26. Meeresrauschen

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Ich hätte direkt aufstehen können und gehen, als ich sah, wer diese Person war, die sich zu mir gesetzt hatte. Oder eher gesagt als ich es roch. Dieses Aftershave würde ich in einem Umkreis von zehn Metern erkennen. Gabe. Ugh. Was wollte der denn jetzt hier? Mit einer verzogenen Miene blickte ich weiterhin stur in Richtung des Ozeans. Der Ozean verdiente es mehr von mir angesehen zu werden als dieser Volltrottel. Ich umschlang meine angewinkelten Beine mit meinen Armen, zog sie näher an meinen Oberkörper und stützte mein Kinn auf den Knien ab. 

"Wie? Du willst mich nicht mal anschauen?" hörte ich ihn spielend schmollend fragen. Konnte er nicht seinen Mund halten? Oder aufstehen und gehen? Oder sich im Meer ertränken? Vielleicht sollte ich letzteres einfach übernehmen. Dann wäre das erledigt. 
"Reden auch nicht?" Ich bohrte mein Kinn mit noch immer finsterem Blick weiter zwischen meine Knie. 
"Ach komm schon, bin ich wirklich so schlimm, dass du nicht mal ein winziges Wort von dir geben willst?" Seine Stimme ging etwas hoch und gewann auch an Ernsthaftigkeit. Trotzdem weigerte ich mich mit ihm zu reden. Er konnte hier nicht ewig sitzen bleiben und versuchen mit mir ein Gespräch anzufangen. Irgendwann würde ihm sicherlich langweilig werden. Ich hingegen konnte noch bis Weihnachten hier bleiben und ihm den Kontakt verweigern. Na dann viel Spaß.

Eine Weile lang waren die einzigen Geräusche um uns herum das Rauschen des Meeres, das Aufschlagen der Wellen an den rauen Felsen, der stärker werdende Wind und ein paar Möwen, die jemandem vermutlich das Essen geklaut hatten. Und das war wunderschön. Ich hatte sogar beinahe vergessen, dass ich Gesellschaft hatte. Bis diese wieder ihren Mund öffnete, um etwas wahrscheinlich dämliches zu sagen. 

"Ich hab jetzt nachgedacht..." fing er an. Ach, das konnte er? Fast hätte ich mich mit einem perplexen Gesichtsausdruck zu ihm gedreht, aber ich blieb stark und lauschte ohne es mir anmerken zu lassen gespannt zu.
"Ich kann es schon verstehen, warum du dich so verhältst. Ich meine, ich war schon 'ne Nervensäge." Nervensäge war noch eine Untertreibung. In meinen Augen jedenfalls. Aber nett, dass er sowas über sich sagen konnte. Worauf er damit allerdings hinaus wollte, war mir unersichtlich.
"Aber können wir nicht irgendwie von neu anfangen? Wir hatten meinetwegen denke ich einen ungünstigen Start." Wie bitte? Das war mir jetzt zu viel. Ich war doch nicht so stark, wie ich dachte. Ruckartig schoss mein Kopf in seine Richtung und ich starrte ihn ungläubig an. Ich hatte so viele Fragen, und wusste nicht womit ich anfangen sollte. Das Klatschen der Wellen gegen die Felsen wurde lauter.

"Was?" brachte ich einfach nur entsetzt hervor. Er zuckte daraufhin nur mit den Schultern. Da war ja einer gelassen."Also, erstens, was für ein Neuanfang? Und wozu überhaupt?"

"Ich will dich eben kennenlernen, ist das was Verkehrtes?" 

"Nein, an sich ist das nichts Verkehrtes. Dein vorheriges Verhalten allerdings schon. Ich denke, ich muss nicht erklären, was daran so verwerflich war, oder?" Die Lautstärke meiner Stimmlage hatte sich während des Sprechens erhöht. Deutlich. Was auch Gabe anscheinend bemerkt hatte. Wenn ich mich nicht täuschte, war da ein Hauch von Eingeschüchtertem in seinen dunklen Teddyaugen zu erkennen. Innerlich gab ich mir selbst eine fünf. Dem hatte ich es gegeben. Und ich hatte noch mehr zu geben. "Und außerdem, warum genau möchtest du mich kennenlernen?"

Es dauerte einen Moment bis er antwortete. "Ich finde dich eben interessant. Du bist ehrlich. Bist 'ne Streberin, aber tauchst auf einer Poolparty wie der von Liz auf, was ungewöhnlich ist. Ein selbstsicheres Auftreten hast du auch. Keine Ahnung...du bist einfach anders, also nicht so verzweifelt." All das sagte er mit einer so ruhigen und entspannten Stimme, dass ich ihm fast seine Teddybäraugen aus dem Kopf gerissen hätte, wie ich es als Kind einmal bei einem Stofftier getan hatte. Wie konnte er das alles so seelenruhig sagen? Wollte er sich über mich lustig machen oder was? Ich konnte mir nicht vorstellen, dass er das ernst meinte. Ihn bezahlte doch sicher jemand dafür. Oder er hatte eine Wette am Laufen.

Our Little Secret - H2O/MakoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt