15. Unter dem Meer~

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Inzwischen befanden wir uns in einer von Felsen versteckten Bucht und betrachteten die Wellen, wie sie immer wieder an die Steinbrocken im Meer schlugen. Schon die ganze Zeit lag mein Lieblingsduft in der Luft, der Geruch von Salzwasser. Seit der Nacht auf Mako Island war ich so gut wie nie am Meer gewesen. Aus diesem Grund fühlte ich mich überraschend geborgen, und dass in der Nähe von Wasser. Genüsslich schloss ich meine Augen und lauschte dem Rauschen des Meeres. Ich seufzte. Das Meer war einfach zu schön. Und beruhigend. Schon seit meiner Kindheit war das Meer dazu fähig, meine Sorgen verschwinden zu lassen. Immer wenn ich eine der etwas lauteren Konflikte meiner Eltern nicht mehr aushalten konnte, war ich ans Meer geflüchtet. Alleine war ich jedoch nie. Mike war auch immer da gewesen. Er war damals immer derjenige gewesen, der mich am Meer gefunden hatte und eine Weile mit mir dort geblieben war.

"Hast du's dann bald oder sollen wir ohne dich schwimmen gehen?" Das war vielleicht mal ein Stimmungskiller. Seufzend öffnete ich meine Augen und drehte mich zu den Mädels. Der Kommentar von eben kam von Bree. Diese stand mit verschränkten Armen da und durchbohrte mich mit ihrem genervtem Blick. Einen anderen Blick hätte ich von ihr auch nicht erwartet. Ich wusste ja wie reizbar sie sein konnte. Deswegen fühlte ich mich nicht ganz so eingeschüchtert wie ich es sonst tat.
Elizabeth neben ihr starrte gelangweilt in die Leere und spielte gedankenverloren mit einer ihren blonden Haarsträhnen. Wie es aussah, warteten beide darauf, dass ich bereit war. Aber war ich das auch wirklich? Vor dem Meer hatte ich soweit ja keine Angst, aber mein Fischschwanz war da eine ganz andere Sache.

Ich schreckte zusammen, als ich an beiden meiner Handgelenke feste Griffe spürte und ich plötzlich Richtung Meer gezerrt wurde. Panisch stellte ich fest, dass Bree und Elizabeth mir das Meer und meinen Fischschwanz aufzwingen wollten. "Hey! Was soll das? Ich bin noch nicht bereit." quengelte ich. Mein Herzschlag beschleunigte sich mit jedem Zentimeter, mit dem wir uns dem Meer näherten. "Heul doch. Irgendwann musst du so oder so bereit sein. Wenn nicht jetzt, wann dann?" keifte Bree mich an. "Wenn ich 'renn' sage, rennst du, klar? Wir haben dir vorhin ja erklärt, wie man Unterwasser schneller vorwärts kommt, nicht wahr? Gut, vergiss es nicht." sprach Bree mich mit ihrem Blick stur aufs Meer gerichtet an. Schwer schluckend nickte ich und bereitete mich dabei mental auf meinen Fischschwanz vor.

Sobald ich den von den Wellen angefeuchteten Sand unter meinen Füßen vernahm, sog ich scharf die Luft ein. "Renn!" rief Bree kurz darauf das Signalwort zum Rennen. Und so tat ich das auch. Mit Elizabeth an meiner linken und mit Bree an meiner rechten Hand rannte ich auf das Salzwasser zu. Ich rannte als würde es um mein Leben gehen. Nach kurzer Zeit spürte ich das eiskalte Wasser an meinen Waden und fühlte mich sofort unbehaglich. Ich war definitiv noch nicht bereit dazu! Einige Sekunden später wurde ich an beiden Armen in die Tiefe gezogen. Und schon befand sich mein ganzer Körper im kühlen Nass des Meeres.

Ein Kribbeln, das sich anfühlte, als würden tausend Ameisen meine Gliedmaßen bekrabbeln, durchfuhr meinen gesamten Körper. Sobald dieses verschwunden war, konnte ich meine Beine nicht mehr wahrnehmen. Och nö. Mein Fischschwanz war wieder da. Dabei hatte ich es in der letzten Zeit so gut hinbekommen, sein Erscheinen zu vermeiden.

Zögerlich öffnete ich meine Augen. Sofort wollte ich sie wieder zukneifen, da das Salzwasser höllisch auf ihnen brannte. Nichtsdestotrotz gab ich nicht auf und öffnete sie erneut. Ich beschloss den Schmerz einfach auszuhalten. Schließlich brauchte ich meine Augen, um zu sehen wo ich hin schwamm. Auch wenn meine Sicht Unterwasser etwas verschwommen war.

Einige Meter vor mir sah ich, wie die beiden Mädchen sich mit Wellenbewegungen immer weiter von mir entfernten. Wollten die mich etwa hier zurücklassen? Ich kannte mich doch gar nicht im Meer aus, also konnte ich sie später dann auch nicht wiederfinden. Unsicher versuchte ich ihre Bewegungen zu imitieren. Erst ab diesem Zeitpunkt bemerkte ich das enorme Gewicht meines Fischschwanzes. Gott, das Ding musste ja Tonnen wiegen! Bree und Elizabeth hatten schon deutlich mehr Übung was das Fortbewegen Unterwasser anging. In diesem Moment bereute ich es doch, den Fischschwanz derartig vermieden zu haben.

Verzweifelt versuchte ich weiterhin die Bewegungen durchzuführen. Keine Ahnung, ob ich die richtigen Bewegungen machte, aber irgendwie hatte ich es hingekriegt, mich von der Stelle zu bewegen. Ja! Es funktionierte! Nun musste ich mich nur noch ein wenig daran gewöhnen, was mit dem Gewicht meines Fischschwanzes bestimmt nicht einfach werden würde. Aber man musste einfach etwas Vertrauen haben.

Bree und Elizabeth gaben auf einmal richtig Gas und waren aufgrund ihrer Schnelligkeit schon fast aus meinem verschwommenen Sichtfeld verschwunden. Mist! Wie funktionierte nochmal das blitzartige Schwimmen? Bree hatte vorhin gesagt, man müsse einfach ganz gewöhnlich schwimmen, dann mit der Schwanzflosse gewaltigen Schwung holen und auf das Wasser hauen. Dann sollte sich der Fischschwanz von selbst ganz schnell bewegen und dann musste man nur noch mit den Armen die Richtung...

Weiter kam ich nicht, da rauschte ich schon durchs Meer. Überfordert versuchte ich mit meinen ausgestreckten Armen die Richtung zu bestimmen, was mir glücklicherweise auch gelang. Das fühlte sich ja wie auf dem Motorrad von Bree an! Im Unterschied, dass mir kein Wind ins Gesicht blies, sondern mehrere kleine Bläschen an mir vorbei strömten. Außerdem fühlte es sich...freier an. Als hätte ich eine lange Zeit lang Emotionen zurückgehalten und sie jetzt freiließ. Es fühlte sich gut an.

Zum Glück dauerte es nicht lange, bis ich die Mädels wieder entdeckte. Doch leider war ich die ganze Zeit damit beschäftigt die beiden einzuholen, und konnte aus diesem Grund die Welt unterwasser nicht genießen. Dabei war das der Grund gewesen, warum ich überhaupt darauf bestanden hatte mitzukommen. So ein Mist aber auch.

Meine beiden Fischfreundinnen kamen ungefähr 20 Meter vor mir langsam zum Halt und drehten ihre Köpfe in meine Richtung. Wahrscheinlich um nach mir zu sehen. Um sicher zu gehen, dass ich die beiden auch ja nicht aus den Augen verloren hatte und aus diesem Grund alleine meinen Weg hätte finden müssen. Genau das wäre zwar fast passiert, aber ich wollte mal nicht so sein. Schließlich hätten sie sich ja auch nicht schon denken können, dass ich höchstwahrscheinlich gar keine Ahnung davon hatte, wie man sich Unterwasser fortbewegte. Nein überhaupt nicht.

Sobald ich beide erreicht hatte, verlangsamte auch ich meine Bewegungen. Grinsend wurde ich von Bree und Elizabeth empfangen, ehe sie gelassen voran schwammen. Was war das denn jetzt? Konnte es tatsächlich sein, dass sie ihr Tempo verringert hatten, um sich zu vergewissern, ob ich mit ihnen mithalten konnte, und keine Last für sie darstellen würde? Bestimmt nicht. An was dachte ich denn bitteschön? Sie haben sicher gewusst, dass ich am Anfang einige Schwierigkeiten beim Schwimmen gehabt habe, aber ihnen trotzdem dicht auf den Versen gewesen bin. Ich hoffte zumindest, dass dies deren Gedanken gewesen sind.

Elizabeth, welche wie aus dem Nichts vor mir auftauchte, holte mich wieder zurück und hob mir noch immer grinsend ihre Hand entgegen. Etwas überrascht ergriff ich sie und schwamm gemeinsam mit Elizabeth weiter. Erst jetzt nahm ich alles um mich herum richtig wahr. Mit großen Augen begutachtete ich das bunte Korallenriff, an dem Bree schon entlang schwamm und vermutlich nach Muscheln suchte. So sah sie zumindest aus. Neben dem Korallenriff waren hier noch eine Menge Schwärme von Fischen, die genauso bunt waren wie die Korallen. Würde ich die Luft nicht auch so schon anhalten, würde mein Atem aufstocken. Dieser Anblick, auf die Tiefen des Meeres, war einfach atemberaubend schön. Und vor allem friedlich, wie die gesamte Atmosphäre hier unten. Keine Schule, keine Hausaufgaben, keine Geheimnisse, keine Partys. Nichts von alldem Mist. Wie hatte ich es nur so lange aushalten können, nicht ein einziges Mal schwimmen zu gehen? Bree und Elizabeth behielten recht, was die Schönheit des Meeres anging.

Noch immer erstaunt von der Schönheit des Meeres fuhr ich fort mit dem Schwimmen fort.



Our Little Secret - H2O/MakoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt