Nick:
Als Nick wieder zu sich kam, stand er auf der Dachkante eines Einfamilienhauses und war im Begriff in einen Swimmingpool unter sich zu springen. Angefeuert von unzähligen Kids. Nick musste lachen. Er wusste zwar nicht genau, was hier abging, aber es gefiel ihm.
Wie er auf das Dach gekommen war, konnte er beim besten Willen nicht mehr sagen. Das Letzte an das er sich erinnerte, war Tariks dämliches grinsendes Gesicht. Sie saßen in irgendeinem Club, belagert von zahlreichen Groupies und nahmen HdA. Kurz vorher hätte er schon beinahe aufgegeben nach Tarik zu suchen. Er wollte gerade zurückgehen, da fand er Tarik in einem türkischen Cafe, wo er gemütlich einen Tee schlürfte. Aufgeregt rannte Nick zu seinem Freund und erzählte ihm, was mit den Zwillingen passiert war. Und da er nun einmal in Fahrt war, erzählte er einfach alles, was ihm in den letzten beiden Tagen so passiert war. Tarik und die beiden älteren Männer, die bei ihm saßen, hörten Nick schweigend zu. Als Nick offensichtlich an das Ende seiner Erzählung gelangt war, brachen alle drei in lautes Gelächter aus. Da sie jedoch immer weiter lachten, wurde Nick langsam wütend. Er verstand nicht, was an seiner Geschichte so verdammt lustig war. Die Zwillinge waren wahrscheinlich in Lebensgefahr, wenn sie nicht schon lange tot war. Doch umso mehr er sich erklärte, umso heftiger lachten die anderen. Schließlich kochte Nick vor Wut und fing an zu schreien, was jedoch auch seine erhoffte Wirkung verfehlte.
Schließlich erbamte sich Tarik seiner und erklärte ihm, was so verdammt lustig war. Alles was aus Nicks Mund kam war zu diesem Zeitpunkt reines Kauderwelsch. Eine Aneinanderreihung unzusammenhängender Silben. Ursache für diesen oralen Durchfall waren die Nebenwirkung von HdA. Sobald die Wirkung der Droge nämlich nahezu vollständig im Körper abgebaut war, kam es zu diesen Nebenwirkungen. Auch wenn die Gedanken einen kalren Satz formulierten, so gehorchte die Zunge keineswegs und raus kamen nur Sätze wie: „Ha... ma... Zwi... lilili... vückt... i... Schisse.." Diese häufige Nebenwirkung hielt entweder mehrere Tage an, oder aber bis man eine erneute Dosis der Droge einnahm. Manchmal half auch eine gute Porition Schlaf, aber zum Schlafen war keine Zeit. Also nahmen Tarik und Nick eine weitere Pille. Und während sie auf die Wirkung warteten, übernahm Tarik das Reden
„Eye Bruder, erst gestern hat mir mein Cousin den krassesten Scheiß erzählt" sagte Tarik. „Weißt Du, der ist den ganzen verdammten Weg von Istanbul bis nach Berlin gekommen. Erst mit seinem Schlitten, dann mit dem Fahrrad und schließlich verdammt noch mal zu Fuß. Kannste das checken, alter? Den ganzen fucking Weg gelaufen..."
„SChli... ga... We...na.. lin?" sagte Nick.
„Alter, halt besser die Fresse. Du redest immer noch wirres Zeug... Ich schwör Dir Bruder, die Welt ist am Arsch. Schon bevor dieser verfluchte Meteorit hier alles pulverisiert. Und wenn die Scheiße stimmt, die Hassan erzählt hat, ist es auch das Beste was passieren kann." Sagte Tarik. Und dann erzählte er die Geschichte seines Cousins. Wie er sich vor fanatischen Gruppen verstecken musste, die andere Menschen an Kreuze nagelten oder einfach nur aus Spaß hinrichteten. Von dem totalen Chaos, dass die ganze Welt inzwischen ergriffen hatte. Von Familienvätern, die zu Mördern, Großeltern die zu Kannibalen geworden sind. Von Männern, die in Horden durch die Welt ziehen, um zu rauben, vergewaltigen und plündern. Das ein oder andere Mal musste Hassan sich verstecken und flüchten. Und je näher er Berlin kam, desto grauenhafter wurde es.
„Und warum ist es in Berlin so friedlich?" fragte Nick. Tarik verstand ihn wieder
„Alter, Du bist zurück!" freute sich Tarik und die beiden Freunde gaben sich High Five. Dann fuhr Tarik fort.
„Na wegen den Soldaten! Ganz Berlin wird wie ein verdammtes Hochsicherheitsgefängnis bewacht. Und die lassen niemanden mehr rein."
„Und wie ist Hassan dann nach Berlin gekommen?"
„Scheiße Mann, ich hab da so meine Connections.... Ich lass doch keine Familie von verrückten Fanatikern fressen!" sagte Tarik. Dann schwiegen die beiden für einen Moment.
„Ist ja wie bei The Walking Dead man... halt ohne Zombies, aber irgendwie der gleiche Scheiß!"
„Ich sag es Dir Bruder" sagte Tarik. Sie schwiegen einen Moment, dann versuchte Nick Tarik etwas von den Zwillingen zu erzählen.
„Die Zwi... Zwi..." begann Nick. Tarik schüttelte den Kopf.
„Alter, Du fängst schon wieder an!" sagte Tarik.
„Die Zwillinge wollen, dass wir jetzt ordentlich feiern!" sagte Nick. Und das taten sie dann auch und vergaßen die Zwillinge. Das war eben das Problem mit HdA. Wenn man nüchtern war, dann verstand einen niemand, wenn man High war, dann hatte man kein Bock auf Probleme und wollte lieber feiern. Sie nahmen an diesem Abend noch mehr Drogen, tranken, nahmen wieder Drogen, gingen in einen Club, nahmen dort noch mehr Drogen und wurden schließlich von irgend so einem ehemaligen Plattenboss auf eine Privatparty eingeladen. Das war das gute alte Berlin. So hätte es immer bleiben können. Und jetzt. Jetzt stand Nick auf einem Dach schaute auf einen Horde Menschen, die irgendwie erwarteten, dass er etwas sagte. Und da er die Aufmerksamkeit der Bühne liebte, begann er schließlich seine eigene Rede. Etwas, was er den Menschen schon immer sagen wollte.
„Freunde, in den letzten Wochen haben wir ordentlich gefeiert!" sagte Nick und die Menschen jubelten ihm zu. „ Und gesoffen!" und sie jubelten noch lauter. „Und wir haben Drogen genommen". Jetzt hatte er die Leute in der Hand. Sie schrien sich förmlich die Kehle aus dem Hals. Und da merkte Nick, dass er jetzt, hier und heute die Macht hatte die Menschen zu beeinflussen. Ihnen eine echte, ne tiefe Botschaft mit zugeben. „Und jetzt wird es Zeit..." die Menge hielt die Luft an. „Jetzt wird es Zeit, dass wir uns umdrehen und diesen ganzen Scheiß hinter uns lassen. Die Welt wenigstens für die letzten Tage eine bessere zu machen. Überall sterben Menschen. Überall gibt es Hunger und Leid. Scheiße, da draußen, vor den Toren von Berlin gibt es Menschen, die andere bei lebendigem Leib auffressen oder an irgendein beschissenes Kreuz nageln. Aber damit ist jetzt Schluss! Ende sage ich!" Nick war stolz auf das, was er gesagt hatte. Und er hob die Hände in der Erwartung, dass die Menge ihm wieder zujubelte. Doch niemand jubelte. Alle schauten Nick mit aufgerissenem Mund an, keine brachte einen Ton heraus. Irgendwo klatschte ein einzelner Typ, wurde jedoch schnell wieder von seinem Nachbarn zum Schweigen gebracht. Nick erkannte in den Gesichtern, dass das ganz und gar nicht die Rede war, die sie erwartet hatten. Nick atmete einmal tief ein, dann schrie er:" Oder... lasst uns einfach alle FICKEN!" und schlagartig jubelten die Leute wieder. Das war der Nick, den sie wollten. Also bekamen sie ihn auch.
Dann nahm Nick Anlauf und sprang schließlich vom Dach. Die Menge tobte. Und noch im Flug erkannte er ein Gesicht in der Masse. Das Gesicht seines Vaters.
THORSTEN:
Thosten hatte zwar absolut keine Ahnung, wie er eigentlich hierhergekommen war, aber das war ihm egal. Er fand es toll hier. Gute Musik, Alkohol, Drogen und jede Menge Frauen Oben-Ohne. Das Ganze war ein bisschen so wie Woodstock. Nicht das er schon mal in Woodstock gewesen war, sondern so wie er es sich immer vorgestellt hatte. Und falls er doch in Woodstock war, dann wusste er es nicht mehr. Aber das war auch egal. Alles war so entspannt und friedlich. Also alles, bis auf den einen Typen, der ihn immer so dämlich anglotzte. Dieser Aufschneider, der vorhin mit so viel TamTam vom Dach gesprungen war. Nicht nur, dass er sich wie ein protziges Arschloch verhielt, er glotzte Thorsten auch die ganze Zeit an. Natürlich konnte sich Thorsten nicht sicher sein, ob der Typ ihn anglotzte, weil sie sich kannten. Ihm jedenfalls kam das Gesicht nicht wirklich bekannt vor. Er glaubte zwar, dass er es irgendwo gesehen hatte, konnte sich aber nicht daran erinnern, wo das war. Wenn der Typ wirklich ein Rockstar war, dann kannte er ihn vielleicht deswegen.
Allerdings musste Thorsten auch feststellen, dass er sich nur an wahllose Dinge und Situationen erinnerte. Zumindest erkannte Thorsten selber kein Muster, warum manche Erinnerungen blieben und andere verschwanden. So wie sein Name, Wohnort und alles was ihn irgendwie als Person auszeichnete. Seltsamer Weise erinnerte er sich daran, dass er Lehrer war und sogar an die Namen seiner Schüler. Aber an die Name seiner Familie nicht. Wenn er überhaupt so etwas wie eine Familie hatte. Zumindest gab der Ehering einen Hinweis auf seinen Familienstand.
Nachdem er festgestellt hatte, dass er kurz nach dem Unfall sein Gedächtnis verloren hatte, war Thorsten ängstlich und verwirrt durch die Straßen Berlins geirrt. Nichts, aber auch gar nichts kam ihm Bekannt vor. Die Abwesenheit jeglicher Regeln unterstützte dieses Gefühl der Hilflosigkeit nur. Auch die Volksfeste, die in manchen Straßen quasi durchgehend gefeiert wurden, halfen genauso wenig wie Straßen, die aussahen, als würde man hier einen Actionfilm drehen. Als er dann noch erfuhr, dass die Welt demnächst untergehe, da konnte er nicht mehr an sich halten. Die Menschheit musste verrückt sein. Oder sie war es vielleicht schon immer und jetzt merkte er es endlich. Thorsten lachte das Hippiepärchen aus, das ihm zuerst die Nachricht von der Apokalypse überbracht hatte. Den Nächsten schaute er nur ungläubig an. Danach fragte er niemanden mehr. Er irrte noch einige Stunden durch die Straßen, versuchte sich einen Reim auf das Ganze zu machen. Als es schließlich dunkel wurde, bekam er Hunger. Und der Duft frisch gegrillten Fleischs brachte ihn schließlich auf die Party. Und auch hier wusste jeder von der Apokalypse. Also musste wohl etwas dran sein. Warum die Leute allerdings alle den Weltuntergang feiern mussten, blieb ihm ein Rätsel.
Und dann, gerade hatten sich ein paar freundlich freizügige junge Damen mit einer offensichtlichen Abneigung gegen Oberteile jeglicher Art, zu ihm gesellt, da überkam Thorsten ein seltsames Gefühl. Eigentlich wollte er mit den Hippiedamen der Apokalypse eine Droge Namens HdA ausprobieren, um dem drohenden Elend zu entkommen, da fing er aus heiterem Himmel an zu heulen. Um die Welt, um das Leben dieser wunderschönen barbusigen Hippies, ja sogar um das Leben eines jeden Einzelnen. Die Tränen flossen einfach nur so aus ihm heraus. Und es war ein ganz ehrliches und tief berührendes Heulen. Ein Heulen, dass gerade aus dem Ursprung der Menschheit entsprungen war. So sahen es zumindest die beiden Hippiefrauen und wurden so sehr ergriffen, dass auch sie kurze Zeit später heulen mussten. Und diese Welle der ehrlichen Traurigkeit schwappte schnell auf die anderen Gäste über. Und nach kurzer Zeit war die zuvor fröhliche Party ein reines Kollektives Geheule.
„Du musst das immer machen, oder? Du bist so ein verdammter Scheißkerl!" sagte Nick zu seinem Vater. Thorsten hatte Nick nicht kommen sehen und hob schließlich seinen Kopf. Er schaute den jungen Mann, diesen arroganten Musiker an.
„Was meinst Du?" fragte Thorsten.
„Ich hasse Dich! Ich dachte immer, dass alles wäre meine Schuld und ich habe mir das nur eingebildet, aber ich hasse Dich so sehr. Mehr als ich es jemals zuvor getan habe." Sagte Nick.
„Kennen wir uns?" fragte Thorsten. Das brachte bei Nick das Fass zum überlaufen.
„Ob wir uns..." sagte Nick noch, konnte aber den Satz nicht beenden. Er hatte sich wie ein wildes Tier auf seinen Vater gestürzt und schlug immer wieder auf ihn ein. Immer und immer wieder, bis schließlich einige der Gäste zu Thorstens Rettung eilten. Und es wurden immer mehr. Keiner konnte fassen, dass jemand diesen ganz und gar ehrlichen Mann schlug. Jeder, der Zeuge dieser Offenbarung gewesen war, jeder dessen Herz Thorsten berührt hatte, eilte ihm nun zu Hilfe. Und alles was Thorsten tat, war zu weinen. Er wollte nach Hause.
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Apokalypse Berlin
Science FictionIn genau 52 Wochen wird die Erde zerstört sein. Alles Leben ausgelöscht. Und niemand kann diesem Schicksal entkommen. Ein riesiger Asteroid wird ausgerechnet an Sylvester die Erde treffen. Doch wie damit umgehen? Diese Frage stellt sich auch die woh...