↠Kapitel 14↞

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↠Vier Monate danach, Washington↞


Niall:

Ich hatte keinen blassen Schimmer, wie zur Hölle es gekommen war.

Weshalb ich, anstatt im Flieger Richtung Heimat zu sitzen, ausgerechnet hier gelandet war- fröstelnd und zögernd auf der Türschwelle eines fremden Hauses in einer stockdunklen Stadt, die nicht Mullingar war.

Weshalb ich, kurz vor dem Start, Hals über Kopf in das Cockpit gestürzt und auf den verwunderten Piloten des Privatjets eingeredet hatte, solange, bis dieser seufzend und sichtlich angenervt die Route hatte ändern lassen, was uns einiges an Verspätung und einen wenig erfreulichen Anruf Zuhause eingebracht hatte. Es war nicht einfach gewesen, es meiner enttäuschten Mutter zu erklären. Weshalb ich nicht Nachhause kam, wie versprochen- weshalb ich erst so unbedingt nach Washington fliegen musste.

Und doch war ich nun hier, direkt vor Jamies Haustür, an meinem ersten Urlaubstag. Ich hatte sie sehen müssen, so unbedingt, dass selbst meine heißersehnte Heimreise warten musste.

Vielleicht lag es daran, dass ich so ein Idiot gewesen war und dass ich nicht mehr wusste, worum es bei unserem letzten Telefonat überhaupt gegangen war. Weil ich betrunken und dämlich und mit einem gelbgrünen Veilchen unter dem Auge als Erinnerung an die missglückte Partynacht den Stempel für all diese Idiotie aufgedrückt bekommen hatte.

Und ich vermisste sie. Gott vermisste ich sie.

Mein Magen fühlte sich an, wie ein kleiner Tischtennisball, als ich die Hand zur Faust ballte, mir einen Ruck gab und sie sachte gegen das Hartholz der dunkel laminierten Haustür sinken ließ.

Stille folgte. Eine Stille, in der ich mich plötzlich fragte, ob es bescheuert war, hier einfach so unangekündigt aufzukreuzen. Sorge durchflutete mich, gepaart mit Bildern einer glücklichen Jamie und irgendeines Spaniers, der sie zum Lachen brachte. Der Tischtennisball hüpfte gegen meine Bauchdecke und ich kehrte der Tür in einer plötzlich aufkeimenden Panik den Rücken, als eilige Schritte den Flur entlangkamen und bevor ich die Flucht ergreifen konnte, wurde die Tür von innen aufgerissen und warmes Licht flutete die Veranda des kleinen Einfamilienhauses.

Ernste, braune Augen begrüßten mich. Junge Augen in einem alternden Gesicht. Die kleine, zierliche Frau, die sich mit verschränkten Armen und prüfendem Blick gegen den Türrahmen lehnte, sah ihrer Tochter so verblüffend ähnlich, dass ich trotz meiner Nervosität lächeln musste. Ich musste sie nur ansehen und ich wusste gleich, von wem Jamie ihre feuerrote Mähne, den wachen, prüfenden Blick und das abenteuerlustige Funkeln in den Augen geerbt hatte.

Plötzlich änderte sich der Ausdruck auf ihrem Gesicht. Binnen Sekunden verschwand die Erwartung daraus, die schmalen Lippen hoben sich zu einem kleinen Lächeln und um ihre Augen bildeten sich tiefe Lachfältchen, die ihr sofort eine gewisse Sanftheit verliehen.

Hastig strich sie sich eine Haarsträhne aus der Stirn, bevor sie mich entschieden am Ärmel packte und die wenigen Stufen der Veranda hochzerrte. Ihr Griff um mein Handgelenk war überraschend stark.

„James! Dein Lover ist da!", rief Jamies Mum, während ich ihr verwirrt hinterherstolperte und bevor ich die Umstände berichtigen konnte, fügte sie hinzu: „Jerry, hol' den Wein aus dem Keller, wir müssen auf die Verschwiegenheit unserer Tochter und ihr bestgehütetes Geheimnis trinken, das gerade entlarvt wurde."

Trotz der offensichtlich absolut falschen Auslegung der Situation blieb mir nichts anderes übrig, als über ihren trockenen Humor zu grinsen. Solange, bis mich ein Wirbelwind aus feuerrotem Haar, der die Treppe hinunterwirbelte unterbrach. „Mum, wie oft soll ich dir denn noch sagen, dass du den Pizzaboten nicht belästigen sollst, wir beide haben nicht-...„

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