Kapitel 11

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Katharina, Hannah und Stefan

Am nächsten Morgen machten sich Katharina, Hannah und Stefan auf den Weg, um den fehlenden Sticker zu suchen. Sie warteten bis zum nächsten Morgen, da es inzwischen zu gefährlich war nachts loszugehen. Obwohl es in ihrem Kiez eigentlich noch ziemlich sicher war. Doch jeder hatte die Geschichten von plündernden und mordenden Banden gehört. Und dann gab es da noch die sogenannte „Säuberungseinheit", die schon mehrere Kieze unter ihrer Kontrolle hatten.

Katharina war inzwischen nur noch ein Schatten ihrer selbst. Der Verlust ihres Kindes war eine Katastrophe. Dass sie mit niemanden darüber sprechen konnte war jedoch wesentlich schwerwiegender. Sicher, Hannah war immer eine aufmerksame und gute Zuhörerin, aber sie war auch ihr Kind. Und ihr Mann Thorsten, dem sie zuvor immer alles anvertraut hatte, war nun schon seit mehreren Tagen verschwunden. Und ihr Geliebte, Tammy, hatte sie sogar seit mehreren Wochen nicht mehr gesehen. Und sie wusste nicht wieso. Hatte sie Tammy etwas angetan? Kurz nach dem Tag der Verkündung hatten sie sich noch geschworen, dass sie die Apokalypse gemeinsam verbringen wollten. Und zwar zusammen mit ihrer Familie. Gemeinsam die letzten Tage vor dem Aufschlag. Tammy fand das damals eine gute Idee, doch inzwischen glaubte Katharina, dass sie nur gelogen hatte. Sie wollte nicht in ihr Leben mit Mann und Kindern hineingezogen werden.

Und das war immer noch Katharinas größter Wunsch. Die letzten Tage wollte sie zusammen mit den Menschen, die sie liebte verbringen, vor allem aber mit ihren Kindern. Vielleicht auch, weil sie fühlte, dass sie sich in ihrem Leben nicht genügend um die, die sie Liebte, gekümmert hatte. Sie hatte ihre Arbeit immer über alles andere gestellt. Jetzt verstand sie, dass sie sich einfach nicht genug um ihre Familie gekümmert hatte. In ihren Büchern formulierte, nein predigte sie sogar, wie Eltern und Kinder glücklich zusammenleben können. Sie gab all diese Ratschläge, an die sie sich selber niemals hielt. Sie hatte gepredigt, ohne die Predigt selbst umzusetzen. Und nun war das eingetreten, wovor sie ihre Leser immer warnte: Warte nicht, denn irgendwann wird es zu spät sein. Und genau das war es jetzt. Zu spät. Zu spät für Maya.

Aber diesen Fehler wollte sie unter keinen Umständen ein zweites Mal begehen. Sie würde ab jetzt ihre Versprechen halten. Sie würde die Zeit aufbringen, um zumindest nicht noch mehr zu verlieren. Sie hatte Maya versprochen, dass sie für sie den Sticker finden würde. Und das würde sie auch tun. Sie würde ihn finden, auch wenn sie dazu ganz Berlin, ja sogar ganz Deutschland absuchen müsste. Und wenn sie ihn dann gefunden hatte, würde sie zusammen mit ihrer Familie die letzten Tage verbringen. Das schwor sie sich jetzt. Und für sie war Tammy ein Teil der Familie.

„Ich muss hier eben was erledigen." Sagte Katharina und blieb stehen. Sie waren bei Tammys Haus angekommen. Das war natürlich kein Zufall und weder Stefan noch Hannah wussten von ihrem Plan. Sie musste wissen, was mit Tammy war. Eigentlich hatten sie sich versprochen niemals den anderen unangekündigt zu besuchen, aber es sah Tammy einfach nicht ähnlich so lange zu verschwinden, ohne ein Wort.

„Wer wohnt denn hier?" wollte Hannah wissen.

„Ne Freundin!" sagte Katharina.

„Sieht nicht so aus, als sei jemand zu Hause." fügte Stefan hinzu, der sich gerade das Haus genau angeschaut hatte. Ohne zu antworten ging Katharina auf das Haus zu. Stefan hatte Recht. Eine Scheibe war eingeschlagen, die Tür nur angelehnt.

Vorsichtig stieß Katharina die Haustür ein Stück weit auf. Sie wollte Tammy rufen, besann sich dann aber eines Besseren. Schleichend aus Angst vor einer nicht bekannten Gefahr betraten sie den Flur. Überall lagen Glasscherben auf dem Boden. Es hatte einen Kampf gegeben. Die Blicke von Hannah und Stefan gaben ihr zu verstehen, dass sie das auch glaubten und dass sie alle vorsichtig sein mussten.

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