So übergab ich Devil nun an Jenny und nahm Ben Emely ab, die mittlerweile wieder wach geworden war und mal wieder nur am Schreien war. Das könnte in dem Fall aber auch daran liegen, dass sie einfach nur Hunger hatte. Immerhin hat sie nun ganze drei Stunden am Stück geschlafen. Das grenzte schon fast an ein Wunder! Normalerweise war sie schon nach zwei Stunden wieder hellwach und nur noch am schreien. Vielleicht wurde sie ja langsam ruhiger? Ich gab die Hoffnung noch immer nicht auf, dass sie uns irgendwann vielleicht doch mal eine Nacht durch schlafen ließ, aber daran war momentan noch nicht zu denken. Träumen durfte man trotzdem.
Eine Stunde später hatte ich Emely wieder an Ben übergeben und Devil wieder von Jenny übernommen. Diese hatte ihn die ganze Stunde über in Bewegung gehalten, sodass ich nur noch aufsteigen und auf Scott warten musste. Er hatte eins seiner Pferde gerade warm geritten und kam dann auch zu mir. Wir ritten nun etwa fünf Minuten im Schritt eine Straße entlang, bis er in einen Waldweg einbog und wir angaloppierten. Devil übernahm die Führung und ich musste ihn sehr zurückhalten, sodass wir Scott nicht davon galoppierten. Dieser gab seiner Stute nun die Zügel frei und sie legte an Tempo zu, sodass sie wieder die Führung übernahmen, während ich alles versuchte den Hengst unter mir irgendwie zu zügeln. Nach etwa zehn Minuten in denen wir über Feldwege und durch Felder geprescht waren, bog Scott in einen Feldweg ein, der zurück zu der Straße von eben führte. Wir parierten unsere Pferde nun wieder durch und Scotts Stute blieb schwer atmend stehen, während Devil sich enttäuscht umschaute als wöllte er sagen: "War's das etwa schon?"
"Meine Güte! Wie kann der Hengst nach so einer Galoppade noch so frisch sein?", fragte Scott verwundert.
"Er ist ein Araber und dazu noch erst sechsjährig. Die haben in dem Alter nun mal sehr viel überschüssige Energie. Der könnte die Strecke jetzt noch mindestens zehn mal galoppieren.", erklärte ich.
"Dann reit mit ihm die Strecke doch einfach nochmal rückwärts. Ich warte vorne an der Straße auf dich."
Das ließ ich mir nicht zwei Mal sagen und galoppierte den Hengst unter mir an, um wieder in den Feldweg ein zu biegen. Diesmal machte ich mir gar nicht erst die Mühe ihn irgendwie zurück zu halten, sondern preschte im Jagdgalopp mit ihm über die Felder. Erst, als wir wieder in den Waldweg einbogen, nahm ich ihn langsam wieder auf, oder versuchte es zumindest, denn der Hengst hatte da irgendwie andere Pläne. Er beschleunigte sein Tempo stattdessen noch mehr und während ich auf seinem Rücken krampfhaft versuchte ihn irgendwie durch zu parieren, raste er im vollen Tempo durch den kleinen Wald, benutzte die Straße dahinter kurzerhand als Wassergraben und düste direkt in die Wiese neben der Straße hinein. Dort lenkte ich ihn in einen Kreis, den ich immer mehr verkleinerte, bis Devil gezwungen war durch zu parieren und ich in einem lockerem Trab zurück zur Straße ritt. Dort hatte ich aus den Augenwinkeln noch ziemlich nah neben mir ein Pferd stehen sehen und die Vermutung, dass es Scott war, bestätigte sich nun, denn seine Stute stand direkt neben dem Waldweg und sah ziemlich erschrocken aus. Scheinbar hatte Devil sie mit seiner Aktion ziemlich überrascht und auch Scott schaute verdutzt zu mir rüber.
"Hat der sich etwa immernoch nicht ausgepowert?", fragte Scott ungläubig, als ich wieder bei ihm ankam.
"Nein, aber jetzt reicht's. Ich kann nicht mehr. Der kann sich gleich noch eine Runde im Round Pen auspowern.", sagte ich, denn ich war nach dem kleinen, aber heftigen, Kampf mit Devil ziemlich fertig. Hoffentlich würde er morgen im Parcours nicht sowas durchziehen, aber das hatte er noch nie gemacht. Da konnte ich mich eigentlich immer auf ihn verlassen. Wenn dann drehte er auf dem Abreite Platz ab und da würde ich ihn schon irgendwie gezügelt bekommen.
"Wie schaffst du es, dass er im Parcours immer so ruhig ist?"
"Indem ich ihn die ganze Woche vorher richtig auspowere. Der ist heute nur noch ein bisschen durcheinander wegen der Fahrt. Morgen geht das wieder."
"Na dann."
"Wäre es möglich, dass ich deine Halle heute Nacht in Beschlag nehme?"
"Ja. Wieso?"
"Dann lass ich ihn über Nacht da. Da kann er dann nochmal eine Runde rennen."
"Und er verletzt sich auch nicht, wenn er da alleine ist?"
"Nein. Er macht ja nichts, außer stundenlang im Kreis rennen und zwischendurch vielleicht vor Freude ein bisschen buckeln. Das ist nichts anderes, als wenn ich ihn longiere. Er bleibt meist sogar brav auf dem Hufschlag. Da kann nichts passieren."
"Okay. Wenn du das sagst."Wir ritten nun wieder zurück zu dem riesigen Hof, wo wir die Pferde versorgten. Ich deckte Devil mit einer atmungsaktiven Regendecke ein, die so ziemlich die selbe Funktion hatte wie eine Abschwitzdecke, sich aber recht leicht abwaschen ließ. Dann brachte ich ihn in einen Round Pen und ließ in laufen, woraufhin er direkt los stürmte.
Ich schaute ihm noch eine Weile zu und wollte mich gerade von ihm abwenden, als plötzlich jemand einen Arm um mich legte.
"Alles gut! Ich bin's nur!", hörte ich Ben sagen. Das hatte er sich mittlerweile angewöhnt, da er schön öfter fast meine Faust im Gesicht gehabt hatte, weil ich mich so erschrocken hatte.
"Wo ist Emely?", fragte ich sofort.
"Sie ist gerade eingeschlafen und Jenny passt auf sie auf.", berichtete Ben.
"Okay."
"Wie war euer Ausritt?"
"Ganz gut."
"Du siehst ganz schön fertig aus. Geht's dir nicht gut?"
"Doch alles gut. Devil hat mich nur ganz schön fertig gemacht."
"So schlimm?"
"Naja. Wir haben alleine noch eine extra Runde im vollen Tempo gedreht und ich hab ihn nicht mehr durchpariert bekommen. Er hätte Scott mit seiner Stute fast über den Haufen gerannt."
"Oh. Hoffentlich regt er sich bis morgen ab."
"Das wird schon. Ich stell ihn über Nacht in die Halle. Da hat er sich bis morgen ausgepowert."
"Okay."
Eine Zeit lang standen wir so Arm in Arm an der Bande und schauten Devil zu, wie er seine Kreise drehte, bis ich irgendwann fragte: "Wie viel Uhr haben wir eigentlich?"
Ben hob sein Handgekenk an, um auf seine Uhr zu schauen und berichtete dann: "17 Uhr."
"Noch so früh? Ich fühl mich als wär es schon fast Mitternacht."
"Du musst ins Bett und eigentlich auch mal wieder richtig durch schlafen."
"Schatz, das wird eh nichts. Du weißt genauso gut wie ich auch, dass Emely wieder die ganze Nacht schreien wird."
"Ja. Das ist mir schon klar."
"Da müssen wir jetzt eben durch."Wir schwiegen nun wieder eine Weile, bis Ben fragte: "Wollen wir rein? Es wird langsam dunkel."
"Noch nicht. Ich bring Devil noch kurz in die Box, dass er fressen kann und bring ihn dann in die Halle. Danach können wir von mir aus rein gehen.", erklärte ich meine Pläne.
"Okay.", sagte Ben und so betrat ich den Longierzirkel, um den Plan in die Realität um zu setzen. Bis der Hengst sein Futter gefressen hatte, dauerte es allerdings eine Weile und ich begann so langsam zu frösteln.
"Ist dir so kalt?", fragte Ben, als er sah, dass ich zitterte. Ich nickte nur. Daraufhin nahm Ben mich nun in den Arm und ich kuschelte mich an seinen warmen Körper. Es war doch ziemlich praktisch, dass Ben einfach so gut wie nie fror. Da konnte er mich immer wärmen. Besonders in den kalten Sommernächten momentan konnte ich das gut gebrauchen, denn ich war schon eine kleine Frostbeule und eigentlich immer am frieren, wenn ich mich nicht bewegte.
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Sprung Ins Leben
Romantik"Sprung ins Leben" ist die Fortsetzung von "Sprung ins Glück" und "Der letzte Sprung" Wieder geht es um Lisa und Ben, die nun vor ganz neue Herausforderungen gestellt werden. Was das für welche sind und ob sie sie bewältigen erfahrt ihr in diesem Bu...