine neue Meldung ein. *Bombenanschlag auf mehrere Häuser in Brighton, England. Motiv unklar.* hieß es. Ich schaltete nicht weg, sondern hörte dem Nachrichtensprecher, der mit Trauernden vor einer Ruine in Brighton stand und berichtete. Ich machte mir nicht weiter Gedanken und schaltete um, da ich nicht weiter irgendwelche deprimierenden und geisteskranken Geschichten hören musste.

Irgendwann war aber auch die Pizza aufgegessen und ich musste mich aufraffen den Fernseher auszuschalten, um zu trainieren und Hausaufgaben zu erledigen. Ich ging in die Küche, um meinen Teller weg zubringen. Man merkte, dass Mom sich alleine um alles kümmern musste und sichtlich überfordert war. Der Müll stank widerlich, sowie die Spülmachine von Essensresten am Vortag. Die Spüle war bis oben voll mit Geschirr, dass nicht mehr in die Spülmsachine passte. Überall lag Post herum, die entweder noch geöffnet oder weggebracht werden musste. So war es ungefähr in jedem Raum unseres Hauses, da Mom nur noch arbeitete, um Rechnungen, Tanzstunden und Miete zahlen zu können.

Ich entschied mich die Hausaufgaben zu vergessen und mein Training auf abends zu verschieben und stattdessen etwas im Haushalt zu tun. Ich wusste, Mom hätte was dagegen, weil sie immer behauptete alles im Griff zu haben, aber ich bin nicht die einzige, die jemanden verloren hat. Sie konnte Hilfe gut gebrauchen.

Vorher checkte ich noch einmal mein Handy, immer noch keine Nachricht. Der Haushalt war also ein gutes Ablenkungsmanöver und so machte ich mich an die Arbeit. Ich putzte zwei Stunden durchgehend und es war immer noch nicht alles erledigt. Meine Hände fühlten sich mittlerweile schon rau an und ich beschloss erst einmal aufzuhören und zu trainieren.

Es war 22 Uhr, als ich den Dachboden verließ und mich erschöpft in mein Bett fallen ließ. Mom war immer noch nicht zu Hause, weil sie mit Freunden aus war.

Natürlich hatte ich immer noch keine neue Nachricht von James. Ich guckte bei Skype, doch auch da war er nicht online. Ich legte mich in mein Bett und hörte leise Musik. Ich merkte, wie meine Augen und Gesicht heiß wurden und mir langsam die Tränen liefen. Es waren gerade mal zwei Tage gewesen, dass James sich nicht gemeldet hatte, aber ich vermisste ihn und ich konnte mir einfach nicht helfen, dass ich so egoistisch war und sauer auf ihn war, dass er sich nicht meldete, obwohl er wusste, wie sehr ich ihn brauchte. Wahrscheinlich hatte er gerade größere Probleme als mich, aber für mich war er im Moment das größte Problem und ich vermisste ihn neben mir im Bett und ihn zu umarmen.

Niccolò Machiavelli sagte einmal: "Unsere Sehnsucht wird immer größer, je weniger wir sie befriedigen können.". Ich habe das nie geglaubt, weil ich immer der festen Überzeugung war, dass ich etwas, egal welche Chancen ich habe, dass das, was ich mir wünsche, passiert, immer gleich viel vermissen werde. Aber ich lage falsch. Je mehr Zeit verstrich und je öfter ich daran erinnert wurde, dass ich nichts daran ändern konnte, wann ich wieder mit ihm sprechen würde und dass ich auch nichts an der Entfernung zwischen uns ändern könnte, wurde mir immer schlechter und ich hatte das Gefühl mich zu übergeben.

Bis jetzt hatte ich noch nie erlebt, jemanden so sehr zu lieben, dass es weh tat. Jemanden so sehr zu vermissen, dass es weh tat, jedoch schon.

Tanzen ist Träumen mit den FüßenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt