6. Florence - Neue Bekanntschaft

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Als ich in der Schule ankam war es schon kurz nach 8 und die anderen waren schon dabei den Lehrer - Herrn Seidel - zu begrüßen. Scheiße wir hatte Mathe. Ich huschte hinüber zu meinem Platz und ließ mich neben Marie fallen. Entweder hatte Herr Seidel mich nicht bemerkt oder er sah darüber hinweg, denn er begann ganz normal mit seinem Unterricht. Ich begrüßte Marie und suchte meine Mathesachen aus dem Rucksack. Ich bemerkte, dass Marie mich beobachtete und warf ihr einen Blick zu. Schnell sah sie zur Seite. Mh. Nach langem wühlen fand ich endlich die Mathesachen und legte sie auf den Tisch. Herr Seidel begann währenddessen, die Hausaufgaben zu kontrollieren. Shit.

"Hey Florenz, hast du die Hausaufgaben?" Das war Matt, der neben mir saß. Er war ein guter Freund. Eigentlich hieß er Matthias, ich hab keine Ahnung, wie seine Eltern auf die Idee kamen ihn so zu nennen, aber bei uns nannte ihn jeder Matt. Auch die Lehrer.

"Matthias" Gut Herr Seidel war da eine Ausnahme. "Jetzt wird nicht geredet, die Aufgaben habe ich an die Tafel geschrieben und da du sicherlich deine Hausaufgaben mal wieder nicht gemacht hast, würde ich an deiner Stelle lieber still sein und arbeiten, sonst könnte es sein, dass deine Eltern heute Nachmittag eine E-Mail in ihrem Postfach haben, die sich wahrscheinlich nicht positiv für dich auswirken wird."
Aber Herr Seidel war auch komisch. Man wusste bei ihm nie woran man war, man konnte ihn einfach nicht einschätzen. Mal war er nett und total locker drauf, und dann schickte er ständig E-Mails und gab schlechte Noten. Deshalb versuchte ich auch bei ihm immer auf dem Stand zu bleiben, da er gerne mal unangekündigte Tests schrieb und ich keine Lust auf eine 5 im Zeugnis hatte. Das Problem war nur, dass ich so gut wie nie Hausaufgaben machte, einerseits, weil ich wirklich keine Zeit hatte, aber meistens hatte ich auch einfach keine Lust.

Ich schüttelte mit dem Kopf, als Verneinung zu Matt und schlug mein Mathebuch auf, um mich den Aufgaben zu widmen. Mist hätte ich die Hausaufgaben bloß gemacht. Herr Seidel ließ uns vieles zu Hause selbst erarbeiten und da ich letzte Stunde nicht aufgepasst hatte, hatte ich keine Ahnung, wie das jetzt gehen sollte. Ich sah nur Zahlen, Buchstaben, Zeichen und das alles zusammengewürfelt. Ich runzelte die Stirn und Herr Seidel kam vorbei, um sich aufzuschreiben, dass ich meine Hausaufgaben mal wieder nicht hatte. Als er weg war sah ich zu Marie rüber, die fleißig schrieb und wunderte mich, wie sie das verstehen konnte.

"Wie geht das??", fragte ich Matt und er schüttelte nur den Kopf. "Ich hab keine Ahnung".
Frustriert sah ich wieder auf das Buch und versuchte irgendein System zu finden oder einen Weg, das zu rechnen. Aber ich war einfach zu dumm.
"Marie?", flüsterte ich und sah sie hilfesuchend an.
"Mh?", sie sah auf.
"Wie geht das?", fragte ich und sie grinste.
"Mhh naja du musst", sie legte ihr Heft vor meine Nase. "Du musst die Gleichung erst mal in Normalform bringen und p und q herausfinden." 

Sie begann mir alles zu erklären und ich hörte aufmerksam zu. Sie konnte das wirklich gut. Als sie fertig war, sah sie auf und unsere Blicke begegneten sich. "Hast du's verstanden?", flüsterte sie und sah mir unablässig in die Augen. Ich öffnete den Mund, nickte jedoch nur. Mein Herz pochte wie wild und ich konnte nicht erklären, wieso. Erst hingen meine Augen an den ihren. Sie waren hellblau mit einem dunklen Ring drum herum. Das sah sehr hübsch aus. Dann wanderte mein Blick runter zu ihrem Mund. Marie hatte unglaublich reine, glatte Haut und feine, schön geschwungene Lippen. Doch ruckartig wurde ich aus meinen Gedanken gerissen, als Matt mich in die Seite boxte und "hey Florenz" sagte.

Mein Kopf flog zur Seite zu Matt und aus dem Augenwinkel sah ich, wie Marie ganz leicht errötete. Matt erzählte mir irgendwas von einer Cousine, die am Wochenende bei ihm gewesen war, aber ich hörte ihm nicht richtig zu. Was war das da eben zwischen Marie und mir gewesen? Ich hatte irgendwas gespürt. Und sie auch. Da war ich mir ziemlich sicher. Aber was? Es verwirrte mich.

Der Schultag ging ätzend langsam zu Ende und als wir nach der 9. Stunde endlich Schluss hatten fiel mir ein, dass mir noch ein ganzer Abend voll Bestellungen, gefüllten sowie dreckigen Tellern bevor stand und seufzend ging ich zu den Fahrradständern. Als ich grad losfahren wollte kam mir Marie entgegen und ich lächelte ihr zu. "Sollen wir uns eigentlich demnächst nochmal treffen?", fragte sie und kurz setzte mein Herz einen Schlag aus. "Wegen Deutsch mein ich.", ergänzte sie. Ahh stimmt das Theaterstück. Ich nickte und fragte: "Wann hast du denn Zeit?" "...Samstag?" Ich überlegte kurz. Ja Wochenende war auf jeden Fall besser als unter der Woche, da konnte ich meist nicht, wegen dem Restaurant. Und Samstag hatte ich glaub ich noch nichts vor. "Ist gut", sagte ich, verabschiedete mich noch und fuhr gedankenverloren los nach Hause. Was war das mit Marie grade gewesen?

Auf dem Weg hielt ich noch kurz bei meiner Freundin Sammy, wir hatten uns lange nicht gesehen und ich hatte es auch nicht so eilig nach Hause zum Kellnern zu kommen. Sammy war 17 und lebte bei ihrem Freund Paco. Ich war mit Sammy schon ewig befreundet und mochte Paco auch sehr gern, außerdem genoss ich die Freiheiten, die ich hatte, wenn ich bei ihnen Zuhause war und uns keine Eltern über die Schultern schauten. 

Wenig später saß ich auf ihrem kleinen, aber gemütlichen Sofa, während Sammy Tee kochte. Paco war bei einem Freund. Schade eigentlich, ich mochte ihn. Sammy erzählte mir aus der Küche grade von dem neuen Job den sie angefangen hatte und ihrem ätzenden Chef, als mich ein Knacken der Holzdielen zusammenfahren ließ. Waren wir etwa doch nicht allein?

Mein Kopf fuhr zur Tür herum. Da stand ein junger Mann, ca. 18 oder 19 Jahre alt und sah mich an. Er war sehr attraktiv, hatte schwarze lockige Haare, die noch nass waren, da er anscheinend geduscht hatte, dunkle Augen und einen muskulösen Oberkörper, den ich genaustens betrachten konnte, da er nur mit einem um die Hüften gebundenem Handtuch bekleidet war. Er schien mich genauso ausgiebig zu mustern, wie ich ihn.

"Hey", sagte er und sah mich verschmitzt grinsend an. Er schien einer dieser Typen zu sein, die sich sehr bewusst waren, dass sie gut aussahen.
"Hey", erwiderte ich mit hochgezogener Augenbraue. "Wer bist du?"
"Ahh Florence, Leandro, ihr habt euch bereits kennengelernt.", sagte Sammy, die mit einem Tablett mit Tee und drei Tassen in der Tür zur Küche stand.
"Leandro, das ist Florence, eine sehr gute Freundin von mir und Paco. Ihren Eltern gehört das 'O galo verde'. Florence, das ist Leandro, er ist der kleine Bruder von Paco. Er wohnt fürn paar Tage hier."

Ich sah ihn erneut an und erkannte tatsächlich eine Ähnlichkeit zu Paco. 
"Willst du dir nicht schnell was anziehen und einen Tee mit uns trinken?", fragte Sammy und stellte das Tablett auf dem Couchtisch ab. "Nee ich muss los." Sagte der nur, während er sich umdrehte und beim Rausgehen konnte ich auf seinem Rücken mehrere kleine Tattoos entdecken. Ich betrachtete sie interessiert und strich mir eine Strähne hinters Ohr. Sammy bemerkte meinen Blick und schüttelte lachend den Kopf. "Wehe Florenzi, fang nicht an Pacos Bruder zu daten! Einer von denen reicht mir, ich will auf keine Doppeldates mit den beiden gehen!"

Ich musste auch lachen und schüttelte den Kopf. "Keine Sorge", sagte ich und musste plötzlich an Marie denken. Ich wusste nicht, wo diese Verbindung herkam, aber bei dem Wort 'daten', war plötzlich ihr Gesicht in meinem Kopf aufgetaucht. Ihr schüchternes Lächeln. Komisch.

RomeA and JulietWo Geschichten leben. Entdecke jetzt