Wenig später saßen wir auch schon in Julias Auto und fuhren zum Gestüt.
"Wenn du so weiter machst sind gleich Löcher im Sitz.", sagte Julia irgendwann. Mir fiel erst jetzt auf, dass ich mich am Sitz fest krallte und ich ließ ihn wieder los.
"Bleib locker. Sie wird es überleben.", versuchte Julia mich nun zu beruhigen, aber mir half das nicht so wirklich. Ich war einfach viel zu nervös.
"Warum regst du dich überhaupt so auf?"
"Ist das jetzt dein Ernst? Ich werde gleich Vater und du fragst mich, warum ich mich aufrege?"
"Ja. Das habe ich doch gerade getan."
"Jetzt ernsthaft?"
"Das war eine ganz normale Frage. Warum regst du dich so auf?"
Okay. Das war jetzt eine gute Frage und ich hatte ehrlich gesagt keine Ahnung, wie ich ihr meine Situation erklären sollte. Sie war immerhin noch nie in so einer Situation und wird auch nie in solcher sein.
"Die Liebe meines Lebens erleidet gerade große Schmerzen und ist völlig fertig, während ich mit dir im Auto sitze und erstmal nicht einmal bei ihr sein kann. Kannst du dir vorstellen, wie schlimm das ist?", versuchte ich ihr meine Situation zu erklären.
"Ja, aber es bringt Lisa auch nichts, wenn du dich hier so aufregst."
Das Frauen aber auch immer Recht haben mussten! Schrecklich! Ich müsste Julia eigentlich dafür hassen, dass sie immer die Wahrheit auf den Punkt brachte!
Wir schwiegen nun wieder und je näher wir dem Gestüt kamen, desto nervöser wurde ich. Was sollte ich überhaupt tun? Ich war doch noch nie in so einer Situation!
Julia schien meine Gedanken regelrecht zu lesen, denn sie sagte: "Mach dir keine Sorgen. Sie schafft das schon."
"Und was ist mit mir? Was soll ich machen?", fragte ich. Ich hatte zwar schon etliche Pferdegeburten mit erlebt, aber das hier war war was ganz anderes.
"Sei einfach für sie da. Mehr kannst du sowieso nicht machen, aber sie braucht dich jetzt."
Oh Mann! Was hätte ich bloß gemacht, wenn ich Julia nicht gehabt hätte?
Am Gestüt angekommen sprang ich aus dem Auto und rannte auf direktem Weg rein, wo Lisa mit Jenny neben sich, auf der Couch lag. Als ich sie so sah, merkte ich, dass mir schon wieder die Farbe aus dem Gesicht wich. Das war nicht meine Lisa. So hatte ich sie noch nie gesehen und ich hatte gehofft, sie nie so sehen zu müssen. Sie war kreidebleich und offensichtlich völlig fertig.
Ich eilte nun zu ihr und nahm sie in den Arm, woraufhin sie in Tränen ausbrach.
"Ganz ruhig, Süße. Ich bin da.", redete ich beruhigend auf sie ein und wartete einen Moment, bis sie sich etwas beruhigt hatte. Dann ließ ich sie wieder los und fragte: "Wollen wir fahren?"
Sie nickte und richtete sich langsam auf. Ich hob sie kurzerhand hoch und trug sie raus, wo ich sie vorsichtig ins Auto setzte und mit ihr in Richtung Krankenhaus fuhr. Da das Gestüt aber ziemlich abgelegen lag, dauerte es eine Weile, bis wir dort ankamen. Ich krallte mich krampfhaft am Lenkrad fest und merkte gar nicht richtig, wie schnell ich fuhr.
Nach einer Weile spürte ich eine Hand auf meinem Bein und schaute kurz zu Lisa rüber, um meinen Blick dann wieder auf die Straße zu richten.
"Schatz, bitte fahr langsam, sonst kotz ich dir gleich ins Auto.", sagte sie ernst und ich verringerte sofort den Druck auf das Gaspedal, um wieder etwas langsamer zu fahren. Lisa ließ ihre Hand allerdings auf meinem Bein liegen und ich konnte spüren, wie sie sich alle paar Minuten verkrampfte und schwer atmete. Zu gerne hätte ich ihr geholfen, aber ich konnte nicht. Ich konnte ihr einfach nicht helfen und das war schlimm.
Nach einer Weile, die sich für mich wie eine Ewigkeit angefühlt hatte, kamen wir endlich am Krankenhaus an. Ich stieg aus und hob Lisa vorsichtig aus dem Auto, um sie rein zu tragen. Dort wurden wir direkt in den Kreißsaal geschickt, wo ich Lisa vorsichtig auf der Liege dort ablegte.
Wenig später kam dann eine Hebamme und es verging eine Stunde in der Lisa schreckliche Schmerzen erlitt und ich einfach nur neben ihr saß und mir von ihr die Hand zerquetschen ließ. Mehr konnte ich allerdings nicht tun und es war echt schlimm zu sehen, wie Lisa litt und dazu noch zu wissen, dass ich ihr nicht helfen konnte.
Eine Stunde später hatten wir, oder eher gesagt Lisa, es dann endlich geschafft und sie hielt unsere kleine Tochter im Arm. Wie merkwürdig sich das anhörte. Unsere Tochter. Da musste ich mich erst noch dran gewöhnen. Sie war genauso wunderschön, wie ihre Mutter und hatte sogar schon ein paar blonde Haare. Dafür, dass sie eigentlich zwei Wochen zu früh war, war sie auch schon ziemlich groß und ich konnte mir eigentlich nicht vorstellen, dass sie wirklich zwei Wochen zu früh war. Das war allerdings im Moment egal. Wichtig war nur, dass es meinen beiden Frauen gut ging uns bis auf die Tatsache, dass Lisa nass geschwitzt und völlig fertig war, war das zum Glück auch der Fall.
"Wie soll sie heißen?", fragte Lisa nun. Mir fiel erst jetzt auf, dass wir uns darüber noch gar keine Gedanken gemacht hatten. Wir hatten alle Baby Sachen besorgt, aber um einen Namen hatten wir uns keine Gedanken gemacht und ehrlich gesagt, war ich in der Namensgebung eine totale Niete. Auch für die Fohlen suchte meist Lisa die Namen aus. Ich war für so etwas viel zu unkreativ.
"Ich hab keine Ahnung.", antwortete ich daher ehrlich.
"Ich hab mich mit Jenny vorhin darüber unterhalten. Die meinte, wenn es ein Junge wäre Florian und wenn es ein Mädchen wäre Emely."
"Also Emely. Das klingt schön."
"Finde ich auch."
"Hast du ein Handy dabei?", fragte Lisa, nachdem wir eine Weile geschwiegen hatten.
"Ja. Wieso?", fragte ich.
"Kann ich kurz meine Eltern anrufen?"
"Ja klar.", sagte ich und legte ihr mein Handy hin. Sie überreichte mir nun die Kleine und verschwand kurz draußen, um dann wieder rein zu kommen und zu fragen: "Weiß dein Vater eigentlich schon Bescheid?"
"Nein. Ich bin ziemlich abrupt aufgebrochen."
"Weiß dann überhaupt irgendwer von den Anderen, wo du bist?"
"Ja. Julia ist ja mit mir gefahren und die hat Tom geschrieben."
"Julia ist mit gekommen? Das hab ich gar nicht mit bekommen."
"Ja. Sie hat mich gefahren."
"Achso. Die war ja mit dem Auto da."
"Ja."
"Dann teil du deinem Vater mal mit, dass er Opa geworden ist.", sagte sie nun, legte mir mein Handy hin und nahm mir die Kleine wieder ab.
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Sprung Ins Leben
Romance"Sprung ins Leben" ist die Fortsetzung von "Sprung ins Glück" und "Der letzte Sprung" Wieder geht es um Lisa und Ben, die nun vor ganz neue Herausforderungen gestellt werden. Was das für welche sind und ob sie sie bewältigen erfahrt ihr in diesem Bu...