In der neunten Klasse, im Mai 2015, da war ich vierzehn, bemerkte ich durch einen für mich sehr verwirrenden Traum, dass ich auch auf Mädchen stehe. Damals mochte ich ein Mädchen, nennen wir es Lotta, abgöttisch gern, himmelte es sozusagen an, obwohl wir nie geschrieben hatten, nie wirklich miteinander geredet hatten und dann tauchte genau diese Lotta auf einmal in meinem Traum auf. Ich weiß nicht mehr viel von der Story des Traums an sich, auf jeden Fall war es so, dass sie mich aus irgendeinem Grund besuchen kam, mich umarmte und dann küsste sie mich, und ich küsste zurück. Davon war ich scheinbar so geschockt, dass ich mitten in der Nacht plötzlich wach im Bett lag.
Ich dachte ein paar Tage darüber nach, und langsam wurde mir klar, dass ich mich wirklich in Lotta verliebt hatte. Ich hatte mit der Sache an sich, dass ich auf Mädchen stehe, kein Problem, ich hatte eher Angst, dass meine Umgebung damit ein Problem haben würde. Als meine Gefühle für Lotta langsam verschwanden, ungefähr im Juli und August, fing ich an, meinen Freundinnen davon zu erzählen, dass ich glaubte, bi zu sein. Damals hatte ich davor Angst, lesbisch zu sein. Wobei ich nach wie vor kein Interesse an Jungs zeigte.
Früher hatte ich das immer auf mein Alter geschoben, denn ich war ein Jahr jünger als alle meine Freundinnen und fing mit Schminken beispielsweise später an als meine Freundinnen. Ich schob es darauf, und redete mir ein, bi zu sein.
Im Dezember 2015 gestand ich mir dann schließlich ein, lesbisch zu sein, und war bis Mitte März sehr glücklich damit. Dann allerdings las ich einen ziemlich langen Artikel über Geschlechtsidentitäten und hörte von den Begriffen genderfree, genderqueer, und demigirl und demiboy. Da wurde ich stutzig und begann mal wieder, mich selbst zu hinterfragen. Schließlich erkannte ich, dass ich wohl in die Kategorie demigirl gehörte, begriff aber nicht, dass das mein Label lesbisch ausschloss. Jedenfalls nicht bewusst, denn unbewusst wurde ich immer unglücklicher damit. Das ganze gipfelte dann im April, als meine Freundin mir den Typen, nennen wir ihn Max, mit dem sie seit Januar eine Art Freundschaft Plus Sache hatte, vorstellte. Schließlich übernachteten Max und ich in derselben Nacht bei meiner Freundin, und ich lernte ihn richtig kennen. Er war sehr süß zu mir und ihr (obwohl er wusste, dass ich auf Mädchen stehe), leicht sarkastisch und ich verstand auf einmal, wieso sie ihn so gerne hatte und ihn als besten Freund bezeichnete. Meine Freundin und Max kuschelten, er strich ihr immer wieder durch die Haare, während wir redeten und aßen, und ich fand die beiden abgöttisch süß zusammen.
Als ich am nächsten Tag dann nach Hause kam, war ich vollends verwirrt. Ich hatte noch nie eine Freundschaft zu Jungs gehabt, seit der Grundschule nicht mehr. Die Distanz, die ich zu Jungs hatte, war aufgehoben, und das irritierte mich, denn ich konnte mir nicht mehr einreden, dass Jungs scheiße waren und ich begriff zum ersten Mal so richtig, was meine Freundinnen meinten, wenn sie über irgendeinen Typen sagten:"Er ist zwar nicht heiß, aber mega süß, und lieb... Irgendwie steh ich auf ihn."
Das irritierte mich sehr, denn ich hatte irgendwie das Gefühl, dass mich mein bisheriges Label einsperrte, wie es Heterosexuell ebenfalls getan hatte. Also verbrachte ich den Tag völlig fertig vor dem Computer, überfordet von mir selber, um ein Label zu finden, dass mich beschrieb. Und schließlich fand ich irgendwann die Definition von queer, und ich dachte, dieses Wort ist gerade das, was ich brauche. Die Suche nach Labels hat mich kaputt gemacht und immer wieder eingesperrt, ohne dass ich es gemerkt habe, und mit dem Wort queer habe ich dieses Problem nicht. Ich lasse es auf mich zukommen, in wen ich mich verliebe, und wenn es ein Typ ist, dann ist es ein Typ, wenn es ein Mädchen ist, dann ist es ein Mädchen, wenn es jemand ist, der genderless, demigirl oder demiboy ist, dann ist es jemand, der genderless, demigirl oder demiboy ist, aber es kann mir endlich egal sein und ich mache mir keine Vorschriften mehr und fühle mich endlich vom Druck, den ich mir ständig machte, befreit.
(Es ist zurzeit sehr Geschichten lastig hier, deswegen werde ich mich bemühen heute, morgen oder Sonntag noch was hochzuladen. Schreibt mir auch gern in die Kommentare, was ihr euch noch so von dem Buch hier wünscht. :3)
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How To Come To Terms With Yourself
Non-FictionDu wirst dir bewusst, dass du nicht hetero bist? Oder du weißt es schon? Oder vielleicht bist du einfach neugierig? ** Eine Art Ratgeber für alle, die Angst davor haben, sich einsam fühlen oder sich unsicher sind. ** Auch irgendwie eine Art Tagebuch...