↠Prolog↞

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2013, irgendwo in New York City


Fröstelnd stand ich neben dem versifften Club mitten in New York, aus dem ich soeben Hals über Kopf geflüchtet war.

Der Barkeeper war ein grabschendes Arschloch von der Sorte „besonders aufdringlich" gewesen. Nur, dass er mir seine Zuneigung nicht einmal mit ein paar Freigetränken hatte beweisen wollen. Außerdem waren sich da drin zwei Kerle an die Gurgel gegangen und hatten sowas wie eine Massenschlägerei ausgelöst, von der ich nicht unbeding vorhatte, ein Teil zu werden. Höchste Zeit für mich, diesen Schuppen zu verlassen und mir eine andere Location zu suchen. Gott sei Dank gab es im Big Apple davon zu Genüge.

Ich war gerade dabei, über den löchrigen Asphalt zu stöckeln und mir ein Taxi anzuhalten, als es in meiner Clutch zu vibrieren begann. Entnervt blieb ich auf dem leergefegten Fußgängerweg stehen und suchte nach meinem Handy, das ich mir bereits einen Atemzug später ans Ohr drückte- nachdem ich kurz das Display gecheckt und den vertrauten Namen darauf gelesen hatte. „Hallo.", brummte ich in den Hörer, während ich Ausschau nach einem wartenden Taxi hielt.

„Hey Jamie, hier ist Val.", erwiederte meine kleine Schwester daraufhin überflüssigerweise.

„Wow, darauf wär' ich gar nicht gekommen, aber danke für die Gedächtnisstütze."

„Musst du immerzu so sarkastisch sein?", ich sah praktisch vor mir, wie sie am anderen Ende der Leitung die Augen verdrehte, aber gleichzeitig konnte sie nicht verbergen, dass sie erleichtert war, dass ich den Anruf entgegengenommen hatte.

Nicht, dass ich besonders feinfühlig war. Aber Val war meine Schwester und für gewöhnlich war es nicht allzu schwer, herauszufinden, was sie dachte. „Es ist halb zwei morgens, Val. Wieso bist du nicht im Bett mit deiner Verlobten?"

„Weil mir meine Verlobte, a.k.a deine beste Freundin in den Hintern getreten hat, dich anzurufen. Wir machen uns Sorgen um dich, Jamie. Cas, ich, Mum und Dad..."

„Wow, wenn noch ein paar mehr Menschen dazukommen, könnt ihr eine Selbsthilfegruppe gründen.", erwiederte icht trocken und Val seufzte.

„Komm schon, ich bin in keiner verdammten Enzugsanstalt, ich wurde nur sitzengelassen, Val."

„Wenn du noch länger deine Zeit mit Feiern vergeudest, könntest du allerdings ziemlich bald in einer Enzugsanstalt landen.", kam es spitz zurück und ich lachte. Val war viel zu engagiert, wenn es darum ging, für jemanden dazusein.

„Hör zu, ich denke einfach, dass du langsam wieder von deinem Selbstfindungstrip Nachhause kommen solltest."

Es war nicht unbedingt außergewöhnlich, dass Val sich Sorgen machte. Das war schließlich irgendwo ihr Job als selbsternannte Glucke und angehende Therapeutin. Was mir mehr auf den Magen schlug war, dass auch Mum und Dad, die normalerweise all meine verrückten Ideen- auch die illegalen oder halsbrecherisch dummen- unterstüzten, sich um mich sorgten.

Dabei waren es noch nicht einmal zwei Wochen, seit ich von Washington nach New York geflogen war, um mich- wie ich es selbst nannte und vor meiner Familie rechtfertigte- auf einen kleinen Selbstfindungstrip zu begeben.

Selbstfindungstrip war hierbei gleichbedeutend mit „so lange saufen, bis ich den Vorfall vergesse".

Den Vorfall. Die Katastrophe, an die ich drei kostbare Jahre meines Lebens verschwendet hatte, und wahrscheinlich noch weitaus mehr, hätte ich nicht auf die bittere Tour feststellen müssen, was für ein Arschloch er war. Es war nicht unbedingt die angenehmste Art feszustellen, dass der Exfreund ein schwanzgesteurtes Arschloch ist, indem man ihn seltsam verrenkt mit einer seiner Kolleginnen auf seinem Schreibtisch vorfindet, wenn man ihn in seiner Mittagspause überraschen will, aber so weiß man immerhin, woran man ist.

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