47. Ein Geständnis

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"Kann ich dich was fragen, Laura?"

Liz saß an diesem Nachmittag gemeinsam mit ihrer besten Freundin im Café, wo sie am Abend davor noch Zeit mit den anderen dreien verbracht hatte. In letzter Zeit hatten sich die beiden wieder aneinander angenähert und verbrachten wieder fast so viel Zeit miteinander, wie vor der ganzen Meerjungfrauen-Geschichte. Wenn es nach Liz ginge, könnte es auch noch mehr Zeit sein. Aber so lange sie mit den anderen beiden das Meerjungfrauen-Sein teilte, wurde sie sie nicht los und musste demzufolge ihre gemeinsame Zeit mit Laura verkürzen. Sie waren bei dieser Sache aufeinander angewiesen, dem war Liz sich bewusst. Und nach all den Monaten, die sie jetzt schon miteinander verbracht hatten, musste sie zugeben, dass sie die beiden inzwischen ganz erträglich fand. Sie würden allerdings niemals Laura ersetzen können. Immerhin teilte Liz mit ihr ganz andere Interessen, die sie auch schon vor der ganzen Meerjungfrauen-Sache beschäftigt hatten. Laura war immerhin die einzige, mit der sie über den Bachelor oder ihre Lieblings Band reden konnte. Weder Bree, noch Candy interessierten sich dafür.

"Was gibt's, Lizzie?" Laura sah Liz direkt in die Augen und lehnte sich von ihrem Platz gegenüber etwas nach vorne, damit sie sofort ihre Hände mit denen von Liz umschließen konnte, welche auf dem Tisch lagen. Offenbar hatte Laura die Anspannung in Liz' Ton gespürt.

Liz holte tief Luft. Sie wusste nicht, wie sie Laura am besten auf das Thema ansprechen sollte, ohne zu viel zu verraten. Doch sie entschied sich dazu, einfach loszureden.

"Dir kommt das jetzt vielleicht komisch vor, aber es geht um die Nacht, als du mich besucht hast." begann Liz, "Ich kann mich an den Großteil der Nacht nicht mehr erinnern... kannst du mir sagen, was noch alles passiert ist?"

Es dauerte einen Moment, bis Laura etwas sagte. Sie schien zu überlegen, was genau sie Liz von jener Nacht erzählen sollte. Oder sie war einfach nur verwirrt, dass Liz das überhaupt gefragt hatte. Bevor sie anfing zu sprechen, sah sie sich im Café um. Es war nicht wirklich viel los, allerdings waren so viele Leute da, dass man deren Gespräch nicht mithören konnte. Vor allem weil eine Frau mit hellblondem, lockigen Haar gerade dabei war, lautstark mit der Kellnerin an der Theke zu diskutieren. Laura seufzte schließlich.

"Ich weiß nicht so recht wie ich dir das sagen soll..." Laura sah Liz nun direkt in ihre blauen Augen.

"Ich weiß von deinem Geheimnis, Lizzie." sprach sie es schließlich aus. "Von eurem Geheimnis."

Liz' Mund öffnete sich. Es kamen allerdings keine Töne heraus, als wären sie auf dem Weg in ihrem Hals stecken geblieben. Die erste Frage, die Liz direkt in den Kopf geschossen war, war, was Laura damit meinte. Aber sie wusste ganz genau wovon Laura sprach. Sie musste nicht nachfragen, sie hatte sie schon richtig verstanden. Das bedeutete jedoch nicht, dass Liz keine weiteren Fragen an ihre beste Freundin hatte. Sie haderte nur damit eine Frage auszusuchen, die sie zuerst stellen sollte, weswegen sie sie weiterhin nur mit offenem Mund anstarrte. Woher wusste sie davon? Seit wann? Warum hatte sie nichts gesagt?

Laura merkte ihr offenbar an, dass sie nicht recht wusste, wie sie auf das Gesagte reagieren sollte und ergriff wieder das Wort: "Ich kenne euer Geheimnis schon seit längerem, ich kann dir aber jetzt kein exaktes Datum nennen." Sie pausierte ihr Gerede kurz. Liz schwieg weiter und hörte ihrer Freundin aufmerksam zu. Dabei brach sie für nicht mal eine Sekunde den Augenkontakt zu ihr ab. "Es ist so... ich bin selbst nicht zu hundert prozent menschlich." gestand sie.

Liz dachte in Lauras erneuter Redepause nach. Ihre Gedanken sprangen von einer Überlegung zur nächsten. Eine Meerjungfrau konnte sie nicht sein. Das hatten sie ja bereits durch einen Test festgestellt. Das konnte nur bedeuten, dass Meerjungfrauen nicht die einzigen realen übernatürlichen Gestalten waren. Bevor Liz wieder irgendwas fragen oder kommentieren konnte, erklärte Laura ihre vorherige Aussage im Flüsterton.

"Ich bin eine Nixe."

Ihr Gesicht hatte sich die ganze Zeit kaum geregt, aber nun runzelte Liz die Stirn. Was hatte sie da gerade gesagt? Fast hätte die blonde Meerjungfrau angefangen zu lachen, weil es ihr fast schon lächerlich vorkam. Aber sie verstand schnell, dass Laura es todernst meinte. Schon wieder ergaben sich Unmengen an Fragen bei Liz, von der sie allerdings keine einzige aussprach. Das gesamte Gespräch mit ihrer Freundin ließ sie in einem Paralyse ähnlichen Zustand.

"Bevor du fragst - nein, Nixen sind nicht das gleiche wie Meerjungfrauen..."

Laura erklärte Liz daraufhin, was Nixen genau waren und wo der Unterschied zu Meerjungfrauen lag. Angefangen hatte sie mit dem Aussehen: Im Gegensatz zu der glänzenden bronze farbenen Schwanzflosse und der farblich dazu passenden Brustbedeckung bei Meerjungfrauen, zogen sich bei Nixen tief dunkelgrüne Schuppen nicht nur über die Schwanzflosse und die Brust sondern auch in vereinzelten Partien über den restlichen Körper. Zudem färbten sich ihre Augen bei der Verwandlung in das selbe dunkle Grün, was fast schon unnatürlich aussah. Nixen wurden außerdem nicht durch einen Mondsee bei Vollmond zu dem, was sie waren. Sie wurden so geboren. Allerdings wurden sie niemals mit allen ihren Kräften geboren. Hier war der nächste Unterschied: Die Kräfte der Nixen äußerten sich nur an Vollmond. Das bedeutete, dass sie sich nur an Vollmond überhaupt verwandeln konnten, und dass sie nur dort ihre magischen Fähigkeiten hatten. Sie hatten exakt die gleichen magischen Kräfte wie Meerjungfrauen, bis auf das Erzeugen der Hitze. Dafür hatten sie die anderen beiden Fähigkeiten gleichzeitig und noch Erweiterungen von diesen.

Liz staunte nicht schlecht, als sie all das von ihrer besten Freundin gehört hatte. Sie konnte auch nicht wirklich einschätzen, was sie nun mit all diesen Infos anfangen sollte. Um ihre Gedanken etwas zu sortieren, wandte sie schließlich ihren Blick von Laura ab und sah sich im Café um. Es war genauso viel los wie bisher und die blonde Frau, die sich vorher mit der Café Mitarbeiterin gestritten hatte, saß inzwischen mit ihrem Laptop an einem Tisch. Die Aufmerksamkeit der Frau mit den hellblonden Locken lag allerdings nicht auf ihrem Laptop, sondern auf Liz und Laura, wie Liz gerade bemerkt hatte. Die Frau hatte sie mit zusammengekniffenen Augen beobachtet. Als sie jedoch realisierte, dass Liz nun in ihre Richtung blickte, richtete sie sich an ihren Laptop. Ob sie den beiden zugehört hatte? Vermutlich dachte die Fremde, dass Laura über irgendeinen Film oder ein Buch über Nixen geredet hatte. Das wäre gar nicht so unwahrscheinlich. Denn für Liz wirkten Lauras Erzählungen ebenfalls so, als wären sie nur fiktiv und nicht real.

"Warum erzählst du mir das alles erst jetzt?" Liz hatte es nun geschafft, sich endlich zu dieser ganzen Sache zu äußern. Die Enttäuschung in ihrer Stimme war dabei nicht zu überhören.

"Das war noch nicht alles."

Langsam wurde es Liz genug. Wie das war noch nicht alles? Sie fing an mit ihren matten weißen Gelnägeln leicht gegen den Tisch zu klopfen. All diese Infos lösten ein solches Durcheinander in ihr aus. Ob sie nun glücklich, sauer, enttäuscht, aufgeregt oder erleichtert war, konnte sie nicht genau sagen. Wahrscheinlich war es eine Mischung aus all dem.

"Wir Nixen bekommen unsere Kräfte vollständig, wenn wir mit drei Meerjungfrauen gleichzeitig bei Vollmond im Mondsee von Mako Island sind."

Liz zog eine Augenbraue hoch. "Wie bitte?"

"Du hast mich schon richtig verstanden, Lizzie. Deswegen habe ich dich in der letzten Vollmondnacht besucht und dazu gebracht, mit mir nach Mako Island zu schwimmen."

Nun verstand Liz allmählich, was in jener Nacht passiert war, nachdem sie den Vollmond erblickt hatte. "Das hättest du mir doch auch vorher schon erzählen können, dann hätten wir das gemeinsam machen können."

"Ich brauche euch aber alle drei dafür. Glaubst du Bree und Candy hätten mir vertraut und da mitgemacht? Ich wollte die beiden sogar noch mitnehmen in dieser Nacht, aber du hast mich daran gehindert."

"Wozu möchtest du alle Kräfte überhaupt?"

"Um bei meiner Mutter sein zu können. Sie ist Teil eines Nixenschwarms, seit sie all ihre Kräfte hat, weswegen ich sie nur noch selten sehen kann."

Lauras Erklärung ergab sogar Sinn. Liz wusste schließlich, dass Laura hauptsächlich alleine mit ihrem Vater lebte und ihre Mutter nur bei wenigen Gelegenheiten sehen konnte. Also ausgedacht hatte sie sich die ganze Geschichte mit ihrer Mutter schon mal nicht.

"Was genau passiert dann mit uns drei Meerjungfrauen? Was müssen wir tun?"

Laura schluckte bevor sie Liz ihre Fragen beantwortete. Liz konnte spüren, dass ihr ihre Antwort nicht gefallen würde.

"Ihr werdet eure Kräfte verlieren."

Our Little Secret - H2O/MakoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt