Hannah:
Sie erkannte die Frau, die sie hereingebeten hatte, nicht sofort. Es war immerhin schon einige Jahre her, dass sie sich das letzte Mal gesehen hatten. Ungefähr vierzehn Jahre. Damals war sie Hannahs Grundschullehrerin. Hannah mochte Frau Siebert. Soweit Hannah sich erinnerte war sie immer sehr um ihre Schüler bemüht. Hat sie immer als Gleichgesinnte angesehen. Einige Male hat sie für die Klasse ein Grillfest bei sich zu Hause veranstaltet. Deswegen kam Hannah auch das Haus so bekannt vor.
In der Küche bat Frau Siebert Hannah Platz zu nehmen, nachdem sie leise und ein wenig zu vorsichtig die Tür zum Wohnzimmer geschlossen hatte.
„Möchtest Du vielleicht einen Tee?" fragte Frau Siebert und war schon dabei zwei Tassen frischen Tee zuzubereiten.
„Haben Sie noch den gleichen Apfeltee wie damals? Den, den sie uns immer in der Pause gemacht haben?"
Frau Siebert lächelte nur und stellte Hannah eine Tasse vor sie hin. Hannah roch an dem Tee. Es war eindeutig derselbe Apfeltee wie damals.
„Ich habe in letzter Zeit viel von Dir gehört." begann Frau Siebert das Gespräch, während sie sich mit einer eigenen Tasse hinsetzte. Da Hannah nicht genau wusste, was sie darauf antworten sollte, sagte sie nichts und wartete darauf, dass Frau Siebert weiterredete.
„Du warst schon als Schulkind etwas ganz besonderes. Deine Klassenkameraden haben Dir damals schon vertraut."
„Ich war eigentlich immer sehr einsam..."
„Weil Du Dich entschieden hast, einsam zu sein. Du hast niemanden an Dich herangelassen. Vor allem nicht nach Deinem Unfall."
Frau Siebert betrachtete Hannah genau, strich ihr die Haare aus dem Gesicht.
„Inzwischen hat sich Dein Gesicht an die Narbe gewöhnt. Und Deine Seele anscheinend auch. Du siehst wirklich gut aus."
„Ich hatte lediglich 200 Follower auf Instagram... schöne Menschen haben mindestens 20000 " und nach einem Moment fügte sie hinzu: „ oder mehr."
Frau Siebert lächelte. Dann nahm sie Hannahs Hand. Hannah wusste, was jetzt kam. Und sie hatte Angst davor. Noch nie zuvor hatte sie jemanden begleitet, den sie kannte. Wildfremden Menschen diese letzte Ehre zu erweisen, fiel ihr nicht schwer. Das hatte sie sich so ausgesucht. Aber dass hier war etwas ganz anderes.
„Ich weiß, was sie wollen..:" sagte Hannah, bevor Frau Siebert etwas sagen konnte, „ ... aber ich weiß nicht, ob ich das kann. Nicht bei Ihnen"
Frau Siebert nickte einen Moment. Sie schaute Hannah neugierig an, überlegte.
„Ich kenne Sie und... naja, ich mag Sie. Ich weiß nicht, ob ich das kann." wiederholte Hannah.
„Es fällt Dir also schwer, weil Du mich kennst? Ist das so?". Hannah nickte als Antwort. Frau Siebert überlegte noch einen Moment, dann stand sie auf.
„Keine Sorge, wenn es sein muss, schaffe ich das auch alleine... aber vorher möchte ich Dir etwas zeigen." Sie nahm Hannahs Hand. Zusammen gingen sie ins Wohnzimmer. Auf dem Sofa schlief ein junges Mädchen. Das Mädchen musste ungefähr so alt sein wie Hannahs Schwester Maya. Unter ihrem T-Shirt ragte ein kleiner kugeliger Bauch hervor.
„Das ist meine Tochter Lisa. Wie Du siehst ist sie schwanger." Hannah sah auf Lisa, die immer noch friedlich schlief.
„Ich liebe sie über alles. Meine Tochter ist der wichtigste Mensch, den ich im Leben hab, seit mein Mann..." als Frau Siebert Hannahs Gesicht sah, lächelte sie." Er ist schon vor vielen Jahren gestorben. Er hat seine kleine Lisa auch so unglaublich geliebt. Und auch Lisa – sie vermisst ihren Vater schrecklich. Und ich möchte, dass Du ihr den Schlaftee gibst. Ihn ihr kochst. Ich... ich schaffe das nicht."
DU LIEST GERADE
Apokalypse Berlin
Science FictionIn genau 52 Wochen wird die Erde zerstört sein. Alles Leben ausgelöscht. Und niemand kann diesem Schicksal entkommen. Ein riesiger Asteroid wird ausgerechnet an Sylvester die Erde treffen. Doch wie damit umgehen? Diese Frage stellt sich auch die woh...