Kapitel 15

263 22 0
                                    

So ging es vier Stunden lang und wir wechselten uns immer wieder mir dem Führen ab. Shalima schien es schon fast besser zu gehen, aber dafür war Ben von der ganzen Aufregung völlig fertig und gähnte alle paar Minuten.
"Geh rein und leg dich schlafen. Ich mach das hier schon.", bot ich ihm an.
"Das müsste eigentlich anders rum sein. Immerhin ist Shalima mein Pferd und du bist dazu noch hoch schwanger und gehörst eigentlich erst recht ins Bett."
"Aber ich muss morgen nicht arbeiten und kann da dann den ganzen Tag schlafen. Du musst um sechs schon wieder zur Fütterung."
Ich hatte Ben gerade überzeugt und er wollte schon die Reithalle verlassen, um rein zu gehen, als Shalima plötzlich stehen blieb.
"Nein!", rief ich energisch und zog am Strick, aber die Stute sackte schon in sich zusammen. Ben sah dies nur und saß auch schon neben seiner Stute im Sand. Ich holte mein Handy raus und rief schnell den Tierarzt an, der mir beteuerte so schnell wie möglich zu kommen und begann dann damit das schweiß nasse Fell der Stute mit Stroh ab zu reiben. Sie lag schwer atmend auf dem Boden und ruderte vor lauter Schmerzen mit dem Hinterbein. Ben saß an ihrem Kopf und war den Tränen nah.
"Der Tierarzt kommt sofort.", versuchte ich ihn zu beruhigen, aber ich wusste selber, dass das nichts brachte.
Als der Tierarzt dann endlich kam untersuchte er sie nochmals und sagte dann ernst: "Es würde ihr einige Schmerzen ersparen, wenn wir sie jetzt einschlafen lassen."
"Nein! Wir ändern unsere Meinung nicht! Die Stute wird nicht eingeschläfert!", sagte ich ebenso ernst.
"Okay. Euch muss aber bewusst sein, dass ich nicht viel mehr machen kann als ihr noch eine Spritze zu geben."
"Das ist uns schon klar. Gib ihr einfach die Spritze und dann ist gut."
Der Tierarzt nickte und tat dies, um die Reithalle dann wieder zu verlassen und nach Hause zu fahren.
Er war gerade weg, als Ben neben mir nun endgültig in Tränen ausbrach. Ich setzte mich zu ihm und legte sanft einen Arm um ihn.
"Bist du sicher, dass wir das Richtige tun?", schluchzte er.
"Ganz sicher. Sie ist eine Kämpferin und sie wird das schaffen! Das verspreche ich dir!", sagte ich aufmunternd. Dann wand ich mich wieder der Stute zu und rieb sie erneut mit frischem Stroh ab. Auch legte ich ihr wieder die Decke auf, die der Tierarzt ihr für seine Untersuchungen abgenommen hatte.
"Was machen wir jetzt?", fragte Ben nun.
"Warten. Mehr können wir nicht tun."
"Das ist schlimm."
"Ich weiß, aber sie ist zu schwach als dass wir sie jetzt noch führen könnten und wir können da jetzt nichts anderes machen, als sie zwischendurch mit Stroh trocken zu reiben und bei ihr zu bleiben."

Die ganze Nacht über blieben wir mit Shalima in der Reithalle und ich rieb sie immer wieder mit Stroh ab, während Ben mit ihrem Kopf auf seinem Schoß im Sand saß und beruhigend auf sie ein redete.
Irgendwann ging ich dann, um noch eine frische Decke für Shalima zu holen und als ich wieder kam musste ich einfach lächeln. Ben, der auf die Stute aufpassen wollte, war eingeschlafen und es sah nun eher so aus als würde seine Stute auf ihn aufpassen, denn sie hatte ihre Kopf auf ihn gelegt und hatte die gesamte Umgebung im Blick. Ich schaute sie mir nun genauer an und stellte fest, dass es ihr schon deutlich besser ging, denn sie schwitzte kaum noch und ihre Atmung war auch schon fast wieder normal. Dazu schien sie auch keine Schmerzen mehr zu haben, denn sie lag mittlerweile nicht mehr platt auf dem Boden und auch ihr Hinterbein zuckte nicht mehr. Dafür, dass sie vor gerade mal fünf Stunden fast gestorben wäre, machte sie eigentlich einen echt guten Eindruck auf mich und auch Ben schlief tief und fest. So ließ ich die Beiden einfach in Ruhe und deckte Ben nur noch mit einer alten Decke aus dem Stall zu. Dann machte ich mich daran alles ein bisschen auf zu räumen und brachte erst einmal ein mal die ganzen Decken wieder in die Sattelkammer, um dann den einzigen übrig gebliebenen Strohballen weg zu bringen und das Stroh, was sich um Shalima herum angesammelt hatte weg zu bringen.
Als ich die letzte Schubkarre gerade zur Miste brachte kam mir auch schon Jenny entgegen.
"Morgen!", begrüßte ich sie.
"Morgen. Wie geht's Shalima?", fragte Jenny.
"Dafür, dass sie vor gerade mal fünf Stunden fast gestorben wäre, geht es ihr schon wieder richtig gut."
"Und Ben?"
"Der schläft jetzt tief und fest."
"Und wer reitet dann die Pferde, für die er eingeteilt war?"
"Das mach ich."
"Ich denke du reitest nicht mehr?"
"Aber ich kann sie longieren. Ich hab sowieso nichts zu tun, außer mit Devil zu arbeiten. Da kann ich auch mal eben drei Pferde longieren."
"Okay. Wenn du meinst."

So war ich den ganzen Tag damit beschäftigt Pferde zu longieren und schaute nur zwischendurch mal bei Shalima vorbei, um ihr neues Heu und Wasser zu bringen. Ben lag mittlerweile mit dem Kopf auf der Stute und schlief noch immer tief und fest, was nach der langen Nacht auch verständlich war.
Am Abend machte ich mich dann aber doch mal auf den Weg, um ihn zu wecken. Der harte Beton Boden unter dem Reithallen Sand war bestimmt nicht gerade gemütlich. So setzte ich mich nun neben ihn in den Sand und strich ihm sanft durch das Haar. Davon wurde er nun wach und schaute mich noch immer ziemlich verschlafen an.
"Guten Morgen. Ich dachte du willst vielleicht mal wieder mit mir rein kommen.", sagte ich mit einem Lächeln. Ben schaute sich nur verwundert um und schien erst jetzt zu realisieren, dass er nicht drinnen im Bett lag, sondern draußen in der Reithalle und das das unter ihm nicht sein Kopfkissen war, sondern seine Stute.
"Wie geht's ihr?", fragte er.
"Dafür, dass sie letzte Nacht fast gestorben wäre, richtig gut.", berichtete ich.
"Also schafft sie es wirklich?"
"Ja. Ich hab es dir doch versprochen. Sie muss sich jetzt noch eine Weile erholen und dann ist sie wieder ganz die Alte."
"Klasse!"
"Ja. Dann lass uns sie jetzt in ihre Box bringen und rein gehen. Da ist es ein bisschen gemütlicher und wärmer, als hier.", sagte ich nun und stand auf. Ben tat mir dies nach und wenig später stand auch Shalima auf den Beinen und schüttelte sich den Sand aus dem Fell, um dann im vollen Galopp eine Runde, um die Halle zu drehen. Ben strahlte nur so und als die Stute wieder zu uns kam fiel er ihr überglücklich um den Hals.
Nach einer Weile löste er sich dann wieder von ihr und fiel mir ebenfalls um den Hals.
"Danke!", sagte er glücklich.
"Wofür?", fragte ich verwundert.
"Dafür, dass du an sie geglaubt hast und sie, obwohl du keine Tierärztin bist, perfekt versorgt hast."
"Da hat sich die Ausbildung zur Tiermedizinischen Fachangestellten wohl doch gelohnt."
"Und wie!"
Wir brachten nun noch Shalima in ihre Box und gingen dann rein, um uns dann auch schlafen zu legen.

Sprung Ins LebenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt