Kapitel 28

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"Und du warst echt so lange in dem Jahr?" fragte Julie, als ich geendet hatte und ich nickte.
"Ja, fast ein halbes Jahr."
"Wow. Ist es nicht schwer, sich jetzt wieder hier einzuleben? Ich meine, wenn jetzt doch alles anders ist."
"Ja, schon. Das hätte ich nie gedacht. Schließlich ist das mein richtiges Leben. Aber jetzt auch irgendwie nicht. Obwohl es eigentlich nur besser wurde...es ist seltsam."

"Das glaube ich dir. Vermisst du auch ein paar Leute?"
"Naja, meine Mom lebt ja jetzt und Tamara ist anscheinend immer noch ihre beste Freundin, sie kommt morgen zu Besuch, aber du hast Recht, ich vermisse Jessica und Marc...aber besonders vermisse ich Ian. Gestern Nacht...beziehungsweise heute Nacht habe ich von ihm geträumt."

Bei dem Gedanken an Ian und dem Traum wurde mir ganz warm.
"Sieh mal einer an...wenn das Jamie wüsste."

Jamie. Da war der Name schon wieder.

"Wer bitte ist Jamie? Und wieso sollte ihn das etwas angehen?"
"Er ist dein Freund?"
"Ich habe einen Freund? Seit wann das?"
"Wie, das heißt, davor warst du single?"

"Ja, klar! Sonst hätte ich mich ja wohl kaum in einen anderen verliebt."
Sie sah mich mit großen Augen an.
"Du bist in diesen Ian verliebt? So richtig?"
"Ja. Aber das ist vorbei. Ich werde diese schreckliche Uhr nie wieder benutzen. Du siehst ja, was sie angerichtet hat. Naja, du siehst es nicht...aber du weißt es jetzt."

"Da wird Jamie froh sein. Und ich bin mir sicher, wenn du ihn siehst, wirst du dich sofort wieder zu ihm hingezogen fühlen."
"Wie lange geht das eigentlich schon?"
"Seit zwei Monaten. Du meintest immer, es wäre Liebe auf dem ersten Blick. Ihr seid euch zufällig begegnet im Einkaufszentrum. Seitdem hast du von fast nichts anderem gesprochen."

Jetzt wurde mir so einiges klar. Das würde erklären, was das Bild von dem Jungen in meinem Zimmer zu suchen hat, und das, was mein Dad heute morgen meinte.

Mein Handy klingelte und ich sah aufs Display.
Jamie.
Shit. Was soll ich jetzt machen?

"Los, geh du ran." sagte ich schnell und hielt ihr mein Handy hin.
"Unsinn! Mach schon."
"Nein, geh du ran. Ich kenn den doch gar nicht."
"Jetzt lass den Scheiß. Geh endlich ran."
"Nein, mach du!"
"Claire!"
"NEIN!"

Jetzt war es eh egal, denn das Klingeln verstummte. Ich atmete erleichtert auf.

"Er versucht es bestimmt noch einmal. Ihr seid ja gleich verabredet."
"Julie, bitte. Ich kann das nicht. Ich..."

Wie Julie vorausgesagt hat, klingelte mein Handy erneut. Julie seufzte und nahm ab.
"Hey, Jamie. Hier ist Julie." sagte sie.

Mein Handy war so laut gestellt, dass ich mithören konnte, was er sagte.
"Julie? Wo ist Claire?" fragte eine freundliche, männliche Stimme verwundert.

"Die ist...grad auf dem Klo. Wir sind im Moment in einem...Café. Soll ich ihr was ausrichten?"
"Ja, sag ihr, wir treffen uns bei ihr zuhause in einer Stunde."
"Okay, mach ich. Ciao."
Sie legte auf und ich sah sie entsetzt an.

"Was ist?"
"Sag mal spinnst du? Du kannst doch keinem Wildfremden sagen, dass ich auf dem Klo bin. Und du kannst doch auch keine Dates für mich ausmachen."

"Er ist dein Freund, Süße. Und der Termin stand doch eh fest."
"Wieso hat er dann angerufen?" fragte ich irritiert.
"Das macht er immer so. Nur um sicher zu gehen, dass du es nicht vergisst."

Ich stand auf und legte meine Hand fassungslos an meine Stirn.
"Oh mein Gott. Mein Freund denkt, ich bin bescheuert. Bin ich wirklich so doof, dass ich mir eine Uhrzeit nicht merken kann? Oder ist er einfach ein Psycho?"
"Weder noch. Das ist einfach so euer Ding."

"Unser Ding?" Ich war kurz davor, zu heulen. Hoffentlich war das nicht so ein kranker Typ, wie die mit denen sie mich verkuppeln wollte.

"Du denkst bestimmt, er ist ein totaler Freak, aber das stimmt nicht. Glaub mir, ich kenne ihn. Er ist echt süß."
"Kann ja sein...aber ich will Ian!" jammerte ich und warf mich zurück auf die Couch.

Jetzt wurde Julie langsam neugierig.
"Wer ist eigentlich dieser Ian? Hast du ein Bild von ihm?"
Ich nickte und lächelte.
"Na klar." Ich holte mein Handy heraus und zeigte ihr ein paar Bilder und erzählte etwas darüber.

"Siehst du seine Augen? Ich liebe seine Augen. Und seine Lippen. Ach, Julie, er ist so perfekt. Zwar ist er ganz schön arrogant, aber unglaublich liebenswert. Schau, hier sind wir im Cafè und da habe ich heimlich ein Foto von ihm gemacht... und omg, Julie du glaubst nicht, wo wir unseren letzten Tag zusammen verbracht haben! Bei einem Michael Jackson Konzert!"

Ich zeigte ihr ein kurzes Video - ein längeres konnte ich leider nicht machen, da es aufgefallen wäre - und sie schrie auf.
"Du Glückspilz!" rief sie und platzte fast vor Neid.

"Ich weiß zwar nicht, wo ich mit Jamie schon war, aber eins steht fest: ein besseres Date wie das wird es nie wieder geben."

"Ihr hattet ein Date?"
"Naja, offiziell war es nicht, aber...es sprach definitiv alles dafür."
"Habt ihr euch geküsst?"
Ich grinste.
"Ja, das auch."

Julie trommelte vor Aufregung auf den Tisch.
"Sag, wie war es?"
"Es war einfach mega. Ein anderes Wort fällt mir dazu nicht ein. Aber...das erzähle ich dir ein anderes Mal, denn jetzt muss ich mal nach Hause, weil ich mich mit meinem Freund treffe, den ich noch nie zuvor gesehen habe."

Ach nee halt, doch habe ich sogar: auf dem Foto in meinem Zimmer.

Love between Time ✅Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt