10. Florence - Leandro

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Ich radelte, noch völlig verwirrt, von meinem Besuch bei Marie, die Straße entlang und hielt vor Sammys Wohnung. Ich hatte noch keine Lust auf Kellnern und abwaschen, ich wollte mich noch ein wenig drücken, außerdem rechneten meine Eltern so früh auch gar nicht mit mir, es war ja erst 3.

Ich lehnte mein Fahrrad an die Hauswand und ging zur Tür um zu klingeln. Nach wenigen Sekunden hörte ich eine Stimme "Moment" rufen und einen Augenblick später stand Paco in der Tür.

"Florence, meine kleine! Schön das du da bist! Sammy ist leider nicht Zuhause, aber komm doch trotzdem rein."

Nachdem er mich in seine starken Arme geschlossen hatte ging ih ihm voraus in die Wohnung.

"Willst du n Bier, n Tee, n Kaffe, ne Limo, n Wasser?", fragte Paco, während er die Tür abschloss und mit ins Wohnzimmer folgte. Ich zuckte mit den Schultern und ließ mich in das gemütliche Sofa sinken.

Paco verschwand kurz und kam schließlich mit zwei Bier zurück. Ich war zwar erst 15, aber für Paco und Sammy war ich irgendwie ... älter.

Noch bevor Paco das Sofa erreicht hatte schwang die Tür zum Flur auf und Leandro trat ins Zimmer. Er sah mich breit grinsend an und zwinkerte mir kurz zu.

"Ich hörte, wir haben Besuch", sagte er und setzte sich genau da hin, wo Paco sich grade hinsetzten wollte.

Sein Arm streifte kurz meinen, als er sich setzte und er sagte: "Florence richtig?" Ich nickte nur und Paco stand gespielt beleidigt vor uns und fragte schließlich: "Auch ein Bier, Brüderchen?"

Leandro bejahte und nahm dann mich wieder ins Visier.

"Bist du Französin, Florence?", fragte er schließlich und ich sah ihn mit schief gelegtem Kopf an. Was sollte diese Frage denn jetzt?

"Meine Mutter...", antwortete ich verwirrt, während ich aus dem Augenwinkel mitbekam, wie Paco aus der Küche kam und fluchend die Tür zum Flur öffnete, vermutlich um eine neue Kiste Bier aus dem Keller zu holen. Ich konzentrierte mich wieder auf Leandro, dessen Blick an meinen Lippen hing.

"Ich habe nämlich gehört, Französinnen könnten gut küssen", sagte Leandro und ehe ich mich versah, hatte er seinen Mund auf meinen gedrückt.

Für eine Sekunde erstarrte ich total perplex, doch dann kam ich wieder zu mir und drückte ihn von mir.

"Sag mal spinnst du?!" stieß ich empört aus. "Was soll das du Arsch?"

Er sah mich mit großen Augen an und sagte: "Woah entschuldige, komm mal runter, das war doch nur ein Kuss"

"Pah nur ein Kuss, man kann auch fragen!" rief ich noch immer entrüstet und rutschte ein Stück von ihm weg. Gegen meinen Willen stiegen Tränen in mir auf. Es war gar nicht der Kuss an sich. Das war schon scheiße von ihm gewesen, aber hatte mich jetzt an sich auch nicht so sehr mitgenommen. 

Nur der Vergleich dieser Situation mit der mit Marie vorhin wühlte mich irgendwie auf. Marie war so viel sanfter gewesen. Ich hatte mich so wohl gefühlt. 

Ich hatte schon einige Jungs geküsst. Und in der Regel hatte ich es auch genossen. Und ich glaube unter normalen Umständen hätte ich mich auch von Leandros missglückten Anmachversuch geschmeichelt gefühlt. Trotz seiner dreisten Art. Aber jetzt?

Leandro schien zu realisieren, dass er sich daneben benommen hatte und sagte kleinlaut: "Hey ok, hör zu, tut mir Leid, das war wohl echt scheiße. Ich weiß auch nicht, was da über mich gekommen ist. Kannst du mir verzeihen?"

Er sah mich ehrlich entschuldigend an und ich merkte, wie sich ein Lächeln auf meine Lippen stahl. "Jaa alles in Ordnung. Passt schon"

Paco kam zurück ins Zimmer und reichte Leandro ein Bier. Er schien die komische Stimmung nicht zu merken und ich beschloss nicht weiter drüber nachzudenken. Über Küsse. Und Marie. Und diese verwirrenden Gefühle in mir. 

Wir stießen mit unserem Bier an und es wurde noch ein schöner Nachmittag. 

Leandro schien eigentlich doch ganz in Ordnung zu sein, wir konnten gut miteinander lachen und als ich mich gegen 17:30 Uhr auf den Weg zu unserem Restaurant machte hatte ich schon wieder viel bessere Laune.

RomeA and JulietWo Geschichten leben. Entdecke jetzt