18. Die erste Vollmondnacht

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Ohne zu Blinzeln starrte Candy den Mond mit großen Augen an. Ihr Körper bewegte sich auch sonst nicht. Es war fast so als hätte man sie hypnotisiert. In ihren weit aufgerissenen Augen spiegelte sich der silberne Mond am Nachthimmel wider. Sie hätte den Mond noch ewig so weiter begutachten können, doch ganz plötzlich hatte sie das Verlangen schwimmen zu gehen. Sie musste unbedingt das kühle Nass des salzigen Wassers des Pazifiks um sich fühlen. Und vor allem, wollte sie ihre Beine loswerden. Diese ekelten sie im Moment nämlich an.

Als die dicken Wolken sich vor den Mond gezogen hatten, und Candy somit die Sicht zum Mond versperrten, wandte sie sich lächelnd vom Fenster ab. Sie freute sich schon darauf die Tiefen des Meeres in der Nacht zu erforschen. "Was ist mit dir, Candy?" fragte sie Bree, die sich urplötzlich vor ihr aufgebaut hatte. Sie und Liz hatten schon des öfteren versucht ihre Freundin anzusprechen. Diese hatte das jedoch gar nicht wahrgenommen. "Nichts ist mit mir. Was sollte denn sein?" erwiderte Candy, ohne dass sie ihr strahlendes Lächeln fallen ließ. Bree zog ihre Augenbrauen verwirrt zusammen. Sie fragte sich,  was der Anlass für dieses Strahlen war. Dennoch beließ sie es einfach dabei, und fragte lieber nicht nach. 

Ohne ein weiteres Wort zu sagen steuerte Candy die Tür des Zimmers an. "Wo gehst du hin?" fragte sie Liz. Die Angesprochene drehte sich zu ihr. "Ich will schwimmen gehen." teilte sie ihren Freundinnen mit, welche sich bei dieser Antwort fragende Blicke zu warfen. "So spät noch?" hakte Bree mit einer hochgezogenen Augenbraue nach. Candy nickte daraufhin entschlossen. Obwohl Candy ihre Angst vor dem Meerjungfrau-Sein schon längst abgelegt hatte, wunderten sich die beiden, warum sie so plötzlich schwimmen gehen wollte. Und das auch noch alleine und nachts. Beide wussten, dass da was faul war. Sie konnten jedoch nicht sagen was es war. Aus diesem Grund waren sie sich - ohne Absprache - einig, dass Candy besser bei ihnen bleiben sollte. Bree ging auf Candy zu und zog sie zurück zu Liz auf Bett. "Ich glaube, es wäre besser, du bleibst hier." Candy schmollte. "Ich will aber nach Mako schwimmen. Von da aus sieht der Vollmond bestimmt viel hübscher aus. Ihr könnt ja mitkommen." "Nein, Candy. Wir wollen nicht schwimmen gehen." sagte Bree mit fester Stimme.

Eine Weile lang blieb Candy bei ihren Freundinnen. Sie wiederholte jedoch immer wieder wie  gerne sie doch schwimmen gehen würde, was Bree und Liz ziemlich auf den Keks ging. Bree war sogar schon einige Male kurz davor gewesen Candy anzuschnautzen, ließ es aber bleiben. Aber sie schwor sich, sie würde es das nächste Mal tun, wenn Candy es noch einmal sagen würde. Doch diese hatte eine andere Idee. Sie erhob sich vom Bett und ging in Richtung Tür. "Ich muss mal ins Badezimmer." Bree und Liz dachten sich nichts dabei. Es war ja schließlich nichts ungewöhnliches ins Badezimmer zu gehen. Allerdings hatte Candy gar nicht wirklich vor ins Badezimmer zu gehen. Sie ging durch die vielen langen Flure in Lizs Haus bis sie dieses schließlich verließ, sodass sie ihrer Sehnsucht nach Mako Island zu schwimmen nachgehen konnte.

Da Lizs Haus sich etwas weiter weg vom Strand befand, musste Candy noch ein bisschen laufen, was sie jedoch nicht daran hinderte ihren Weg fortzusetzen. In einem hastigen Tempo durchquerte Candy einige Straßen der Stadt. Sie konnte es einfach nicht erwarten wieder im Wasser zu sein! Als sie schon ganz nah am Strand war und schon das Rauschen der Wellen hörte, beschleunigte sie ihren Gang, sodass sie nach nur wenigen Sekunden die Wellen des Meeres erblicken konnte, welche sich in der Nacht noch wilder schlugen. Freudig quiekend rannte Candy auf das Meer zu. Die Freude, die sie gerade in diesem Moment verspürte, war unbeschreiblich. Es war fast so, als würde sie einem alten Freund, den sie schon seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen hatte, in die Arme springen. Doch bevor sie mit dem Meer eins wurde, entledigte sie sich innerhalb von Sekunden ihrer Kleidung. Doch danach stand ihr nichts und niemand mehr im Weg. Und aus diesem Grund ging sie die letzten Schritte ins Meer hinein, und verschwand nach einem Köpfersprung darin.

Da Candy auf ihrem Weg zum Strand viel zu sehr auf sich und ihren Weg fixiert  gewesen war, hatte sie nicht bemerkt, dass man sie bis zum Strand verfolgt hatte. Diese Person hatte jedoch das Interesse an ihr verloren, als sie alleine im Meer untergetaucht war.

"Sie ist schon ganz schön lange im Badezimmer. Findest du nicht?" meinte Liz zu Bree, welche genau wie sie auf ihrem Bett lag und einen Comic las. Sie unterbrach für einen Moment ihre Tätigkeit und sah von ihrem Comic auf. "Ja..." Sie ahnte, dass etwas nicht stimmte. "Candy ist gar nicht so groß. So viel kann gar nicht aus ihr rauskommen." überlegte sie laut. "Denkst du wir sollten nach ihr sehen?" fragte Liz ihre Freundin - auch wenn sie diese niemals als ihre Freundin bezeichnen würde. Bree nickte. Daraufhin erhoben sich beide von Lizs riesigem Bett und begaben sich zum Badezimmer, welches sich direkt neben Lizs Zimmer befand.

Liz klopfte an die weiße Holztür des Badezimmers. "Alles in Ordnung bei dir dadrin?" Anders wie Liz handelte Bree wie immer sehr direkt und drückte die kühle Türklinke herunter, als ihr auffiel, dass die Tür die gar nicht verschlossen war. "Sie ist nicht hier." stellte Bree nach nur einem kurzen Blick ins Badezimmer fest. Liz runzelte die Stirn. "Aber wo ist sie dann?" Nach wenigen Sekunden weiteten beide ihre Augen und sahen sich fassungslos an. Sie hatten nun realisiert, wo Candy sich versteckt hielt. Beide konnten es nicht glauben, dass sie es vorhin nicht schon begriffen hatten, was Candy vorhatte. "Das ist alles nur deine Schuld!" meckerte Liz. Gereizt verzog Bree ihr  Gesicht. "Was soll das denn nun bitte bedeuten? Du hättest auch besser auf sie achten können!" Natürlich wollte sich keine von beiden eingestehen, dass sie schuldig war. Dafür war der Stolz und die Sturheit beider viel zu enorm.

Nach einer kurzen Weile, in der sich die Meerjungfrauen gezankt hatten, steuerten sie die Haustür an. Beide sorgten sich offensichtlich um ihre Freundin, welche ganz alleine mitten in der Nacht einen spontanen Ausflug in den Ozean machte. Als sie nach wenigen Sekunden bei der Tür angekommen waren, und diese öffnen wollten, um ins Freie zu gelangen, mussten sie feststellen, dass sie sich nicht öffnen ließ. "Was ist denn mit der Tür los?" wunderte sich Bree und drückte fest dagegen, ohne das zu erreichen, was sie wollte. Liz runzelte die Stirn. "Geh da mal weg. Du kannst es einfach nicht." Sie drängte Bree zur Seite, um ihr Glück an der Tür zu versuchen, doch auch sie blieb erfolglos. "Lass uns die Hintertür versuchen, die klemmt bestimmt gerade nur." schlug die brünette Meerjungfrau vor.

Nachdem Liz ihr zugestimmt hatte, machten sie sich auf den Weg zu ihrem nächsten Ziel. Dort angekommen, blieben sie erst verdutzt stehen. "Warum sind denn die Rollläden unten?" Verwirrt nahm sie die Fernbedienung der Rollläden zur Hand um diese wieder hochzufahren. Es geschah allerdings nichts, als sie den dafür vorgesehenen Knopf betätigte. "Was zur...Warum funktioniert das nicht?!" Sie versuchte es immer wieder, und drückte auch nochmal auf alle anderen Knöpfe noch mindestens zweimal drauf, die Rollläden regten sich allerdings nicht.  Bree verschränkte beunruhigt ihre Arme vor der Brust. "Liz? Was zur Hölle geht hier vor sich?" Auch ihre Freundin war sehr perplex und sah sich nervös in ihrem Wohnzimmer um. "Ich habe keine Ahnung..." gestand sie. "Denkst du hier ist noch jemand außer uns beiden?" flüsterte sie mit einem Hauch von Angst in ihrer Stimme. 

Was in Elizabeths Haus vorging, und warum ihre Wege nach draußen blockiert waren, würden sie erst zu einem späteren Zeitpunkt erfahren. Das war jedoch auch nicht das einzige, worüber die beiden sich in diesem Moment Gedanken machten.

Getrennt von ihren zwei Meerjungfrauen Freundinnen lag Candy ganz allein im Mondsee auf Mako Island und beobachtete den Mond durch den Vulkankegel. Es würde nur noch wenige Sekunden dauern, bis der Vollmond den höchsten Punkt erreicht hatte. Und als es so weit war, fing der See an zu glühen und zu blubbern. Candy kicherte daraufhin. "Es blubbert ja. Genauso wie das letzte Mal." Eine gewisse Wärme der Freude machte sich in Candy breit. Diese Wärme kam allerdings nicht nur von der Freude. Es steckte mehr dahinter. Etwas Großes. Als würde eine mächtige Energie in Candys Körper hinein fließen. Das störte die junge Meerjungfrau allerdings nicht. Das einzige was für sie in diesem Moment zählte, war, dass sich ihr Verlangen nach Mako Island in Freude und Befriedigung verwandelt hatte. Und dieses Gefühl der Erfüllung genoss sie in vollen Zügen.

Und so endete die erste, relativ ruhige, Vollmondnacht der drei Meerjungfrauen.

Our Little Secret - H2O/MakoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt