Kapitel 6

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*Überarbeitete Version*

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Der Dienstag lief ähnlich ab wie der Montag. Nur, dass ich ab der dritten Stunde ein Anhängsel hatte. Es war Jenna aus dem Sportunterricht. Sie war eigentlich ganz nett, nur manchmal ein bisschen sehr mitteilungsfreudig. Sie redete und redete und redete. Dabei erklärte sie mir, welcher Schüler wer war. Vor allem von den Jungs erzählte sie jedes Detail aus deren Leben. Ich fragte mich zwar was mir das nützen sollte aber egal.

Ich hatte mich einigermaßen an die vielen Menschen hier gewöhnt und konnte meine Angst ziemlich gut unterdrücken, auch wenn ich immer noch vorsichtig war und mich von Menschenmassen fern hielt. Ich zuckte jedes Mal zusammen, wenn mich jemand berührte. Ich vermied es mich in die Nähe der großen Gruppen zu begeben und war froh, dass mich kaum jemand ansprach.

So hatte ich schon fünf Stunden überstanden und saß nun im sechsten Kurs. Amerikanische Geschichte. Ich fragte mich zum gefühlt hundertsten Mal warum ich diesen Kurs gewählt hatte, doch es half nichts, denn die Zeit verging nur schleichend.

Der Junge der vor mir saß, schien genauso gelangweilt wie ich und er seufzte. Vor Langeweile hatte ich schon begonnen mit meinen Stiften Türme zu bauen, was natürlich nicht klappte, doch es war lustiger als der Unabhängigkeitskrieg. Als mein Kugelschreiber geräuschvoll auf die Tischplatte knallte drehte sich mein Vordermann um und sah mich neugierig an. „Was treibst du hier hinten?"

„Ich baue einen Turm, sieht man doch!", flüsterte ich und grinste schief. Seine Mundwinkel zuckten und er musterte die Stifte die auf meinem Tisch verstreut lagen.

„Interessant", gab er von sich und sah kurz zu Mr. Hook.

Ich hatte schon von einigen Schülern gehört, dass sie ihn auch aus Spaß Captain Hook nannten.

„Wie heißt du eigentlich?", fragte er.

„Melanie", antwortete ich und er nickte.

„Hübscher Name."

Ich spürte den leichten Rotschimmer auf meinen Wangen. Ich konnte noch nie mit Komplimenten umgehen und das werde ich wahrscheinlich auch nie können.

„Wie heißt du?", fragte ich ihn.

„Logan", antwortete er lächelnd.

Logan hatte blonde Haare, die ihm in einigen Strähnen in die Stirn hingen. Seine eisblauen Augen musterten mein Gesicht und seine Lippen waren zu einem leichten Lächeln verzogen. Er sah durchaus gut aus.

Ich erwiderte sein Lächeln und packte meine Stifte zusammen.

„Genug Turm gebaut?", fragte er mit einem schelmischen Lächeln auf dem Gesicht.

„Klar", grinste ich und entlockte ihm somit auch ein kleines Grinsen.

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Wann immer ich Logan begegnete, grüßte er mich. Ich war das alles nicht gewöhnt und es war mir auch irgendwie unangenehm, dass mich alle ansahen. Ich war Aufmerksamkeit allgemein nicht gewöhnt, jedenfalls keine positive.

Auf dem Hof setzte ich mich in eine ruhige Ecke. Ich wollte mal ein bisschen Zeit zum Nachdenken. Am Rande des Hofes war kaum was los. Nur die Schüler, die lernten oder wie ich lieber allein waren hielten sich im Schatten auf. Ich erkannte auch, wie einige heimlich rauchten. Viel Unterschied zu Deutschland gab es ja nicht.

Gerade als ich mich umdrehte, entdeckte mich Logan und winkte mir zu. Er stand mit anderen gutaussehenden Jungs und Mädchen in einer Gruppe ungefähr fünfzehn Meter von mir entfernt. Ich erwiderte seinen Gruß zögerlich und sah mir dann wieder meine Notizen aus dem Geografiekurs an. Der Schalenbau der Erde war zwar nicht sonderlich spannend, doch der Lernstoff beschäftigte mein Hirn und ließ mich nicht an die vielen Fremden um mich herum denken, die mich neugierig und abschätzig musterten.

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