Kapitel 9

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*Überarbeitete Version*

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Ich erwachte in dieser Nacht immer wieder. Unruhig wälzte ich mich hin und her und versuchte einzuschlafen, doch jedes Mal, wenn ich einschlief, wachte ich spätestens eine Stunde später wieder auf und sah immer wieder Alex vor meinem inneren Auge. Ich redete nicht gern über meine Vergangenheit, denn immer wenn ich jemandem davon erzählte, kam alles wieder hoch. Ich wollte es nicht und doch spürte ich wie die Narbe auf meinem Bauch brannte, als wäre sie frisch und nicht über ein Jahr alt.

Ich schreckte irgendwann hoch, als ich im Flur vor meiner Tür Geräusche hörte. Nach einem Blick auf die Uhr seufzte ich und drehte mich um, zog die Decke bis zum Kinn und grummelte. Es war erst um acht und ich war noch immer müde. Meine Augen brannten von den gestern vergossenen Tränen und ich fühlte mich auch so nicht sonderlich gut ausgeruht. Gerade als ich fast am Einschlafen war, klopfte es an meine Zimmertür.

„Melanie, Frühstück ist fertig", meinte Ian und ich grummelte.

„Hast du schlechte Laune?", fragte mein Bruder und ich höre deutlich das Grinsen aus dieser Frage.

„Nein, aber ich bin müde", meinte ich und verkroch mich noch weiter in der Decke.

„Tja, dann hättest du vielleicht nicht so spät heim kommen sollen", meinte er und zog die Vorhänge mit einem Ruck auf. Es wurde schrecklich hell und ich stöhnte genervt auf.

„Ich hab nicht auf die Zeit geachtet, okay?", gähnte ich und presste meine Augen zusammen.

„Du warst um zwei heute früh zu Hause", lachte Ian und ich vergrub mein Gesicht im Kissen. Sah er nicht, dass ich fast keinen Schlaf gehabt habe?

Ich drehte mich auf den Rücken und sah an die Decke. Ich fühle mich in die Zeit kurz nach meinem Unfall zurückversetzt. Damals bekam ich kein Auge zu und fühlte mich im Grunde wie jetzt.

„Albträume?", fragte Ian auf einmal. Sein Grinsen war ihm wie aus dem Gesicht gewischt. Er sah mich ernst an und ich sah das Mitleid in seinen Augen flackern. Er war fast der einzige Mensch, der wusste, dass das damals kein normaler Raubüberfall gewesen war. Olivia und mein Vater haben nie erfahren, dass ich kein zufälliges Opfer war. Ian dagegen schon.

Nickend schloss ich meine Augen und versuchte diese Gedanken zu unterdrücken. Ich wollte nicht an früher denken. Ich war es leid, dass mich meine Vergangenheit dermaßen aus den Bahnen warf – nur weil ich daran erinnert wurde.

Ian setzte sich neben mich und seufzte. „Irgendwann wird es aufhören. Die Erinnerungen werden verblassen und andere, schönere Momente werden an ihre Stelle treten", meinte Ian mit einem schmalen Lächeln.

„Ich dachte, ich kann endlich neu anfangen. Aber egal was ich mache – die Erinnerungen holen mich immer wieder ein. Ich bin es leid, Ian", flüsterte ich und atmete tief durch um die Tränen zurück zu halten. Ich wollte nicht weinen – nicht schon wieder.

„Es wird besser werden, mit der Zeit, glaub mir. Aber es wird dauern." Mikes Worte kamen mir wieder in den Sinn und ich sah Ian an. „Wie lange wird es dauern? Wie lange?" fragte ich flüsternd.

„Das weiß ich nicht, Melanie. Das weiß niemand so genau", meinte Ian sanft. „Aber es wird besser werden, Mel."

Ich atmete zitternd durch und nickte. „Danke, Ian."

Er lächelte aufmunternd und zog mich in eine Umarmung.

~

Es war bereits später Nachmittag, als ich von einem Klingeln geweckt wurde. Ich hatte mich sofort nach dem Mittagessen in mein Zimmer verkrochen und war fast sofort eingeschlafen. Jetzt fühlte ich mich viel besser, als heute früh. Den ganzen Vormittag hatte ich mit meinem Bruder verbracht. Ich hatte ihm alles von gestern erzählt – auch von Brads Andeutungen. Ich vertraute meinem Bruder blind. Er hatte noch nie eines meiner Geheimnisse weitererzählt und das würde er auch nie tun.

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