Kapitel 12

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Justus:

Justus Großmutter hatte immer gesagt: „Wenn deine Ohren klingeln, dann ist irgendwo auf der Welt ein Engel gestorben." Er fand das immer besonders traurig, dann hatte er wohl nach jedem Besuch einer Technopartie dafür gesorgt, dass es einen Engel weniger auf der Welt gab. Und er war wirklich auf sehr vielen Partys. Umso erstaunlicher war, dass er jetzt in das Gesicht eines Engels schaute. Zumindest hielt er in den ersten Augenblicken Tammy für ein solches andersweltliches Geschöpf. Und der Engel streckte die Hand nach ihm aus. Alles geschah wie in Zeitlupe und Justus musste Lächeln. Er hat sich Sterben dann doch ein wenig anders vorgestellt.

Doch in dem Augenblick, in dem Tammy ihn berührte, kehrte die Realität schlagartig zurück. Wie ein Vorschlaghammer. Er spürte den Staub auf seiner Zunge, hörte Menschen durcheinander schreien. Tammy und ein weiterer Mann packten ihn und hoben ihn hoch. Tammy sagte etwas, doch er hörte nichts außer dem Sterben der Engel. Sie schrie lauter. Und dann Drangen die ersten Geräusche zu seinem Bewusstsein durch. Schreie. Schmerzverzehrte und Angriffslustige Schreie. Justus versuchte das Geschehene wieder zusammen zu setzen, eine Logik in das Chaos zu bringen, aber dazu war er einfach nicht in der Lage.

„Wir müssen hier verschwinden!" schrie Tammy erneut. Und auch der Mann neben ihm schrie etwas, doch da ertönte das Fiepen wieder. Dieses Mal lauter als zuvor.

Als Justus nicht reagiert, zerrten sie ihn aus dem dreckigen kleinen und inzwischen völlig zerstörten Gefängnis heraus. Er sah noch mehrere Menschen um sich, die ihnen halfen. Sie alle trugen irgendwelche dunkle Kleidung, aber auf keinen Fall waren sie professionell ausgestattet. Hier war kein professionelles „SWAT-Team" unterwegs, sondern ein Haufen Amateure. Und so, wie sie sich bewegten, war sich Justus sicher, dass sie keine 10 Meter weit kommen würden. Sie stürmten grade zum Haupttor.

„Nicht da lang..." schrie er. Dabei kam kein verständliches Wort aus seinem Mund. Tammy und die anderen liefen immer noch in die andere Richtung.

„Nicht. Da. Lang." schrie Justus erneut, nachdem er versucht hatte etwas Spucke in seinen verstaubten Mund zu sammeln. Dann blieb er abrupt stehen. Hielt sie zurück. Mit all seiner Kraft. Tammy verstand ihn nicht, wollte sich losreißen. Er deutete noch auf das Tor. Schüttelte wie wahnsinnig den Kopf. Warum verstand sie bloß nicht. Er griff ihren Arm, warf sie zu Boden. Sie wollte Justus gerade ins Gesicht treten, sich losreißen, da waren auch schon einige seiner „Befreier" beim Tor. Unter Ihnen der Mann, der ihm aufgeholfen hatte. Und wenige Augenblicke später wurden ihre Körper in tausend Stücke gerissen. Tammy konnte sich einen Aufschrei nicht verkneifen. So etwas hatte sie noch nie gesehen. Es war, als wären tausende unsichtbare Schwerter durch die Luft geglitten.

„Die Rache Gottes!" sagte Justus. Tammy schaute ihn entsetzt an. Man konnte in ihrem Gesicht lesen: Scheiße, der Typ ist immer noch einer dieser religiösen Spinner. Sie trat nach Justus, traf ihm mitten ins Gesicht. Justus versuchte sie fest zu halten, sie zu beruhigen. Sie wollte fliehen. Er wollte das verhindern. Das wäre ihr Tod gewesen. Sie hatte ihn befreit, also würde er ihr jetzt helfen. Justus wollte grade was sagen, da traf ihn erneut der Stiefel im Gesicht. Er ließ sie los. Tammy krabbelte davon.

„Nicht! Komm mit mir!" schrie er. Doch sie hörte nicht hin. "KOMM VERDAMMT NOCH MAL MIT" schrie er erneut. Aber er drang nicht zu ihr durch. Da war plötzlich Carsten bei Ihnen angekommen. Er griff nach Tammy. Zog sie an den Haaren hoch.

„Carsten..." sagte Justus. Der hörte ihn zwar, hatte aber nichts weiter als ein verächtliches Lächeln für ihn übrig. Seine Aufmerksamkeit galt Tammy.

„Die Lesbe will also flüchten?" sagte Carsten und zeigte dabei seine vergilbten Zähne. Justus ging auf ihn zu, wollte Tammy helfen, doch Carsten stieß ihn lächelnd zu Boden.

Apokalypse BerlinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt