Anonym
Das alles fing bei mir an als ich 10 Jahre alt war. Ich bin (biologisch gesehen) weiblich und wurde auch von meinen Eltern, die unbedingt ein Girly-Mädchen haben wollten, auch so erzogen.
Ich hatte aber überhaupt kein Interesse an Jungs, schönen Kleidchen, Make-up, Mädchenzeitschriften und den anderen üblichen Klischee-Gags.
Dafür war mir schon von klein auf klar, dass ich unbewusstes Interesse an Mädchen hatte. Was ich überhaupt nicht akzeptieren wollte.
Ich hatte viele religiöse Leute um mich herum, überwiegend Zeugen Jehovas, die mir einredeten, dass Mädchen Jungs und Jungs Mädchen lieben sollten. Und so dachte ich dann auch.
Jedesmal, wenn ich Gefühle für ein Mädchen hatte, hatte ich es verdrängt, mir gesagt es sei falsch, ich sollte lieber auf die Jungs achten. Ich sollte nur Jungs küssen, und nur einen Jungen heiraten.
Das hat mich mit der Zeit sehr depressiv gemacht. Auch hatte ich keine Lust auf eine Beziehung oder eine Ehe.
Mit 12 Jahren scheiterte mein erster Selbstmordversuch. Fünf weitere folgten darauf.
Die Anderen haben mich in der Schule gemobbt, beleidigt und verprügelt.
Ich selbst habe mich auch sehr runtergemacht.
In dieser Zeit hatte ich auch Gefühle für eine gute Freundin. Dafür habe ich mich geritzt und mir immer wieder gesagt, dass ich krank sei.
Als ich in die Oberstufe kam, wurde ich wieder gemobbt, aber nicht mehr so stark wie in der Grundschule.
Als sich zwei meiner Freunde nach einiger Zeit als schwul geoutet hatten, hatte ich es akzeptiert. Es waren ja meine Freunde. Doch nach einiger Zeit kamen meine alten Ängste wieder zurück, dass ich vielleicht auch homosexuell sei. Ich hab mich richtig gehasst dafür und mir gedacht, dass ich lieber sterben würde, als lesbisch zu sein. Darauf startete ich viele Fake-Beziehungen mit Jungs, die ich nicht liebte.
Als ich mich aber im Internet über Sexualität informiert hatte, wurde ich immer bereiter, meine eigene Sexualität zu akzeptieren.
Ich dachte zuerst, ich sei bisexuell, kam dann aber nicht an mir herum und nahm endlich an, dass ich eben homosexuell war.
Ich hatte mich zuerst meinen Freunden geoutet, die toll reagiert hatten und erst dann meiner Mutter, die nicht religiös ist, die es auch super annahm.
Mein Vater, der katholisch ist, war am Anfang schockiert, hat es dann aber doch gut aufgenommen. Ebenso wie mein Bruder. Ich hatte auch bald darauf eine feste Freundin und wir sind immer noch zusammen.
Von den ganzen negativen Ereignissen in meiner Vergangenheit wurde ich stärker, mittlerweile verteidige ich jeden, der wegen seiner Sexualität, Hautfarbe, Nationalität u.s.w diskriminiert wird.
Und ich fühle mich jetzt auch sehr zugehörig und stolz, der LGBT+ Gemeinde anzugehören.
Dann fand ich mit 16 heraus, dass ich Agender (also Geschlechtslos) bin. Denn ich hatte mir nie Gedanken um mein Aussehen gemacht, ich benahm mich weder "typisch" weiblich noch "typisch" männlich.
Ich mochte es nicht, wenn man mir Sachen sagt wie: "Du siehst schön/süß aus". Das nahm ich nie persönlich. Ich wollte, dass man meinen Charakter kritisiert oder lobt, nicht meinen Körper. Ich wäre sogar bereit gewesen, als körperlose oder geschlechtslose Gestalt auf Erden weiterzuleben. Ich wollte kein Mädchen sein, aber auch kein Junge.
Mit der Bezeichnung "Agender" fühle ich mich sehr wohl. Ich habe mich bereits vor einer Freundin geoutet, die richtig toll reagiert hatte. Meiner Mutter habe ich es noch nicht gesagt, denn sie wollte schon immer ein Girly haben, deswegen weiß ich nicht, wie sie reagieren wird. Aber ich weiß, dass ich es ihr irgendwann sagen werde. Ganz einfach, weil ich mich nicht mehr von anderen manipulieren lassen werde.
Und mein Tipp an alle LGBT+Leute: Homophobie kommt meistens von Unwissenheit. Ich wusste nichts darüber und war dagegen. Wie auch einige aus meinem Bekanntenkreis. Es ist nichts angeborenes, ein Homophober muss sich nur gut informieren und ab und zu mit LGBT+ Leuten abhängen, um endlich zu merken, dass sie auch Menschen sind, die einander lieben können. Jeder auf seine Weise. Und keine ist falsch. <3
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Kapitelwünsche?
Fragen an mich wegen des letzten Kapitels? :)
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How To Come To Terms With Yourself
Non-FictionDu wirst dir bewusst, dass du nicht hetero bist? Oder du weißt es schon? Oder vielleicht bist du einfach neugierig? ** Eine Art Ratgeber für alle, die Angst davor haben, sich einsam fühlen oder sich unsicher sind. ** Auch irgendwie eine Art Tagebuch...