Kapitel 8

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So ging es dann die gesamte Woche weiter und es kam noch dazu, dass ein Arbeiter nach dem anderen kündigte. Dadurch ritt ich tagsüber mindestens fünf Pferde und mistete dazu noch so viele Boxen wie möglich aus, um dann meist die ganze Nacht durch im Büro zu sitzen und den Papierkram zu erledigen. Dazu kamen dann noch die Arbeiten im Haushalt, die Ben mir so gut es ging abnahm. Er verbrachte allerdings fast jede Nacht im Stall, da momentan die ganzen Stuten fohlten.


Am Ende der Woche waren wir dann alle fertig und einfach nur glücklich, dass meine Eltern bald wieder kommen würden. Als dann allerdings das Telefon klingelte sollte scheinbar auch diese Hoffnung sterben.
"Gestüt Michalów, Lisa Michalów, wie kann ich helfen?", meldete ich mich. Wie ich diesen Satz hasste! Trotzdem musste ich ihn jedes Mal sagen, wenn ich an das Telefon ging.
"Hi Lischen!", kam eine Stimme von der anderen Seite der Leitung und ich erkannte sofort, dass es mein Vater war.
"Ich heiße Lisa!", beschwerte ich mich.
"Jaja. Ist ja jetzt auch egal."
"Was willst du?"
"Ich wollte dir nur sagen, dass wir morgen doch nicht zurück kommen."
"Wann denn dann?"
"Gar nicht."
"Wie gar nicht?"
"Gar nicht. Wir haben beschlossen hier in Neuseeland zu bleiben und euch gehört jetzt das Gestüt."
"Was?"
"Die Leitung ist leider ganz schlecht. Tschau Lischen!"
"Ich heiße Lisa!", beschwerte ich mich noch, aber die Leitung war bereits unterbrochen.
"Scheiße!", fluchte ich lautstark. Da kam auch schon Ben herbei geeilt und fragte: "Ist irgendwas passiert?"
"Das artet alles zu einer Katastrophe aus!!!"
"Was?"
"Das geht nie im Leben gut!!!"
"Lisa! Reg dich erstmal ab und sag mir dann, was überhaupt los ist!"
"Wir haben gerade das gesamte Gestüt geerbt."
"Was?"
"Meine Eltern haben spontan beschlossen in Neuseeland zu bleiben und uns das gesamte Gestüt mit allen Pferden und dazu noch sämtlichen Schulden zu überlassen."
"Scheiße!"
"Sag ich ja."
"Und was machen wir jetzt?"
"Keine Ahnung. Wir brauchen auf jeden Fall ganz schnell ein paar Arbeiter. Sonst geht das hier nicht gut."
"Wir könnten Stuart anrufen. Vielleicht hat der eine Idee."
"Dann mach du das mal. Ich sag den anderen Bescheid. Die sind jetzt sowieso alle zusammen im Reiterstübchen. Dann wissen sofort alle Bescheid. "
"Ja. Mach das. Ich komm dann vorbei und erzähl dir, was mein Vater sagt."
"Okay. Bis gleich!"
So ging ich nun zum Reiterstübchen, wo die ganzen Arbeiter momentan am Tisch saßen und frühstückten.
"Hey! Was machst du denn hier?", fragte Jenny verwundert.
"Leute könnt ihr mal alle kurz zuhören?", fragte ich und schon waren alle Blicke auf mich gerichtet und es herrschte Stille.
"Meine Vater hat gerade angerufen. Die beiden kommen nicht wie geplant morgen wieder sondern bleiben für immer in Neuseeland.", berichtete ich nun.
"Und was wird aus dem Gestüt?", fragte Tom.
"Das haben Ben und ich mal eben gerade geerbt."
"Und was ist, wenn ihr beiden dann in ein paar Monaten ausfallt?", fiel Janina ein.
"Genau das ist das Problem. Wir brauchen so schnell wie möglich ein paar Stallburschen und vor allen Dingen Bereiter. Ich reite momentan mindestens fünf Pferde am Tag. Spätestens in einem Monat kann ich höchstens noch meine Beiden reiten. Dann brauchen wir irgendjemanden, der die anderen Pferde übernimmt.", erzählte ich.
"Aber woher sollen wir jetzt noch Bereiter her bekommen? Es ist doch mitten in der Saison und da sind die alle fest eingestellt.", bemerkte Julia.
"Das ist das nächste Problem.", meinte ich.
"Und jetzt?", fragte Janina.
"Ben versucht im Moment Stuart zu erreichen. Vielleicht hat der irgendeine Idee.", berichtete ich und wie auf's Stichwort stand auch schon Ben neben mir.
"Und?", fragte ich gespannt.
"Stuart kommt jetzt sofort mit drei Bekannten, die alle drei als Bereiter und Stallburschen aushelfen können, und seinen zwei Pferden.", berichtete er.
"Sehr gut. Jenny du streust bitte die zwei freien Boxen im Turnierstall ganz vorne ein und kümmerst dich drum, dass die Pferde da direkt einziehen können.", wies ich an. Jenny nickte und war auch schon verschwunden.
"Janina du kümmerst dich drum, dass zwei Spinte mit Sattelbock so weit in Ordnung sind, dass man da Sachen rein tun kann und der Rest macht einfach seine Arbeiten.", redete ich weiter.
"Hängt der aktuelle Plan schon?", fragte Tom nun.
"Plan gibt's heute nicht. Ich hänge gleich eine Liste auf mit allen Pferden, die bewegt werden müssen und wer ein Pferd geritten hat, streicht einfach den jeweiligen Namen durch. Das muss für heute reichen.", erklärte ich.
"Okay.", sagte er und so machten sich nun alle an die Arbeit.


