Marie - Und plötzlich ist alles anders - in Bearbeitung

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Ich schlang meine Beine um Florences Körper und drückte mich näher an sie. Wir beide lachten in den Kuss hinein und es fühlte sich einfach nur gut an. Ab und zu schwappte Wasser in meinen Mund, aber das störte mich herzlich wenig.

Florences Hand wanderte meinen Körper entlang und ich konnte mir ein Seufzen nicht verkneifen, als mich plötzlich eine entrüstete Stimme erschrocken zusammen fahren ließ. Vor Schreck sank mein Körper kurz unter Wasser und ich atmete eine ganze Ladung Wasser ein, so dass ich von einem heftigen Hustenanfall geplagt wieder an die Oberfläche kam, doch ich wäre, um ehrlich zu sein, lieber unter Wasser geblieben.

Denn was mich am Poolrand, in der geöffneten Tür stehend, erwartete war mein dunkelster Alptraum und Schlimmeres. Denn dort stand meine Mutter, die teuren Designerklamotten von Prada und Gucci nass gespritzt von meinem Fast-Selbstmord, die Hände in die Hüften gestemmt und auf ihrem Gesicht der ... naja einfach der das Schlimmste verheißenste Ausdruck, den ich jemals gesehen hatte.

"MARIE EMILIA LUISE VON BEHRENS! KOMM SOFORT DA RAUS! UND SCHICK DIESE DIESE" Es folgte ein theatralisch erschüttertes Schweigen, mit dramatisch in Szene gesetzem Griff an die Stirn, bis sie mit erschöpfter Stimme murmelte: "Schaff sie hier weg."

Ich warf einen Blick auf Florence, die ebenso verängstigt aussah, wie ich mich fühlte und atmete dann gepresst aus. Oh Gott... Das ist wirklich das Schlimmste, was hätte passieren können. Meine Mutter, die mich mit einem Mädchen im Pool erwischt. Na immerhin nicht nackt im Bett..., spottete eine Stimme in meinem Kopf.

Zögernd stützte ich mich am Beckenrand hoch und kletterte auf meine Füße, Florence folgte mir und stellte sich dicht hinter mich, unsere Hände klammerten sich verzweifelt aneinander, als wären sie der einzige Halt, der uns am Leben hielt.

Während meine Mutter sich immer noch völlig schockiert und überfordert die Nasenwurzel rieb, flüsterte Florence mir leise ins Ohr: "Ich geh nicht weg. Also außer du willst das, aber ich bleib bei dir." Anschließend hauchte sie mir noch einen Kuss in den Nacken, den meine Mutter hoffentlich nicht gesehen hatte. Oder auch doch. Sie sollte es nicht so schwer nehmen, dass ich auf Mädchen stand. Das war ja nichts schlimmes... Aber ich kannte meine Mutter und ich wusste, dass es für sie das Schlimmste auf der Welt bedeutete.

"Mama -", setzte ich zögernd an, doch sie funkelte mich nur an und sagte: "Du hörst mir jetzt zu! Ich dulde keine dreckien Lesben in meinem Haus, also schaff sie hier weg und dann unterhalten wir zwei uns mal. Ich weiß gar nicht, was mit dir los ist, ich erkenne meine Tochter kaum wieder."

Ich konnte es nicht fassen, dass sie Florence und in gewisser Weise auch mich, eine dreckige Lesbe genannt hatte und ich wollte auch nicht, dass Florence ging. Dann würde meine Mutter mir den Kopf abreißen. Also starrte ich sie nur stur an, wie sie mich ansah, bis ich schließlich geschlagen doch den Kopf senkte.

Ich spürte, wie Florence sich hinter mir anspannte und Luft zwischen ihren Zähnen einsog. Sie schien etwas sagen zu wollen, doch ich drückte ihre Hand zum Zeichen, dass sie es gut sein lassen sollte. Ich spürte Florences Wut und dass sie es nicht auf sich beruhen lassen wollte, aber ich wusste, sie würde es nur noch schlimmer machen.

Schließlich seufzte meine Mutter und ihr Blick wurde ein wenig weicher. "Marie, ich weiß ja nicht, was im Moment mit dir los ist, aber ich bin mir sicher, das ist nur ein Phase." Ihr Blick bohrte sich tief in mich und ich sah auf den Boden, Tränen in meinen Augen. "Oder?!", fragte sie herausfordernd und wendete ihre Augen nicht von mir ab. 

Ich ballte meine Hände zu Fäusten und schluckte meinen Zorn herunter. Es würde nichts bringen. Das wusste ich. Also hob ich den Blick, hoffte, dass sie die Tränen in meinen Augen nicht sehen konnte und nickte knapp. Ich hasste es, ihr nachzugeben. Aber gegen sie konnte man einfach nicht gewinnen. Ein triumphierendes Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus und sie sagte: "Na gut, dann schick sie jetzt bitte weg, ich möchte sie hier auch nie wieder sehen und du wirst sie auch nie wieder sehen. Und wir unterhalten uns heute Abend noch einmal." Damit drehte sie sich um und ging. Und das wars.

Ich schluckte und drehte mich zu Florence um. Sie starrte mich fassungslos an. "Und das willst du jetzt einfach so hinnehmen? Wars das jetzt?!"

"Florence", flüsterte ich, aber ich spürte regelrecht, wie die Wut aus ihr rausströmte.

"Marie wehr dich doch einfach mal! Wie sie mit dir umgeht, wie sie mich - uns - genannt hat, das - das geht doch nicht! Sie hat dich zum Weinen gebracht! Eine Mutter bringt doch ihre Tochter nicht zum Weinen und beleidigt sie! Wenn du willst können wir zusammen zu ihr gehen. Ich rede mit ihr. Meine Eltern könne-"

"Florence!", unterbrach ich sie weinend. "Hör auf! Lass es!" Wütend strich ich mir die Tränen aus dem Gesicht und sah ihr in die Augen. "Lass es einfach gut sein." Dann holte ich tief Luft. "Ich möchte, dass du gehst."

Florence sah mich sprachlos an und schüttelte kaum merklich den Kopf. "Mar-"

"Nein!" Ich schrie fast und musste mich beherrschen, nicht in Tränen auszubrechen. "Geh! Bitte."

Ich sah sie nicht mehr an. Ich konnte es nicht. Statdessen starrte ich meine nackten Füße an und versuchte verzweifelt die Tränen zurückzuhalten, die sich ihren Weg durch meine Augen bahnen wollten und hörte zu, wie sie seufzte, noch einmal Luft holte, als würde sie etwas sagen wollen, schließlich aber ihre Sachen vom Boden aufhob und ging.

Ich wartete noch etwa zehn Minuten, dachdem sie gegangen war, bis ich die Tränen zuließ und mich weinend auf den nassen Boden setzte, mein T-Shirt an mein Gesicht gepresst, um mein Schluchzen zu dämpfen. Wieso musste meine Mutter immer alles kaputt machen? Ich hasste sie! Ich hatte keine Lust mehr. Aber ich wusste, dass ich keine Wahl hatte. Ich musste mich ihr beugen. Und ich hasste das.

Später am Tag saß ich zusammengekauert auf meinem Bett, meine Köopfhörer mit Guns'N'Roses auf den Ohren, die Tür abgeschlossen und eine fast leere Tafel Schokolade in meiner Hand. Ich wusste das war Klicheehaft, aber nach dem Gespräch mit meinen Eltern, in dem sie mir ausdrücklich verboten hatten, Florence außerhalb der Schule noch einmal zu treffen oder "solch wiedrigen Beschäftigungen" jemals wieder nachzugehen und mir mindestens fünf Mal angedroht hatten, mich auf ein Internat zu schicken, weit weg von hier, und es nur nicht machten, weil sie dann keine Kontrolle mehr über mich hätten, war ich einfach schweigend nach Oben gegangen, hatte die Tür hinter mir zugeknallt, abgeschlossen, mir eine Tafel Schokolade von meinem Vorrat genommen und mich weinend aufs Bett gesetzt.

Und ich hatte nicht vor, in den nächsten Tagen hier wieder raus zu kommen. Sollten sie doch sehen, wo sie hinkamen, wenn sie mich nicht so akzeptieren konnten, wie ich war!

Aber tief drinnen wusste ich, dass ich morgen einfach wie gewohnt aufstehen und zur Schule gehen würde und auch die folgenden Tage, und dass ich Florence nie wieder treffen würde, denn das war es, was sie von mir wollten und ich tat immer, was sie von mir wollten.

RomeA and JulietWo Geschichten leben. Entdecke jetzt