Kapitel 19 (part 1)

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                                                                    Jesper

  »Hier.« Ich drehte den Kopf in die Richtung der Stimme was in einem leichten Ziehen an meinem Kiefer resultierte. Die Kellnerin stand vor mir und musterte mich mit ihren strengen autoritär dreinblickenden braun-grünen Augen und hielt mir ein Tuch vor die Nase. Obwohl sie einen Kopf kleiner war als ich, schien sie mich mit ihrer Präsenz zu überragen. Als ich sie nur schräg ansah sagte sie. »Für deinen Kiefer. Ich habe etwas Eis in das Tuch gewickelt. Es sollte die Schwellung ein wenig lindern damit du morgen nicht wie ein faulender Apfel aussiehst. Aber hättest du dich von Anfang an aus dem ganzen rausgehalten wie ich es dir gesagt habe, dann bräuchtest du das jetzt erst gar nicht.« Dann fügte sie grummelnd und zu sich selbst hinzu: »Wie lästig.«

»Ein einfaches Danke hätte es auch getan«, murmelte ich genauso leise, nahm das angenehm kalte Tuch aber entgegen und drückte es auf die pochende Stelle an meinem Kinn. Ich zuckte leicht zusammen bei der Berührung.

»Der hat dich ganz schön hart erwischt.« Abbie lehnte sich zu mir und betrachtete mein Gesicht. Ich konnte spüren wie sich meine Wangen aufwärmten als sie mit ihrem Gesicht meinem so nahe war und mich eindringlich musterte. Ihre azurblauen Augen scannten meine Verletzungen und ich konnte die Sorge darin erkennen. Dann nahm sie meine Hand in ihre um die aufgeplatzten Knöchel unter die Lupe zu nehmen. »Tut es sehr weh?«

»Ach was. Ist halb so wild. Tut schon gar nicht mehr weh.« Um ihr zu beweisen, dass es stimmte, öffnete und schloss ich meine Hand ein paarmal – was in einem unangenehmen Stechen resultierte. Doch ich ließ mir nichts anmerken und lächelte sie weiterhin an. Ein Schnauben kam aus der Richtung der Kellnerin.

Sobald die Kerle den Esssaal verlassen hatten – naja, rausgeschmissen, traf es wohl eher – und mir das Tuch gegeben hatte, fing die Kellnerin damit an, das Chaos, das diese Arschlöcher hinterlassen hatten, aufzuräumen. Ich glaubte zu hören wie sie sagte Nichts als Ärger mit diesen engstirnigen, dummen Kerlen. Wie kann man nur ... der Rest des Satzes ging in den Geräuschen die im Esssaal herrschten unter.

Ich konnte es nicht fassen. Da will man helfen und dann bekommt man nicht einmal einen Dank zu hören. Trotzt ihrer kalten abweisenden Seite, hob ich die zerbrochenen Teller und Gläser, die um uns verteilt auf dem Boden lagen, auf und legte sie auf den Tisch.

»Was machst du da?«, fragte das Mädchen mit skeptischem Blick auf die Scherben in meiner Hand.

»Sieht man das nicht? Ich helfe dir das Chaos aufzuräumen.«

»Du hast schon genug geholfen. Lass das einfach liegen. Ich mach das schon.«

Nun kam auch Abbie zu uns und half dabei, die Scherben aufzuräumen.

»Es geht doch viel schneller, wenn wir zusammenarbeiten.« Sie lächelte die Kellnerin freundlich an. »Das war übrigens wirklich beeindruckend, wie du die Kerle fertig gemacht hast, als wären sie wehrlose Kinder. Du bist taffer als du aussiehst.« Ich konnte sehen, wie sich die Wangen des Mädchens bei Abbies Worten leicht röteten.

»Danke«, gab sie ehrlich und etwas schüchtern von sich. Das war doch nicht zu fassen. Ich stand für sie ein und steckte Prellungen und Blessuren für sie ein und bekam als Dank nur schnippische Bemerkungen und strafende Blicke von ihr. Abbie machte ihr ein kleines Kompliment und nun war das Mädchen so verlegen, das es nicht einmal einen Richtigen Satz zustande bekam. Aber ich musste gestehen, es war wirklich erstaunlich gewesen, wie sie die Kerle fertig gemacht hatte.

»Schon erstaunlich. Nicht einen Kratzer hast du abbekommen. Du musst wirklich gut im Kampfsport und Selbstverteidigung sein«, sagte ich an sie gewandt.

Von einem auf den nächsten Moment war ihre leichte Verlegenheit wie weggewischt. Sie warf mir einen wütenden – oder war es Misstrauen das ich erkannte? – Blick zu.

»Besser als du bin ich allemal. Ist doch schon erbärmlich nach nur zwei Gegner so zugerichtet zu sein.«

Ich konnte hören, wie Xenia hinter mir über ihre Worte kicherte. Ich spürte wie die Wut langsam in mir hochkochte. Ich war ja eigentlich jemand, der mit so gut wie jedem klarkam und auch war ich nicht die Sorte Mensch, die andere beleidigte. Doch dieses Mädchen schaffte es mich mit ihren patzigen Kommentaren zur Weißglut zu treiben. Bevor ich jedoch etwas antworten konnte das ich später vielleicht bereut hätte, legte Abbie beruhigend ihre Hand auf meinen Oberarm und fragte: »Wie heißt du eigentlich. Ich bin Abbie. Das sind Jesper, Xenia und Nolan.« Sie zeigte nacheinander auf uns.

Die Kellnerin lächelte Abbie an und sagte: »Ich bin Aceyla.« Aus dem Augenwinkel glaubte ich zu sehen, wie Nolan bei ihrem Namen die Augen leicht zusammenkniff, so als ob ihm der Name etwas sagte.

»Schön dich kennenzulernen.«

»Die Freude ist ganz meinerseits.« Sobald die Höflichkeiten ausgetauscht waren, sagte Aceyla: »Du musst wirklich nicht helfen, ich will nicht, dass du dich an den Scherben schneidest.«

»Keine Sorge. Das wird schon nicht passieren. Ich habe auch mal in einer Art Schenke gearbeitet. Da kam es auch schon mal vor, das Gläser zu Bruch gingen.«

»Ihr seid nicht von hier, stimmt's?« Sie sah in die Runde. Mittlerweile waren wir alle fertig mit dem Essen. »Ich habe euch hier noch nie gesehen. Seid ihr auf der Durchreise?«

»Wir haben nur einen kurzen Zwischenstopp hier eingelegt damit unsere Pferde wieder zu Kräften kommen«, beeilte Nolan sich zu sagen. »Spätestens morgen reisen wir weiter.«

Aceyla würdigte Nolan keines Blickes – die Tatsache, dass sie nicht nur mich nicht zu mögen schien sondern auch Nolan die kalte Schulter zeigte besänftigte mich aus irgendeinem Grund. Mit glitzernden Augen sagte sie an Abbie und Xenia gewandt: »Das muss toll sein hingehen zu können wo man will.« Ein kleiner Seufzer entwich ihr. »In fremde Gegenden reisen. Neue Kulturen entdecken. Mit Monstern kämpfen. Abenteuer erleben.«

»Wieso tust du es dann nicht?«, fragte Xenia und stapelte die leeren Teller auf den Tisch zusammen. »Du scheinst mir eine starke junge Frau zu sein. Wieso packst du nicht das nötigste zusammen und haust von hier ab?«

Aceyla sah kurz zu Boden und sagte ausweichend: »Naja,... gewisse Probleme in der Familie erlauben mir dies Momentan nicht.« Etwas motivierter – obwohl ich das Gefühl hatte, das es gespielt war – fügte sie hinzu: »Vielleicht irgendwann in der Zukunft.«

»Bestimmt.«

Sobald wir wieder alles auf Vordermann gebracht hatten, räusperte Nolan sich. »Ich glaube es wird langsam Zeit, dass wir uns auf den Weg machen. Ihr wisst doch, wir haben noch einiges an Proviant zu besorgen. Die Sachen kaufen sich nicht von selbst.« Wieder warf er einen schnellen misstrauischen Blick in Aceylas Richtung als er glaubte, sie würde es nicht bemerken. Ich bemerkte es. Und dieses Mal war ich mir sicher, dass ich seinen Blick richtig gedeutet hatte und es mir nicht nur eingebildet hatte.

Wer war diese Aceyla? 

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