Mit angewinkelten Knien und einem äußerst nachdenklichen Gesichtsausdruck saß Anouk auf der Fensterbank und starrte in die scheinbar unendlichen tiefen des düsteren Waldes hinaus. Das Fenster stand weit offen, sodass der Raum und auch Anouks Lungen mit frischer Luft durchflutet wurden. Schon viel zu lange war es her, dass sie diese geatmet hatte. Tatsächlich war der Zeitraum nicht besonders groß, aber es kam ihr trotz alle dem so vor. Denn es war gar nicht mal so lange her, dass sie sich in eben diesen Wald begeben hatte, den sie jetzt so in Gedanken versunken betrachtete. Ein verzweifelter Versuch den wahren Hintergründen der grausamen Geschehnisse näher zu kommen, eventuell sogar den Verantwortlichen zu ermitteln und der Sache somit auf den Grund zu gehen. Doch was vorerst wie eine glänzende Idee geklungen hatte, hatte sich wiederum schnell als eine Qual entpuppt, von deren Ausmaßen sich Anouk nicht einmal ein Bild hätte machen können (geschweige denn wollen), hätte sie es nicht mit eigenen Augen gesehen. Und die Tatsache, dass genau das erst vor kurzem geschehen war machte ihr mehr zu schaffen, als sie zugeben wollte. Sie fühlte sich verfolgt von diesen Bildern, ihren Ängsten und oben drein auch noch einem Mörder, dem wahrscheinlich nicht wirklich gefiel, dass sie gegen ihn vorging, auch wenn es totaler Blödsinn war. Anouk war nicht wie die Superhirne vom FBI und sie fühlte sich auch nicht so. Ihre Versuche sich an logische Erklärungen heran zu tasten stellten sich schnell als erbärmlich heraus und endeten jedes mal in einem viel zu großen Berg aus Frustration und Selbstzweifel. Dem entsprechen fielen auch die zu verbuchenden Erfolge aus: mickrig. Der mehr oder weniger kleine Abstecher in den Wald war das beste Beispiel dafür. Zwar war es ihr gelungen mehr über die momentane Lage heraus zu finden und diese wage zu deuten, aber das warf letzten Endes mehr Fragen auf, als es Antworten lieferte und brachte ihnen somit auch nicht viel. Zudem hatte sie keine Beweise, auf die sich ihre Theorie, dass Bela noch am Leben war, stützen konnte. Ganz im Gegenteil. Je länger sie darüber nachdachte, desto unsinniger erschienen ihr ihre eigenen Schlussfolgerungen. Mit jeder verstreichenden Sekunde erschien die Situation Aussichts loser und Anouks Bemühungen albern und kindisch zugleich. Genau wie alle Ziele die sie in ihrem 'vorherigen Leben' verfolgt hatte, die nun einen primitiven Eindruck auf sie machten, aber auch eine Art Sehnsucht in ihr weckten, nach ihrem alten einfachen Dasein, in welchem sie sich über quasi nicht existente Problem aufgeregt hatte, wie eine zwei statt einer eins in der GL-Klausur zu bekommen. Sie sehnte sich nach der Sorte Problem, die man löste, indem man das Geschehene hin nahm und sich ganz einfach nicht mehr unnötig damit auseinander setzte. Hier würde es ihr wohl kaum weiter helfen, ihre Lage als ohnehin unveränderlich ab zu stempeln. Das würde ihr nur Schaden. Nein! Anouk war sich sicher: Sie musste etwas tun, egal wie albern oder kindisch es wirkte, einen Versuch war es immerhin wert. Denn sollte sie doch Glück mit ihrer Strategie, ihre so genannten 'Ermittlungen' haben, dann konnte sie vielleicht einen großenTeil zur Rettung beitragen. Und diese entschied letzt endlich über Leben und Tod, darüber, ob es für sie alle eine Zukunft gab, oder ob alles jetzt schon vorbei sein sollte. Anouk hatte nie wirklich alt werden wollen. Zumindest nicht so alt, dass man seinen eigenen körperlichen als auch geistigen Verfall mit ansehen musste und nicht einmal mehr alleine aufs Klo gehen konnte. Sie hatte sich oft vorgestellt wie grausam das sein musste, wenn man selbst nichts mehr tun konnte und nur noch den anderen dabei zusehen konnte, wie sie ihr Leben in vollen Zügen genossen. Mittlerweile würde sie alles dafür geben noch ein paar Jahre weiter zu leben. Vielleicht auch nur ein paar Monate, Wochen oder Tage. Es konnte genau so gut sein, dass ihr nur noch wenige Stunden Zeit blieben, wenn sie besonderes Pech hatte, dann handelte es sich sogar nur noch um Minuten. Anouk schluckte bei dem grässlichen Gedanken. Mit einem mal fühlte sie sich schutz- und hilflos. Genau in diesem Augenblick, als die Angst in Anouks Kehle zu einem grässlichen Klumpen heranwuchs gab sie sich selbst einen Ruck und beschloss die bisherigen Fakten noch ein weiteres mal kritisch zu betrachten. Sie war sich nach wie vor sicher, dass sie irgendetwas von elementarer Bedeutung übersehen hatte, doch sie kam einfach nicht darauf was es sein konnte. Lautlos erhob sie sich von der Fensterbank und sah auf die Notizen die sie sich zu dem 'Fall' bisher gemacht hatte. Was sie immer noch wunderte war das Messer und dieses seltsame Gefühl der Unstimmigkeit, welches der Gegenstand aus unerfindlichen Gründen in ihr hervor rief. Wie konnte es nur sein, dass sie auch nach so langem Nachdenken einfach nicht auf den Grund ihrer Verwunderung stieß? Und auf ein mal fiel es ihr wie Schuppen von den Augen und ihr wurde klar welche Ungereimtheit sie die ganze Zeit über gequält hatte- oder besser gesagt welche Ungereimtheiten. Die Schublade in welcher sie das Messer gefunden hatten war nicht nur ein viel zu offensichtliches und leicht auffindbares Versteck, sondern auch mit dem Messer selbst konnte etwas nicht stimmen. Denn als sie den Gegenstand gefunden hatten war sowohl die Klinge als auch der Griff von rotem Blut bedeckt. Genau zwei Dinge waren daran verwunderlich: Erstens hätte das Blut in diesem Zeitraum schon längst getrocknet sein müssen falls es wirklich von dem Mord stammen sollte und zweitens- wie hätte das Blut auf den Griff gelangen sollen, wenn jemand damit erstochen wurde? Die Handfläche des Täters hätte diesen abdecken und somit vor Blut Spritzern schützen müssen. Stattdessen waren diese über den kompletten Messergriff verteilt. Das alles ließ nur eine Schlussfolgerung zu: Jemand wollte, dass sie das Messer finden. Anouks Augen weiteten sich als sie begriff was das bedeutete: Das Messer war ein Fake. Sie wurden die ganze Zeit über in die Irre geführt...
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The cabin
Детектив / ТриллерEine Gruppe von Jugendlichen, die sich über das Internet kennen gelernt haben, planen (um einander besser kennen zu lernen) einen zwei wöchigen Urlaub in einer abgelegen Berghütte. Doch als einer von ihnen stirbt wird, wird aus Spaß schnell blutiger...