Kapitel 14

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Eines Abends saß ich gerade wieder im Büro und heftete den ganzen Papierkram alphabetisch geordnet ab, als plötzlich die Tür aufgerissen wurde und ein völlig aufgelöster Ben rein kam. Was war denn jetzt passiert? Er wollte doch nur kurz noch einmal nach den Pferden schauen. Was hatte ihn denn da so geschockt?
"Was ist denn jetzt?", fragte ich verwundert.
"Du musst ganz schnell kommen!", sagte Ben außer Atem.
"Wieso? Was ist los?"
"Shalima... Tierarzt...", war das einzige, was ich aus seinem Gestotter verstand.
"Jetzt setz dich hin, atme einmal tief durch und erzähl mir dann in Ruhe, was los ist!"
Dies tat Ben und sagte dann: "Irgendwas stimmt mit Shalima nicht. Du musst schnell kommen."
Na klasse. Nur weil ich nach der Schule eine Ausbildung zur Tiermedizinischen Fachangestellten gemacht hatte, hieß das noch lange nicht, dass ich gleich die Tierärztin war und immer wusste, was die Pferde hatten! Außerdem hatte ich die Ausbildung auch nur meiner Mutter zu Liebe gemacht, weil sie meinte, dass ich dann wenigstens eine Ausbildung in der Tasche hatten, falls wir das Gestüt aus irgendwelchen Gründen schließen oder abgeben müssten. Sie wusste allerdings selber, dass wir mit den Rennen und der Zucht genug Geld verdienten und das Gestüt niemals verkaufen würden. Daher war das eigentlich ziemlich unnötig gewesen, aber ihr zu Liebe hatte ich es gemacht und es waren ja auch nur drei Jahre.
"Ich kann sie mir mal anschauen, aber ich bin noch lange keine Tierärztin und kann dir nicht versprechen, dass ich ihr helfen kann.", sagte ich vorsichtig, um Ben nicht all zu viel Hoffnung zu machen. Er war allerdings auch schon dabei mich mit sich raus zu ziehen. Vor Shalimas Box blieb er dann stehen und nun konnte auch ich sehen, weshalb er so geschockt war. Die Fuchs Stute lag schwer atmend im Stroh und wälzte sich vor Schmerzen ab und zu hin und her. Ihr Fell war schweiß nass und sie sah allgemein gar nicht gut aus. Ich betrat nun die Box und kniete mich neben sie in das Stroh, um sie genauer zu betrachten und sie etwas zu untersuchen.
"Das sieht nicht gut aus.", war mein Fazit.
"Was heißt nicht gut?", fragte Ben.
"So wie ich das sehe hat sie eine schwere Kolik."
Nun wurde Ben endgültig kreidebleich und sackte in sich zusammen.
"Ich will nicht, dass es so endet wie mit Jim.", flüsterte er und ich sah, dass er den Tränen nah war. Jim war sein erstes Pony, das vor ein paar Jahren ebenfalls eine schwere Kolik hatte. Da er nicht da war, hatte sein Vater es einfach einschläfern lassen.


Ich stand nun auf und legte sanft einen Arm um ihn.
"Das wird es nicht. Sie schafft das. Wir brauchen jetzt nur ganz schnell einen Tierarzt."
Da kam Jenny vorbei und erwartete scheinbar, dass ich meckerte, denn sie sagte: "Ich geh schon! Ich hab nur nochmal nach Devil gesehen!"
"Heute ist es ausnahmsweise mal gut, dass du immer so lange bleibst.", sagte ich.
"Wieso? Was ist los?"
"Hast du ein Handy dabei?"
"Ja. Wieso?"
"Dann rufst du jetzt mal bitte ganz schnell den Tierarzt an.", sagte ich und diktierte ihr die Nummer. Dann wand ich mich wieder Ben zu.
"Sie überlebt das!", munterte ich ihn auf und kniete mich dann wieder zu der Stute in das Stroh. Ben setzte sich zu ihr und legte den Kopf seiner Stute auf seinen Schoß, um sie immer wieder zu streicheln und beruhigend auf sie ein zu reden. Dann kam Jenny auch schon mit dem Handy in der Hand wieder.
"Und?", fragte ich.
"Er hat noch andere wichtige Notfälle und fragt, ob es auch reicht, wenn er morgen kommt.", sagte sie. Ich nahm ihr das Handy aus der Hand und sagte etwas lauter: "Nein, es reicht nicht erst Morgen! Sofort heißt sofort!"
"Ach du hast sie geschickt. Hätte ich das gewusst, wäre ich schon da.", sagte der Tierarzt kleinlaut.
"Dann beeil dich jetzt!", sagte ich und legte dann auf, um Jenny das Handy wieder zu geben und mich wieder Ben zu zu wenden.
"Was passiert jetzt?", fragte er.
"Jan kommt so schnell er kann. Er wird ihr dann eine Spritze geben, damit der Darm sich entspannt und es ihr etwas besser geht.", erklärte er.
"Können wir ihr irgendwie helfen?"
"Momentan können wir nur bei ihr bleiben. Wenn es ihr dann etwas besser geht, müssen wir sie die ganze Zeit in Bewegung halten."
Ben nickte nur und wand sich wortlos wieder seiner Stute zu.
"Kann ich noch irgendwie helfen?", fragte Jenny nun.
"Könntest du mir von drinnen mein Handy bringen? Das müsste noch im Büro liegen.", fragte ich.
"Ja klar.", sagte Jenny und verschwand kurz im Haus, um dann mit meinem Handy wieder zu kommen.
"Danke! Dann fahr jetzt nach Hause. So ist morgen dann wenigstens einer ausgeschlafen.", sagte ich.
"Okay. Dann bis morgen!", sagte Jenny noch und ließ uns dann alleine.
Wenig später kam dann auch der Tierarzt und fragte: "Was gibt's denn?"
"Die Stute hat meiner Meinung nach eine schwere Kolik.", erklärte ich knapp. Der Tierarzt schaute sich Shalima nur kurz an und meinte: "Da kann ich dir nur zustimmen. Wie alt ist sie?"
"20."
"Das Beste für sie wäre eine Spritze und dann ist alles vorbei."
"Nein! Das kannst du gleich wieder vergessen! Sie wird nicht eingeschläfert!"
"Okay. Dann geb ich ihr die Spritze und ihr versucht sie irgendwie auf die Beine zu bekommen und in Bewegung zu halten. Du kennst dich ja da aus."
"Das klingt schon besser."
So gab der Tierarzt Shalima nun die Spritze und packte seine Sachen wieder zusammen.
"Sollte sich ihr Zustand massiv verschlechtern ruft ihr sofort an!", warnte er dann noch.
"Klar. Ich weiß schon, was zu tun ist.", meinte ich und so fuhr der Tierarzt nun wieder, während wir alles versuchten, um Shalima irgendwie auf die Beine zu bekommen. Mit viel Übererdungskraft schafften wir das dann auch irgendwann und Ben führte sie die Stallgasse hoch und runter, während ich in der Reithalle ein paar Strohballen aufstellte und Decken darauf legte, damit wir für den Notfall alles bereit hatten. Von drinnen holte ich für uns noch eine Thermoskanne mit Tee und brachte auch diese in die Reithalle. Dort war Ben mittlerweile mit Shalima angekommen und führte sie um die Strohballen herum langsam im Kreis. Ich legte der Stute noch eine Decke über und übernahm sie dann.

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