Zwei Stunden später war ich gerade dabei mit Devil die letzten Sprünge zu nehmen, als ein Transporter auf den Hof fuhr und Stuart ausstieg. Er kam mit drei weiteren Männern zum Reitplatz und rief mir zu: "Na? Schon wieder fleißig am Trainieren?"
"Ja klar. Weltmeisterin wird man nicht vom nichts tun.", antwortete ich.
"Gleich so hohe Ziele?"
"Klar. Die Qualifikationen haben wir gewonnen und in vier Monaten starten wir. Da ist so ein bisschen Training angebracht."
"Und da kannst du reiten?"
"Ja. Der Termin ist genau eine Woche vorher."
"Na dann."
"Ja. Da hab ich schon dran gedacht. Keine Sorge!"
"Wo soll ich meine Beiden denn hin bringen?"
"Wenn du einen Moment wartest helf ich dir. Ich spring nur den Parcours hier noch einmal durch."
"Okay."
So ritt ich nun auch schon auf das erste Hindernis zu und wenig später hatte ich den Parcours ohne jede Art von Fehlern durch. Ich stieg nun ab und übergab Devil an Jenny, die bereits wartete und sich nun auf seinen Rücken schwang, um ihn noch trocken zu reiten. Ich ging währenddessen zu Stuart und den anderen Männern, denen allen dreien der Mund vor Staunen offen stand.
"Hallo! Ich bin Lisa.", stellte ich mich vor und hielt ihnen meine Hand hin. Nacheinander stellten sich nun auch die Männer vor und ich fand heraus, dass sie Karl, James und Jack hießen und alle drei aus England kamen, aber nach Polen ausgewandert waren. Gemeinsam gingen wir nun zum Transporter, wo Stuart seine Pferde auslud. Ich führte sie nun zum Turnierstall, wo Jenny, wie nach Anweisung, die beiden ersten Paddockboxen eingestreut und mit Heunetzen bestückt hatte. Die beiden Pferde fühlten sich dort sofort wohl und fielen über ihr Heu her. Ich ging nun mit den Männern zum Reiterstübchen, wo wir ins gemeinsam an einen Tisch setzten.
"Und ihr wärt so nett und würdet hier arbeiten?", fragte ich.
"Wenn das heißt, dass wir die tollen Pferde hier Pflegen dürfen gerne!", meine Karl begeistert.
"Sehr gut. Ihr könnt alle drei reiten und habt ein bisschen Erfahrung mit Distanzreiten?", fragte ich weiter und als von den Dreien ein einstimmiges Nicken kam gab ich ihnen eine kurze Einführung und schon fingen sie an zu arbeiten.

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