7. Marie - Überwältigung der Gefühle

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Es war Samstag und obwohl ich es mir nicht eingestehen wollte war ich aufgeregt. Ich weiß, sie kam nur zum Lernen hier her, aber ich freute mich jedes mal riesig, wenn ich mit ihr allein war. Ich war mir über meine Gefühle immer noch nicht ganz klar.

Sie verwirrte mich einfach so. Ich fühlte mich ihr total hingezogen. Und ich musste immer wieder an sie denken, wenn ich alleine war. Vor allem abends im Bett. So hatte ich noch nie an ein Mädchen gedacht. Ich sehnte mich immer mehr danach Zeit mit ihr zu verbringen, aber andererseits hatte ich auch Angst, dass sie merkte, was mit mir los war - was auch immer das war. 

Ich tigerte nervös in meinem Zimmer auf und ab und sah immer wieder in den Spiegel. Vielleicht sollte ich mich doch nochmal umziehen? Ach quatsch. Es war ja nur Florence und sie kam nur für das Deutschprojekt hier her!

Als es klingelte fuhr ich zusammen und mein Herz begann zu pochen. Oh Gott Marie, beruhige dich. Ich atmete einmal tief durch und lief die Treppe runter zur Eingangstür. Meine Eltern waren unterwegs und auch Frieda hatte am Wochenende frei. Wir hatten das Haus für uns. 

Mit zitternden Fingern öffnete ich die Tür und sah in Florences strahlendes Gesicht. "Hi" brachte ich heraus. 

Florence grinste mich an und ging an mir vorbei ins Haus.

"Sind wir allein?", fragte sie während sie ihre Schuhe auszog und ihre Jacke an die Garderobe hing.

"Ja meine Eltern sind bei Freunden, vor 7 oder 8 sind die nicht wieder da.", sagte ich und ging ihr hinterher den Flur entlang.

"Ich liebe dein Haus", hauchte sie und sah sich staunend um. Florence war nicht zum ersten mal hier, aber ich konnte sie verstehen, für fremde musste das Haus wirklich riesig wirken. Ehrfürchtig ließ sie ihre Finger über das geschwungene Geländer der Treppe in den ersten Stock gleiten.

Ich beobachtete, wie ihre Augen an den Fotos an der Wand entlang glitten und an einem Kinderfoto von mir hängen blieben.

"Äh hast du Durst?", fragte ich schnell. "Möchtest du etwas essen oder trinken?"

Florence schüttelte nur den Kopf, lächelte mich an und sagte: "Lass uns in dein Zimmer gehen."

Sie setzte sich auf mein Bett, ich mich ihr gegenüber auf meinen Schreibtischstuhl.

"Ich hab mal ein paar Stücke rausgesucht, dann können wir uns ein bisschen inspirieren lassen...", sagte ich und holte die kleinen Reclam-Hefte von meiner Mutter raus.

"Oh ja, wollen wir die einmal spielen?", fragte Florence grinsend und griff nah einem der Bücher. Unsere Finger berührten sich kurz und ich zuckte zusammen. Ich hoffte, sie hatte nichts gemerkt. Unruhig rutschte ich auf meinem Stuhl hin und her, bei dem Gedanken, eine Szene mit ihr zu spielen, wurde mir mulmig, ich fühlte mich bei sowas einfach unwohl, während sie interessiert die Hefte in ihren Händen studierte. 

"Romeo und Julia", hauchte sie ehrfürchtig und schlug eine Seite auf.

"Ok ich bin Romeo, du bist Julia ... Komm her" sagte sie und klopfte neben sich auf die Bettkannte. Ich erhob mich zögernd und setzte mich neben sie. Mein Herz schlug wie wild, die Situation machte mich nervös.

Sie rutschte ein Stück näher, damit wir beide ins Buch gucken konnten und begann:

"Wenn meine unwürdige Hand diesen heiligen Leib entweiht hat, so laß dir diese Busse gefallen: Meine Lippen, zween erröthende Pilgrimme, stehen bereit den Frefel, mit einem zärtlichen Kuß abzubüssen."

Sie sprach mit leicht verstellter Stimme und sie spielte es sehr gut. Ich musste grinsen und versuchte mir nicht anmerken zu lassen, wie aufgeregt ich war. Stockend las ich Julias Textpassage vor.

"Ihr thut eurer Hand unrecht, mein lieber Pilgrim; sie hat nichts gethan, als was die bescheidenste Andacht zu thun pflegt; Heilige haben Hände, die von den Händen der Wallfahrenden berührt werden, und Hand auf Hand ist eines Pilgrims Kuß."

Ich spürte Florence Blick auf mir, während ich las und befürchtete, dass ich wieder rot wurde. Außerdem stieg in mir langsam eine Befürchtung hoch, um welche Szene es sich hier handeln konnte. 

"Haben Heilige nicht Lippen, und andächtige Pilgrimme auch?"

Florence sprach langsam und verführerisch und als sie aufsah trafen sich unsere Blicken und verhakten sich ineinander. Nach einigen Sekunden, die mir viel zu lang vorkamen, schaffte ich es meinen Blick zu lösen, räusperte mich und las:

"Ja, Pilgrim, sie haben Lippen, aber zum Beten."

"O so erlaube, theure Heilige, erlaube den Lippen nur, was du den Händen gestattest; sie bitten, (und du, erhöre sie,) daß du den Glauben nicht in Verzweiflung fallen lassest." 

Ihre Stimme war so weich und melodisch, ich hatte das Gefühl, als könnte ich ihr stundenlang zuhören. Ich beobachtete die Bewegungen ihrer Lippen, während sie sprach und wie ihre Augen über die Zeilen flogen. Eine lockige Strähne hing ihr ins Gesicht und ich verspürte das Bedürfnis, sie ihr hinters Ohr zu streichen. Ihr Gesicht zu berühren - 

Erwartungsvoll sah sie mich an und schnell richtete ich meine Augen wieder aufs Buch.

"Heilige rühren sich nicht, wenn sie gleich unser Gebet erhören."

"O so rühre du dich auch nicht, indem ich mich der Würkung meines Gebets versichre - "

Sie stockte und ich blickte auf den Text. 3 Worte brachten mein Herz zum rasen, meine Hände zum zittern, beschleunigten meinen Puls ins unendliche.

'Er küsst sie'

Sie hat es gesehen und ich habe es gesehen. Ich blickte vorsichtig wieder auf und in Florence' Augen. Unsere Gesichter waren sich verdächtig nahe. So nahe, dass ich ihren Atem auf meinen Lippen spürte.

Und dann ... spürte ich auch ihre Lippen auf meinen. Ich schloss die Augen. Kurz jagten mir tausend Gedanken durch den Kopf, dann war alles weg. Leer. Nur noch Florence war da. Und ihre Lippen und ihre Hand, die sich vorsichtig an meine Wange legte. Mein ganzer Körper kribbelte, die Stelle, wo ihre Haut meine berührte, fühlte sich an wie elektrisiert. Die Zeit schien still zu stehen. 

Ich spürte ein zögern, ich wusste nicht, was passierte, ich hatte den Impuls, mein Gesicht zurück zu ziehen, weil ich glaubte zu wissen, dass das wohl das richtige wäre, aber stattdessen, legte ich meine rechte Hand an ihren Hinterkopf und grub meine Finger in ihre weichen Haare. Es war keine bewusste Entscheidung, mein Körper schien selbstständig zu handeln und ich konnte mich nicht dagegen wehren. 

Ich spürte wie Florence Hand von meiner Wange in meinen Nacken wanderte und sich ihre Lippen ganz leicht öffneten. 

Der Kuss war atemberaubend, unglaublich, völlig neu und er fühlte sich so gut an. Ich atmete ganz tief ihren Duft ein und war völlig erfüllt von ihr. 

Wir küssten uns immer noch. Ich konnte es nicht fassen. Dass wir uns überhaupt küssten. Es schossen mir so viele verschiedene Gedanken in den Kopf aber ich konnte auch keinen so richtig fassen. 

Schließlich merkte ich, wie Florence sich ein Stück von mir weg bewegte. Unsere Lippen verloren den Kontakt zueinander. Meine Hand lag noch immer an ihrem Hinterkopf und ihre in meinem Nacken. Meine Augen waren immer noch geschlossen.

Ich traute mich nicht, sie zu öffnen. Dieser Moment war so - vollkommen gewesen. So schön. So überwältigend. Aber wenn ich die Augen öffnete, würde ich zurück in der Realität sein. Und dann müsste ich mich dem stellen, was da grade passiert war. Was das bedeutete. Bedeutete es überhaupt etwas?

Widerstrebend öffnete ich die Augen und sah direkt in Florences braune hinein. Sie sah mich an. Ihr Blick schien etwas verschleiert. Einen Moment lang sagte keine von uns etwas. Wir saßen komplett regungslos da und sahen uns in die Augen. Mein Herz schlug so laut, dass ich mir sicher war, dass sogar die Nachbarn es hören mussten. 

Und dann wurde der Moment durchbrochen, von dem Geräusch eines Schlüssels unten im Schloss der Haustür und einer durchdringenden Stimmte die durchs Haus rief:

"MARIEEE bist du da? Wir sind wieder zurüüüück"


RomeA and JulietWo Geschichten leben. Entdecke jetzt