3. Marie - Gedanken

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Ich lag in meinem Bett und dachte an Florence. Ohne es zu wollen kamen mir immer wieder ihre Augen in den Sinn, ihre wunderschönen braunen Augen. Wie sie mich verschmitzt anlächelte, konzentriert einen Text durchlas, wie sie abwesend auf ihrer Unterlippe kaute, wenn sie schrieb. Wie mein Herz zu klopfen angefangen hatte, als sich unsere Finger kurz berührt hatten, als ich ihr den Collegeblock gegeben hatte. Wie hübsch ihr Lachen geklungen hatte. Wie gut sie gerochen hatte, als wir uns zur Verabschiedung umarmt hatten. 

Mir wurde klar, was ich da dachte und zum ersten mal fragte ich mich ernsthaft, ob ich in sie verliebt sein konnte. Solche Gedanken hatte ich vorher noch nie bei einem Mädchen gehabt und ich sah auch den Jungs hinterher, nicht den Mädchen. Außerdem hatte ich ja auch schon einen Freund gehabt und in den war ich auch wirklich verliebt gewesen. Glaube ich.

Das hatte vor fast einem Jahr angefangen, ich ging in die 9. Klasse und er in die 10. Er hatte mich im Gang der Schule einfach angesprochen. Wir hatten uns ein paar Mal getroffen und ich hatte mich in ihn verliebt. Meine Eltern mochten ihn nicht, er war ihnen zu "rebellisch". Er war immer sehr lässig angezogen, mit lockeren Jeans und T-Shirts. Er hatte etwas längere schwarze Haare und einen Tunnel im rechten Ohr. Eigentlich passten wir optisch nicht wirklich zusammen, ich so brav mit meinen fast hüftlangen blonden Haaren und den Markenklamotten, er mit den Rockband T-Shirts und Sneakers. Aber er hatte mich echt glücklich gemacht.

Doch meine Eltern verboten mir ihn zu treffen. Sie meinten er wäre kein guter Umgang für mich und behaupteten, dass meine Noten schon sanken, obwohl das gar nicht stimmte. Wir beschlossen uns heimlich zu treffen, doch meine Eltern bekamen irgendwie Wind davon und drohten mir, mich von der Schule zu nehmen. Sie übertrieben manchmal ein wenig doch sie waren streng und ich wusste, dass sie es ernst meinten, also machte ich schluss. Mike war wütend und traurig und meinte wir würden das schon schaffen, aber ich hielt mich von ihm fern und drei wochen später hatte er eine neue Freundin. Sie war ein halbes Jahr älter als er und sehr hübsch. Zu der Zeit war ich unglaublich traurig und verzweifelt. 

Aber ich war drüber hinweg gekommen und mittlerweile lächelten wir uns in der Schule auch wieder zu, wenn wir uns zufällig über den Weg liefen. 

Nach Mike hatte ich noch ein paar Mal das Gefühl gehabt, verknallt gewesen zu sein. In Robert, der in unsere Klasse ging oder in James, den ich im Urlaub in Kalifornien kennen gelernt hatte. Aber da hatte sich nichts draus entwickelt, denn ich war einfach unglaublich schüchtern und ich wurde ständig rot. Das war unglaublich nervig und verhinderte, dass ich auch nur versuchte, mit Jungs in Kontakt zu treten. Meine Hemmungen waren einfach zu groß. Und irgendwie hatte ich das Gefühl, dass diese Hemmungen jetzt auch bei Florence auftraten. 

Florence. Immer wieder kam sie mir in den Kopf, meine Gedanken konnten sie einfach nicht loslassen. Was wenn ich jetzt doch lesbisch wäre? Wenn das mit Mike einfach, keine Ahnung, Einbildung gewesen war oder so?

Nein. Nein! Das konnte nicht sein.

Das mit Florence ist Einbildung.

Sie ist nett, sie ist hübsch, ich mag sie. Als Freundin. Als Kumpel. Mehr nicht.

Sie ist einfach ein Mädchen aus meiner Klasse.

Ein sehr hübsches Mädchen.

Hilfe! Ich wollte nicht mehr über sie nachdenken. Ich rollte mich auf die Seite, schloss die Augen und dachte an ... Ja an was sollte ich denken? Mir fiel nichts ein außer Florence. Was hatte dieses Mädchen bloß an sich?! Ich wälzte mich hin und her und versuchte krampfhaft an Hausaufgaben oder meinen Klavierunterricht oder ans Reiten zu denken, während sich in meinem Kopf Szenen entwickelten, wie Florence und ich am Strand saßen. Egal an was ich dachte, sie schlich sich in meine Gedanken.

Dachte ich an die Schule sah ich nur sie neben mir sitzen, wie sie lachend ihren Kopf in den Nacken warf oder sie sich konzentrierte und auf ihrer Lippe kaute.

Dachte ich an den Klavierunterricht stellte ich mir vor, wie ich am Flügel saß und spielte und sie stand neben mir und sang.

Dachte ich ans Reiten galoppierten wir gemeinsam über grüne Wiesen. Es war zum verrückt werden.

Doch irgendwann schaffte ich es dann endlich einzuschlafen.

RomeA and JulietWo Geschichten leben. Entdecke jetzt