↠07. Mai 2015↞
Niall:
Warum endete alles immer damit, dass ich vor dieser verdammten Tür stand und mich bei Gott nicht traute, zu klingeln?
Diese Frage schoss mir durch den Kopf, als ich auf der Schwelle zu Jamies Wohnungstür stand- seit etwa fünf Minuten, möchte ich anmerken- und mich nicht traute, auf den Klingelknopf zu drücken.
Vielleicht hätte ich niemals mitbekommen, was passiert war, hätte Harry sein hartnäckiges Schweigen nicht gebrochen und es mir erzählt. Jamie hatte ihm zwar verboten, mir etwas zu sagen, aber scheinbar war ihm die Solidarität gegenüber seinem besten Freund immer noch wichtiger, als sein Gebot, den Mund zu halten. Vielleicht, und diese Tatsache war weitaus wahrscheinlicher, wollte er mir damit aber auch nur reindrücken, wie platonisch seine und Jamies Beziehung tatsächlich war, was mir, ich will nicht lügen, die Schamesröte ins Gesicht trieb, wenn ich darüber nachdachte.
Und nun stand ich hier, wie der letzte Volltrottel, mit Pizza und Bier, weil mir keine bessere Entschuldigung für mein Arschlochverhalten einfallen wollte und starrte ihre Tür an, als wäre mein Blick in der Lage, sie schmelzen zu lassen. Bullshit.
Du bist ein feiger Dummkopf, Horan!
So feige sogar, dass ich kurz mit dem Gedanken spielte, mich einfach wieder zu verpissen. Doch daraus wurde nichts.
Die Tür wurde aufgerissen, beinahe als hätte sie mein geheimes Hadern verraten und da stand sie auch schon vor mir.
Ihr wilder Blick begegnete mir als erstes. Ihre Wangen waren gerötet und ihr Haar klebte ihr nass in der Stirn. Das sonst so leuchtende Rot hatte einen kastanienfarbenen Ton angenommen, die Enden kringelten sich knapp unter ihren Brüsten und hinterließen dunkle Flecken auf ihrem grauen Pullover.
Ich konnte nicht anders, als sie anzustarren, denn der Anblick beschwor sofort eine Erinnerung in mir herauf. Eine Erinnerung an eine längst vergangene, laue Herbstnacht und einen unbeheizten Pool. Erinnerungen an Wärme und ein seltsames Prickeln auf der unterkühlten Haut. Sterne, die sich in den Tiefen von geweiteten Pupillen spiegeln und von Geheimnissen und Tränen und Vermissen und Nähe und Freiheit und noch ein bisschen mehr. Für eine Sekunde war ich dort. Mit dem Mädchen, dessen Blick nun nichts, als stumme Verachtung barg. Sie war wütend und sie hatte ein gutes Recht darauf.
„Niall... Was machst du da?", langsam stülpte sich ihre Zunge um die Silben meines Namens und ich spürte den Widerwillen in ihrer Stimme. Ungeachtet der Tatsache, dass ich vor ihrer Tür lümmelte, ohne anzuklopfen, mit einer mittlerweile wohl ausgekühlten Pizza und einem bereits geöffneten Bier (ich war eben nervös gewesen), wirkte sie kaum überrascht, mich zu sehen. Eher resigniert.
Ich sah, wie ihre Hand zum Türgriff zuckte und ich wusste, dass mir praktisch keine Zeit blieb. Innerhalb von Sekunden würde ich diese Tür in die Fresse bekommen, wenn ich jetzt nichts tat. Aber ihr Anblick traf mich mitten ins Herz.
Ich konnte nichts sagen. Zu frisch war der Flashback an glückliche Tage, an denen ich noch nicht alles falsch gemacht hatte und zu groß war der Kloß in meinem Hals, der mein schlechtes Gewissen war. Unsicher streckte ich ihr meine Hände entgegen: In der rechten der Pizzakarton, in der linken zwei Flaschen Bier. Eine miese Entschuldigung, aber wie gesagt das einzige, was mir eingefallen war.
Sie reagierte nicht. Sie sah mich einfach an, eine gefühlte Ewigkeit lang. Ihr Blick glitt über meine Gesichtszüge, ihre Augen bohrten sich in meine und hielten sie davon ab, ihr auszuweichen. Ich sah den stummen Vorwurf in den Tiefen ihrer Seelenspiegel und eine Traurigkeit, die mir schier das Herz brach.

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Pretty Little Talks
FanficEs braucht nur eine durchzechte Partynacht in New York, eine nicht ganz nüchterne Begegnung auf der Rückbank eines Taxis und zwei gebrochene Herzen, um aus Jamie und Niall beste Freunde zu machen. Selbst, als Jamie am nächsten Tag zurück nach Washin...