Kapitel 9 (part 3)

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                                                                                          *

Nach kurzer Zeit, nahm ich ein leises beständiges Rauschen in der Ferne war. Mit jedem Schritt den wir in die Richtung gingen, in die Jesper uns dirigiert hatte, wurde das Geräusch lauter und lauter. Das Rauschen von herabstürzendem Wasser. Der Wasserfall. Mit dem Geräusch stieg auch meine Aufregung stetig an bis ich es kaum noch aushalten konnte.

Und auch das seltsame Gefühl tief in meinem Inneren, das mir sagte, ich bin hier schon einmal gewesen, wurde kontinuierlich stärker. Obwohl für mich jeder Zentimeter dieses riesigen Waldes gleich aussah, so sagte mir doch irgendetwas, das wir auf der richtigen Spur waren und es fast geschafft hatten. Bald würden wir diesen Kelch finden und wären somit einen Schritt näher an die Vollbringung der Prophezeiung. Die fünf Insignien und das Blut des Doppelträgers um die Magie dieser Welt wiederherzustellen und sie somit zu retten. Auch die Welt die sich hinter dem Schleier befand, in der Oma und Opa nichtsahnend ihr Leben lebten, würde somit gerettet werden.

Das wollte ich. Das war mein Ziel. Die Welt zu retten in der mein Vater geboren wurde und die ersten Jahre seines Lebens verbracht hatte, bevor er in meine Welt kam, meine Mutter traf und beschloss, sein weiteres Leben mit ihr zu verbringen und um das Medaillon, das nun um meinem Hals hing, sowie mich zu schützen. Und die Welt in der ich aufgewachsen war und all meine Erinnerungen – ob gute oder schlechte – gesammelt habe wollte ich ebenfalls beschützen.

Die Erschöpfung der letzten Tage, die langen Fußmärsche und das anstrengende abendliche Training mit Nolan waren vergessen. In meinem Kopf hatte nur noch das finden und bergen des Kelches einen Platz. Alles andere war unwichtig. Nur das zählte jetzt.

Auch in den Gesichtern der anderen konnte ich die Aufregung und Vorfreude darauf, unsere Reise bald ein erfolgreiches Ende setzten zu können, sehen. Wir beschleunigten unsere Schritte, soweit es möglich war. Als das Rauschen immer lauter und lauter wurde, waren wir uns sicher, dass wir hier richtig waren und unsere Reise endlich mit einem Lichtblick belohnt wurde.

Bald darauf, traten wir auf eine kleine Lichtung auf der sich ein kleiner See befand. Eine Seite der Lichtung wurde durch eine große Felswand eingegrenzt und versperrte uns den Weg. Das Wasser, das von der gut zehn Meter hohen Wand herabfloss, versorgte den See fortwährend mit frischem klarem Wasser. Wie in meiner Vision, spiegelte sich das Licht in den Wassertropfen und lies sie wie Diamanten funkeln. Wunderschön.

Ich kam mir vor wie in einer märchenhaften kleinen Welt in der gleich Feen und Kobolde um mich herum auftauchen würden. Mir einen Blumenkranz schenkten und mit mir tanzten. Als ich genauer über dieses Bild nachdachte, musste ich schmunzeln. Wahrscheinlich gab es hier sogar Feen und Kobolde. Manchmal vergas ich, dass es hier Wesen gab, die ich sonst nur aus den Büchern bei mir zu Hause kannte. Unwillkürlich fragte ich mich, ob die Wesen, die die Welten unserer Bücher behausen von jenen zu Papier gebracht worden waren, die sich noch an Eagsúlia erinnern konnten. Die Menschen, die sich noch an die Magie erinnerten und so verhindern wollten, dass der Zauber dieser Welt in Vergessenheit gerät. Ich fragte mich, ob es bei uns noch immer Menschen gab, die von Eagsúlia wussten. Von Generation zu Generation weitererzählt und jetzt nur noch als Legende gilt.

»Und jetzt? Was machen wir jetzt? Wo ist nun der Kelch?«, fragte Nolan an mich gewandt und riss mich so aus meinen Überlegungen. Das Rauschen war hier direkt neben dem Wasserfall so laut, das Nolan fast schon schrie damit ich ihn verstand.

Was jetzt? Soweit hatte ich noch nicht überlegt. Ich hatte zwar in der Vision diesen Ort hier gesehen – und ich war mir sicher, dass wir hier richtig waren –, aber den genauen Standort der Insignie kannte ich nicht.

Na toll, was für eine große Hilfe ich und meine Visionen doch waren. Wir waren unserem Ziel so nahe und doch noch so fern. Es war richtig frustrierend. Wie sollten wir den Kelch hier finden? In diesem Urwald. Und vor allem, nach all den hunderten von Jahren die der Kelch jetzt vermutlich schon hier versteckt lag. Wie konnten wir sicher sein, dass er immer noch hier war. Vielleicht wurde er bereits gefunden und an einen anderen Ort gebracht. Er könnte überall sein. Nagende Zweifel überkamen mich.

Diese Gedanken ließ ich nur kurz zu und schüttelte sie schnell wieder ab. Er musste einfach hier sein. Eine andere Möglichkeit gab es nicht und würde ich nicht akzeptieren. Wiese hätte meine Vision mich sonst hierhin schicken sollen? Mir genau diesen Wasserfall zeigen sollen? Nur damit ich dann herausfand, das er nicht hier war. Nein, er war hier! Irgendwo. Aber wo?

»Ich weiß nicht genau«, gab ich zu. »Er muss hier irgendwo in der Nähe sein. Meine Vision hat mir genau diesen Ort hier gezeigt.«

»Kannst du etwas genaueres spüren, jetzt da wir so nahe dran sind?«, fragte er nun Xenia.

Ich hätte ja alles darauf gewettet, das Nolan wütender reagieren würde auf mein Geständnis, dass ich nicht genau wusste, wo wir mit der Suchen anfangen mussten. Vor allem, nach dem Kuss von letzter Nacht dem ich ihm sozusagen aufgezwungen hatte und er vor mir quasi geflüchtet war. Es wunderte mich immer noch, dass er nichts weiter dazu gesagt hatte. Ich schüttelte mich innerlich und konzentrierte mich wieder.

»Nein. Tut mir leid. Das, was ich eben noch wahrgenommen habe, ist jetzt komplett verschwunden. Als ob sich ein Schleier davor gelegt hätte.«

»Dann lasst uns mit der Suche anfangen. Lasst uns einfach jeden kleinen Winkel absuchen.« Ich nickte nur und wir machten uns in verschiedenen Richtungen auf Schatzjagd.

Nach kurzer Suche, die nichts zum Vorschein gebracht hatte – ich hatte gerade zwischen den Blättern und Sträuchern vor der Steinwand gesucht, doch bis auf kleinere und größere Krabbeltiere nichts gefunden –, stand ich auf und stützte die Hände in die Hüfte. Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn und sah mich erneut um. Die anderen kämmten ebenfalls die Gegend durch, schienen bis jetzt aber auch nicht erfolgreicher gewesen zu sein als ich. Wieder versuchten sich kleinere Zweifel in mein Hirn einzunisten, doch ich schob sie augenblicklich weg. Ließ ihnen keine Chance.

Mein Blick wanderte in Richtung Wasserfall. Wie hypnotisiert beobachtete ich das in die Tiefe stürzende Wasser. Ich weiß nicht wie lange ich ihn angestarrt habe, aber ohne es zu merken, hatten mich meine Füße ganz in seine Nähe gebracht. Das aufspritzende Wasser kühlte meine warmen Wangen und benetzt meine Haare und Kleidung. Das Rauschen war Ohrenbetäubend.

Und dann sah ich es. Ganz kurz. Als sich die Wasserwand für einen kurzen Moment teilte, entdeckte ich dahinter einen dunklen Gang.

Hinter dem Wasserfall verbarg sich ein Hohlraum. 

Eagsúlia - Macht der ElementeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt