↠Kapitel 34↞

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28. April 2015

Niall:


«Ach, das ist doch alles Bullshit!», frustriert sank Liam in seinen Stuhl zurück und ließ die Gitarre, auf der er bis dato ahnungslos herumgeklimpert hatte, sinken.

«Deine absolut falschen Griffe mal außer Acht gelassen, ja.», erwiderte ich trocken und ignorierte seinen beleidigten Seitenblick.

Seit zwei Stunden saßen wir nun schon in diesem stickigen Hotelzimmer fest und versuchten, einen Song zu schreiben- ohne großen Erfolg. Vielleicht lag es an dem Druck, den wir uns machten.

Die letzten Wochen nach Zayns unerwartetem Abgang waren harte Wochen gewesen. Sein Rücktritt hatte ein regelrechtes Eklat verursacht, das sich von aller vorherigen Aufmerksamkeit unterschied. Es fühlte sich an, als hätte jemand einen übergroßen Scheinwerfer auf uns gerichtet und würde mit unterschwelligem Spott darauf warten, dass der nächste von uns Reißaus nahm. War einer von uns während eines Interviews stiller oder machte einen Witz auf die Kosten eines anderen brach gleich eine Welle aus Schlagzeilen über uns herein. Jedes Anzeichen von Müdigkeit wurde als Lustlosigkeit interpretiert. Ambition dagegen wurde klar als Gefühlskälte hinsichtlich Zayns Ausstieg gesehen. Dabei ließ es uns nicht kalt. Ganz im Gegenteil.

Und trotzdem wusste ich manchmal nicht, ob uns der ganze Stress und die nervenaufreibende Pressearbeit enger zusammenschweißte oder tatsächlich einen Keil zwischen uns trieb.

Alle befanden sich in einer Art Dauerzustand aus Müdigkeit und einer aufgekratzten Stimmung, die häufig zu Auseinandersetzungen führte.

Die Überstunden im Studio zeigten ihre Spuren in Form von blauschwarzen Schatten unter unseren Augen, die Louise mit Schichten aus Make-up vor der Öffentlichkeit zu verbergen versuchte. Immer gelang das nicht.

Mein Blick zuckte zu Louis, der teilnahmslos auf dem Fenstersims hockte und durch die leicht beschlagene Scheibe hinausstarrte.

An ihm fiel die Erschöpfung enorm auf. Ihm schien die ganze Situation sowieso schwerer zu Schaffen zu machen, als uns allen zusammen. Nicht nur wegen der Trennung von Eleanor, die erst wenige Wochen zurücklag. Irgendwas schien ihn umzutreiben. Er wirkte rastlos und eine andere Art der Müdigkeit überschattete sein blasses Gesicht. Und doch machte er die Nacht häufiger zum Tag, als wohl gut für ihn war. Vielleicht hätten wir mit ihm reden sollen, aber wir alle hatten in dieser Zeit unsere ganz eigenen Probleme. Liam stritt sich mit Sophia, ich zwang mich dazu, Jamie nicht komplett zu vernachlässigen und was Harry betraf- Harry hatte schon immer seine eigenen Probleme gehabt, an denen wir anderen selten Anteil nahmen, weil er uns ganz einfach aus ihnen heraushielt.

Harry war ein kleines Mysterium. Etwas, wovon ich glaubte, dass er insgeheim seine helle Freude daran hatte. Vielleicht war das sein Geheimnis und der Grund dafür, dass er derart vom weiblichen Geschlecht umschwärmt wurde. Man wollte ihn verstehen, aber die wenigsten bekamen eine Chance dazu. Manchmal dachte ich, dass niemand ihn jemals voll und ganz entziffern würde können. Das war der Zauber von Harry Styles.

Louis jedoch war niemand, der unergründlich war. Louis war offen, Louis war laut, Louis war direkt. Wenn Louis still wurde, war dies meistens ein untrügliches Zeichen dafür, dass etwas nicht stimmte. Und Louis war sehr still in diesen Wochen zwischen April und Mai.

Wir hatten einvernehmlich beschlossen, dass Ablenkung wohl die beste Art war, mit allem umzugehen und vergruben uns hinter Bergen aus Arbeit. Das Hotelzimmer sah aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen. Leere Red Bull Dosen lagen unterm Bett, als letzte Überbleibsel einer schlaflosen Nacht, beschriebene Papiere fuhren überall auf dem Teppichboden herum, die meisten davon zerknüllt oder zerrissen. Ein improvisiertes Tonstudio, aufgebaut aus Mikrofon und einem Haufen Decken, die sorgsam Drumherum aufgehengt waren, machte das Chaos perfekt. Das Ganze wirkte grotesk, wie eine Duschkabine mitten im Schlafzimmer.

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