»Das geht ja gar nicht mehr ab. Wie lange steht dieses Geschirr bitteschön schon hier. Dafür, dass sie allerhand Fähigkeiten haben wundert es mich, dass sie nicht sowas wie eine perfekte Hausfrau oder sowas in der Art hier haben. Eine Fähigkeit, mit der man das schmutzige Geschirr nur anzutippen braucht und schon ist es sauber. Das wäre doch mal praktisch.«
Nachdem Xenia mich rumgeführt hatte und ich mich ein wenig mit ihr über verschieden Dinge unterhalten hatte, kam ein kleiner Junge weinend zu ihr und bat sie darum, sein Holzschwert, Allesbrecher, zu finden. Er habe bereits überall gesucht, könne es aber nirgends finden – und dabei war es ein Geschenk seines Vaters. Nachdem Xenia sich versichert hatte, dass es in Ordnung war, mich alleine zu lassen, nahm sie den Jungen bei der Hand und ging mit ihm davon.
Ich hatte unter anderem erfahren, was Lunas Fähigkeiten waren. Die kleine Schwester von Nolan hatte mich bei meinem Antreffen hier vor einem Drachen gewarnt. Damals hab ich es für das unwichtige Geschwafel eines kleinen blonden Mädchens gehalten, doch anscheinend hat ja doch mehr hinter ihren Worten gesteckt als ich zuerst angenommen hatte. Ihre Gabe bestand darin, sozusagen kleine Prophezeiungen zu offenbaren – größere und kleinere. Aber meist so unverständlich, dass man nicht wusste, was sie mit ihren Sätzen, die einfach so aus ihr raussprudelten, ohne, dass sie etwas dagegen tun konnte, meinte bis es bereits passiert oder zu spät war. Oft handelte es sich um verschleierte Warnungen das jemandem etwas passieren wird – wie zum Beispiel Voraussagen eines gebrochen Beins oder Sturz von einer Leiter. In meinem Fall wohl eher, dass ich mich beim Stehlen nicht erwischen lassen soll, was mich ja aber Schluss endlich hierher geführt hatte. Ich hatte in den letzten vierundzwanzig Stunden mehr über mich rausgefunden als in den letzten neunzehn Jahren meines Lebens. Darüber wollte ich mich nicht beschweren.
Es war angenehm und seltsam zugleich mit Xenia zu sprechen. Da mich seit meinen komischen Anfällen jeder gemieden hatte, habe ich außer Jesper nie Freude gehabt und so war es schön, endlich eine Freundin gefunden zu haben – eine weibliche. Auch wenn ich mit Jesper über alles reden konnte, so war es doch etwas anderes, eine Freundin zu haben. Xenia war wirklich nett und lustig. Ein aufgedrehter Wirbelsturm. Am Anfang war sie mir etwas Kühl vorgekommen, und ich hatte den leisen Verdacht, dass sie mich zu durchleuchten versucht hat, aber das war bevor wir rausgefunden haben, was oder wer ich eigentlich bin. Nachdem ich ein paar Stunden mit ihr alleine verbracht hatte, und sie nun etwas besser kannte, war ich mir sicher, dass wir gute Freundinnen werden konnten. So etwas wusste man einfach. Es gab Leute, mit denen man sich auf Anhieb verstand, und solche mit denen man auch nach drei Jahren noch nicht warm wurde. Xenia gehörte definitiv zu der ersten Sorte Mensch.
Ich ließ meine Gedanken Gedanken sein und richtete meine Aufmerksamkeit wieder dem, was vor mir lag. Gerade war ich dabei zu versuchen eine dicke Fettkruste von einer Pfanne zu kratzen. Nachdem Xenia mich zurückgelassen hatte und ich alleine durch die Gänge geschlendert bin, bin ich wieder auf die Küche gestoßen in die mich Nolan gestern geführt hatte um mir etwas zu Essen zu geben. Seit meinem letzten Besuch mit ihm hier, hat sich der Zustand der Küche nicht verbessert. Immer noch standen überall gebrauchte Pfannen, Töpfe und Geschirr rum. Nichts war aufgeräumt und im Großen und Ganzen herrschte einfach nur ein großes Chaos. So stellte ich mir die Küche einer Hexe vor. Ich fragte mich wie die Köche oder wer auch immer hier etwas zubereiten musste in diesem Durcheinander überhaupt noch kochen konnten.
Wie dem auch sei, kurzer Hand habe ich beschlossen mich diesem Chaos zu stellen. Da ich eh nichts Besseres zu tun hatte, und ich immer noch nicht wusste, wie ich nach Hause kam, konnte ich mich genauso gut nützlich machen und dieses Caos beseitigen. Da kam wohl die Kellnerin und Barkeeperin in mir durch, die ihren Arbeitsplatz gerne Aufgeräumt hat. Und so stand ich hier, mit einer Bürste in der Hand und kämpfte mit einer Pfanne – und wie es aussah, würde sie gewinnen.
Nach ungefähr zwei Stunden sah die Küche wieder ansatzweise wie eine aus. Ich hatte die Kochplatten – ein großer Holztisch um genau zu sein – aufgeräumt und abgewischt. Ich hatte alles verstaut und die Essensreste die ich gefunden hatte, weggeschmissen und jene die noch gut waren weggeräumt. Den Boden hatte ich ebenfalls gewischt. Ich musste nur noch die restlichen Sachen spülen und dann war ich fertig.
Ich hielt gerade einen großen schweren Topf in der Hand und versuchte ihn von Essensresten zu säubern als ein leises Geräusch mich ablenkte. Ich drehte mich mit dem schweren Topf im Arm um. Nolan stand mit verschränkten Armen am Türrahmen gelehnt und musterte mich.
»Verausgabe dich nicht. Du hebst dir noch einen Bruch an dem Topf.«
»Wie lange stehst du schon da?«
»Warum machst du das? Wieso gehst du nicht einfach zurück in deine Welt, wo du hingehörst?«
So wie er es sagte, hörte es sich für mich an, als könne er meine Gesellschaft nicht eine Sekunde länger ertragen und will mich auf schnellstem Weg loswerden. Ich seufzte und sagte: »Ich hab gerade die ganze Küche geputzt und habe jetzt wirklich keine Lust und nicht die Kraft dazu mich deiner Laune zu stellen. Darauf kann ich jetzt echt verzichten. Wenn es dir also nichts ausmacht, könntest du bitte gehen, damit ich hier fertig putzen kann.« Ich drehte mich wieder um und wollte mich wieder dem Topf widmen. Ich wollte nicht zugeben, dass ich immer noch nicht wusste, wie ich nach Hause komme. Als ich einen Schritt auf die Spüle zumachte, rutsche ich auf den am Boden liegenden Lappen, mit dem ich den Boden gewischt hatte, aus. Verzweifelnd versuchte ich noch mich am Tisch abzustützen doch ich stand zu weit weg. Mit einem lauten Knall fiel der Topf zu Boden und ich sah schon vor meinem inneren Auge den Spott den ich gleich von Nolan hören würde. Doch zu meinem Erstaunen fand ich mich in zwei starken Armen wieder die mich fest an den Oberarmen packten. Ich blickte nach oben und sah zwei grüne Augen die mich unergründlich musterten. Es war seltsam, auch wenn er bis jetzt nicht gerade nett zu mir gewesen war, so fühlte ich mich in seinen Arme sicher, geborgen. Als ich bemerkte, dass ich ihn anstarrte, befreite ich mich aus seinem Griff und räusperte mich. Ich hob den Topf vom Boden und sagte: »Danke. Fürs Auffangen«, schob ich schnell hinterher. »Das nächste Mal räume ich alles gleich weg, sobald ich fertig bin mit dem Putzen.«
Nolan seufzte schwer und sagte dann: »Pass besser auf.«
Ich glaubte ich hörte nicht recht. Die Worte aus seinem Mund hörten sich fast schon wie eine Beleidigung an. »Wie bitte?«
Er nahm tief Luft, ich rechnete schon mit einer weiteren Beleidigung, doch dann sagte er: »Ich entschuldige mich hiermit dafür, wie ich dich bis jetzt behandelt habe. Vielleicht war ich ja ein wenig unhöflich dir gegenüber.«
»Da kann ich nicht widersprechen.«
»Jedenfalls, wollte ich das bloß loswerden. Jetzt, da das erledigt ist, hoffe ich wir können das aus der Welt schaffen und es dabei beruhen lassen.«
Völlig perplex starrte ich ihn an. Blickte in seine smaragdgrünen Augen. So von nahmen betrachtet, konnte ich kleine goldene Sprenkel darin erkennen. Wunderschön. Seinem Blick zufolge schien es ihm ernst damit zu sein, doch irgendwie, wurde ich das Gefühl nicht los, das er nicht hundert Prozentig hinter seinen Worten stand. Da es jedoch mehr war, als ich je von ihm erwartet hätte zu hören, konnte ich nur geistesabwesend nicken.
»Gut.« Er sah nochmal argwöhnisch auf den Topf, den ich immer noch in der Hand hielt und verschwand wieder.
*
Sobald ich um die Ecke gebogen war, ließ ich mich gegen die Wand fallen. Ich konnte hören, wie Abbie den Topf abstellte und mit ihrer Putzaktion fortfuhr. Irgendwas an ihr, brachte mich dazu, dass sich mein Hirn kontinuierlich mit ihr beschäftigte. Wieso war sie immer noch hier? Wieso machte sie sich nicht wieder auf den Weg nach Hause? Sie konnte offensichtlich den Schleier passieren also wieso war sie noch hier? Hatte sie kein zu Hause zu dem sie zurückkehren konnte? Hier war es jedenfalls zu gefährlich für sie, es wäre sicherer wenn sie einfach gehen würde und uns das Medaillon überlassen würde. Dann hätte sie mit all dem hier nichts mehr zu tun und könnte ihr Leben wie gewohnt weiterführen. Also was veranlasste sie dazu, hier zu bleiben? Ich verstand sie einfach nicht. Sie mit ihrem verschmitzten und herausfordernden Blick wann immer ich mit ihr sprach. Doch eben, als sie ausgerutscht war und beinahe hingefallen, als ich sie aufgefangen und sie mich danach mit diesem traurigen und verletzten Blick angesehen hatte, so als ob ich sie gerade Geohrfeigt hätte, da konnte ich nicht anders, als mich bei ihr zu entschuldigen. Sie wissen zu lassen, das ich ... Ja, was wollte ich ihr eigentlich sagen? Ich wusste es doch selbst nicht einmal.
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Eagsúlia - Macht der Elemente
FantasySeit ihrer frühen Kindheit wurde Abbie von schlimmen Albträumen heimgesucht und wurde von jedem außer ihrem besten Freund Jesper gemieden. Wobei sich es aber genau bei diesen Albträumen handelt soll sie erst erfahren, als sie auf magische Weise in e...