Kapitel 3 (part 6)

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Dann fiel es mir wieder ein. Ich hatte komplett vergessen, dass ich gestern Nacht die Linsen rausgenommen hatte, also trug ich momentan keine. Bei meinem kleinen Wutanfall gerade eben, mussten sie einen ganz schön dunklen Farbton angenommen haben. Ich kann es nicht kontrollieren. Da ich gestern meine Linsen getragen habe, waren meine farbenwechselnden Augen verborgen gewesen, aber jetzt ...

»Wer sind deine Eltern? Von wo kommst du wirklich«, überging Jendrik meine Frage.

»Was tut das zur Sache?«

»Sag schon.«

»Meine Eltern sind Lucian und Mary Terrell. Ich bin ganz bestimmt nicht von hier.«

»Lucian.« All die Farbe war aus seinem Gesicht gewichen und er ließ mich augenblicklich los. Ich sah förmlich, wie es in seinem Hirn ratterte und wie aufgewühlt er war. »Lucian Terrell ist dein Vater? Gib mir mal dieses Medaillon.«

»Nein!« Ich drückte die Kette fest an mich und versuchte sie vor ihm zu verstecken. Auf gar keinen Fall, würde ich diese Kette hergeben.

»Keine Sorge. Ich will sie mir nur mal ansehen«, sagte er mit ruhiger Stimme, wieder Herr über sein Gemüt. »Du bekommst sie wieder zurück. Du hast mein Wort.«

Als ich immer noch keine Anstalten machte ihm die Kette zu geben mischte sich Orelia ein: »Du kannst ihm Vertrauen. Jendrik ist ein Mann der Ehre. Er hält sein Wort.« Ihre Stimme hatte etwas sehr Beruhigendes und Besänftigendes an sich – wie goldener samtiger Honig – und da ich sie sofort sympathisch gefunden hatte, beschloss ich, ihr zu vertrauen. Ich streckte Jendrik die Kette hin. Er nahm sie und begutachtete sie genauer. Als er sie öffnete machte er große Augen und gab einen Laut des Erstaunens – oder war es entsetzen? – von sich.

»Das ist einfach unglaublich. Du bist es tatsächlich.«

Ich runzelte nur die Stirn.

»Seht euch das an. Die Ähnlichkeit ist unverkennbar. Sie hat seine Augen. Ich habe mich also doch nicht getäuscht. Sie ist Lucians Tochter.«

Nun betrachtet auch Orelia das Foto meiner Eltern und ich glaubte Tränen in ihren Augen sehen zu können. »Du hast recht.« Sie kam auf mich zu und blieb vor mir stehen. So viele verschieden Gefühlsregungen waren auf ihrem Gesicht zu erkennen doch vor allem glaubte ich Erstaunen und Freude zu erkennen.

Unter all den Blicken die auf mich gerichtet waren, fühlte ich mich wie ein Tier im Zoo. Eingesperrt und von allen Seiten angestarrt als wäre ich eine Seltenheit und vom Aussterben bedroht.

»Ein weiterer Beweis, dass sie mit der Magie verbunden ist, sind ihre Augen. Eben als Nolan ihre Kette aufgehoben hat, haben sich ihre Augen verdunkelt. Ich habe es genau gesehen. Die Augen der Yuta haben diese Fähigkeit nicht mehr. Ein eindeutiger Beweis, dass Eagsúliaisches Blut in ihren Adern fließt.«

»Du bist also Lucs Tochter. Ich hätte nicht gedacht, dass ich dich jemals zu Gesicht bekomme. Du siehst ihm so ähnlich.« Orelia umarmte mich und ich versteifte in ihren Armen – auf so viel Nähe und überschwängliche Gefühle war ich nicht vorbereitet. Ich wusste nicht, wie ich mit der plötzlichen Änderung der Gemüter umgehen sollte. Kannten sie etwa meinen Vater? Was ging hier vor? Wie war das möglich? Ich verstand nichts mehr. »Tut mir leid.« Orelia ließ mich los. »Ich bin nur überwältigt von dieser Wendung.«

Nicht nur du, dachte ich. Doch nicht jeder Schien über diese Neuigkeit so froh zu sein wie Orelia und Jendrik. Xenia und Sirhan sahen verwirrt aus und ich hatte das Gefühl, das Nolan mir jetzt noch giftigere Blicke zuwarf als zuvor schon.

»Was geht hier vor sich? Ich verstehe gar nichts mehr. Wer ist Lucian?«, wollte Nolan wissen, der sich bis jetzt noch nicht zu Wort gemeldet hatte. Auch Sirhan und Xenia schienen nicht zu wissen wer mein Vater war. Genauso wenig wie ich. Anscheinend kannte ich meinen Vater doch nicht so gut wie ich gedacht hatte. Mein Vater sollte etwa von hier stammen? Eine Person aus einer anderen Welt? Wie konnte das sein. Auf mich hat er immer ganz normal gewirkt. Ein ganz normaler Arbeiter einer Firma und guter Vater und Ehemann.

»Luc, ich meine Lucian ist ein alter Freund von mir und Jendrik. Er war der Anführer unserer Gruppe. Eigentlich, war er es sogar, der das alles erst gestartet hat. Er verließ uns vor über zwanzig Jahren in den Gunsten unseres Vorhabens. Eigentlich sollte Jendrik mit ihm gehen aber Lucian sagte er würde hier gebraucht und machte ihn zum neuen Anführer. Lucian ging in Begleitung von zwei anderen Personen die auch für unsere Bewegung einstanden.«

Was für eine Gruppe? Mein Vater Anführer einer suspekten Ansammlung von Leuten? Ich wusste einfach nicht, was ich sagen sollte, und so ließ ich Orelia einfach weiter reden.

»Soviel ich weiß heiratete Lucian dann eine Yuta und bekam eine Tochter«, sie sah mich eindringlich an und fuhr fort. »Abigail. Dein Vater hat das alles hier erst zu Stande gebracht. Ohne ihn gäbe es unsere kleine Bande, die wir für das Gute uns einsetzten, wohl nicht«, erklärte Orelia.

»Ich versteh immer noch nicht«, sagte Nolan. »Ich dachte du«, er zeigte auf seinen Vater, »hättest unsere Gruppe ins Leben gerufen.«

»Nein. Das ist nicht mein Verdienst, sondern die von Abigails Vater, Lucian. Aber das kannst du nicht wissen. Du warst damals erst einige Monate als Luc uns verließ. Du«, er zeigte auf Sirhan, »kennst ihn nicht, weil er unsere Welt verließ noch bevor du zu uns stießest. Wir haben nie von ihm gesprochen, da wir es für zu riskant hielten und nur die engsten seiner Freunde davon wussten.

Jedenfalls, Lucian hatte schon von Kind an eine sehr starke Verbindung mit der Magie dieser Welt und spürte schon immer, dass sie sich dem Ende zuneigte. Sie wurde immer geringer. Er widmete sich an die Leute in Eagsúlia, die einigermaßen Wohlstand und Macht genossen, doch diese wollten ihm nicht glauben. Sie wollten nichts von alldem wissen und schenkten ihm kein Gehör. Was einerseits auch verständlich ist. Die Magie ist auf dem Weg der Kompletten Ausschöpfung? Wer würde das schon glauben wollen. Vielleicht hatten sie auch nur zu viel Angst vor der Vorstellung, dass es eines Tages keine Verbindung zu den Elementen mehr geben würde. Also kam Lucian mit seiner Theorie zu uns – Orelia und mir – wir waren seit Kindheit befreundet und so glaubten wir ihm. Wir stellten Nachforschungen an und stießen so auf eine uralte Prophezeiung.«

»Welche Prophezeiung?«, wollte ich wissen. Gebannt hatte ich zugehört. Es war mir wichtig, mehr über meinen Vater in Erfahrung zu bringen, auch wenn ich noch nicht so recht wusste, was ich von all dem halten sollte.

»Auf unserer Suche stießen wir in einer altenBibliothek auf eine komplett verstaubte Schriftrolle. Sie war so alt, dasvieles nicht mehr zu entziffern war oder einfach verblasst über all die tausendJahre. Es handelte sich um die Legende über die Entstehung der Elemente.<<

Eagsúlia - Macht der ElementeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt