23.- Urlaubstag

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Die Sonne ging immer weiter hinter den blattlosen Bäumen unter und damit ging auch die Wärme. Ich schlang meine Arme ein wenig um mich und bereute, dass ich nur eine dünne Strickjacke trug. "Ist dir kalt?" fragte Christian und zog sich schon; bevor ich antworten konnte, den Schurz aus. "Fühlt sich gut an, wieder einen Kittel anzuhaben." stellte ich fest.
"Steht dir auch."
Ich seufzte. "Aber es wird wohl noch ein wenig dauern, bis ich hier raus kann und meinen eigenen Kittel anlegen werde."
"Hm, wer weiß. Du wirst sicherlich noch ein paar Tage bei uns bleiben müssen, aber dein Zustand verbessert sich." meinte Christian.

Ein wenig Hoffnung flammte in mir auf. Denn dann konnte ich endlich ein neues Leben anfangen. Da anfangen, wo ich meinte aufgehört zu haben. Ohne diesen Dean. Ohne diesen ganzen Unfall.

"Studien sagen, dass es für Amnesiepatienten am besten ist, wenn man sie zurück in ihr altes Umfeld schickt." erzählte er weiter. Meine Freude nahm ab. "Ich will aber nicht zurück." stotterte ich.
"Xenia, ich... Ich... Ich möchte dich auch gar nicht dahin zurück schicken. Ich merke doch, wie viel Angst du hast. Das kann ich dir nicht an tun. Du darfst tun, was du willst.
Ich wollte dich nur vorbereiten, dass die anderen Ärzte dich vielleicht lieber in der Obhut von Mr O'Gorman sehen wollen."
Ich zuckte mit den Schultern. "Na und. Woher wollen die wissen, was am besten für mich ist, wenn die mich überhaupt nicht..." Ich brach mitten im Satz ab. Ich kannte mich ja selbst nicht. Wie konnte ich dann so etwas sagen?
"Aber ich würde dich gerne näher kennen lernen." Mit diesen Worten rutschte Christian ein wenig zu mir.
"Da gibt es nicht so viel zum kennen lernen." lachte ich und strich mir ein paar Haare hinter die Ohren.
"Ich bin mir sicher, dass es das gibt." Christian war mir nun so nah, dass ich meinte, seinen warmen Atem auf meiner Haut spüren zu können.
"Eigentlich weißt du schon alles. Ich hab Chemie in Deutschland studiert und bin dann nach London."
Er legte den Kopf schief. "Das meine ich ja auch gar nicht. Sondern dass, was du gerne tust. Was hast du für Interessen, was macht dich so besonders?"
Ich musste erneut lachen. "Ich bin alles, aber nicht besonders." antwortete ich.
"Nun, das sehe ich aber anders." meinte Christian.

"Na schön. Also ich glaube, ich spiele Gitarre. Oder hab das mal gemacht. Und ich lese gerne und gehe am Wochenende in so ein kleines Kino in unserer Stadt. Da ist nie was los und die Dame, der das Kino gehört, spielt die Filme fast nur für mich alleine."
"Das hört sich schön an." sagte er leise. "Denkst du, du kannst es mir irgendwann mal zeigen? Wir zusammen in einem alten Kino."
"Klar. Und dann gucken wir einen alten Film."
"Genau. Casablanca oder Vom Winde verweht." sagte Christian.

Ich runzelte die Stirn. "Vom Winde verweht?" fragte ich nach.
"Ja, oder magst du den Film nicht?"
"Doch... Ich... Ehm. Entschuldung, aber ich würde gerne wieder auf mein Zimmer gehen."
Schnell stand ich auf und gab ihm seinen Kittel zurück. Ohne auf ihn zu warten lief ich zurück zum Krankenhaus und in mein Zimmer, wo ich mich konfus auf mein Bett fallen ließ. Von Winde verweht, dachte ich mir, Was hat das zu bedeuten?
Als der Name des Films gefallen war, hatte sich ein komisches Gefühl in mir breit gemacht. Warum? Was hatte dieser Film mit mir zu tun? Was war das alles? Wer war ich?
-
Es war bereits elf Uhr am nächsten Morgen und Shay war immer noch nicht aufgetaucht. Langsam wurde ich nervös. Waren wir nicht zum Shoppen verabredet gewesen? Ich wollte gerade mein Handy zur Hand nehmen und sie anrufen, als die Tür aufging und sie hektisch hereinstürmte. "Warum bist du so spät?" fragte ich und legte das Handy weg. Shay stellte ihre Handtasche auf dem Tisch ab und ließ die Schultern sinken. "Danke für die nette Begrüßung. Dir auch einen Guten Morgen."
"Oh, sorry." entschuldigte ich mich flüchtig. "Ich hab mich nur gefragt, warum du so spät bist. Wir waren doch verabredet."

"Jaja, ich bin ja jetzt da." Sie lief an mir vorbei in das kleine Bad und richtete sich ihren Zopf vor dem Spiegel.
"Wie war es denn gestern so mit diesem Aidan?" wollte ich wissen. Shay ließ ihre Arme sinken und drehte sich zu mir um. Ein leichtes Lächeln lag auf ihren Lippen. "Schön. Wir waren noch in so einem Club in der Stadt. War echt cool."
"Achso, achso."
"Ja. Und was hast du gemacht?"

Lost & Found (DeanO'Gorman ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt