Kapitel 6 (part 1)

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»Keine Sorge. Wirklich. Es wird schnell und schmerzlos ablaufen – zumindest größtenteils«, versuchte Xenia mich zu beruhigen und knipste mir ein Auge. Jedenfalls versagte sie kläglich dabei. Mein Magen fühlte sich an, als ob eine Miniaturarmee Krieg darin führen würde. Mir war Kotzübel. Gleichzeitig war ich aber wirklich aufgeregt und gespannt was wohl passieren würde.

Wie Jendrik gestern gesagt hatte, sollte heute Morgen die Zeremonie zur Bestimmung meiner Affinität stattfinden. Ich stand in einem kleinen Raum unterhalb des Hauses in dem sich nichts anderes befand als fünf Hüfthohe Steinsäulen die im Kreis angerichtet waren und auf denen nun die 5 Sachen lagen, die Xenia und ich gestern aufgetrieben hatten – die Erde durch die die Wurzeln eines Chikyūbaums verlaufen, eine Flasche von gereinigtem Wasser, Asche eines Phönixes, die Feder eines Tori-Vogels und ein Buch dessen Seiten noch unbeschrieben sind. Wie in vielen anderen Räumen auch, erhellten Lichtkugeln, die an den Wänden angebracht waren, den Raum.

Ich stand in der Mitte der fünf Säulen und wartete darauf, dass man mir erklärte, was ich zu tun hatte. Ungeduldig wippte ich von einem Bein aufs andere und versuchte meine Nerven zu beruhigen.

Mit mir im Raum befanden sich fünf weitere Personen eine für jedes Element und die jeweils neben dem entsprechenden Objekt standen – die Tradition wollte es so. Seit Generationen wurde es so abgehalten hatte man mir gesagt. Jendrik repräsentierte das Wasser, Sirhan war hier für die Erde – der das Geschäft kurz seiner Frau überließ –, Orelia stand für das Feuer, Fiete für die Luft – dessen Gabe es war, jegliche Schlösser, seien sie auch noch so kompliziert aufgebaut, knacken zu können und ich wette, er hatte sich so schon zu einigen Frauenzimmern unerwünscht zutritt verschaffen – und Xenia für den Geist. Alle standen sie hinter der zu ihnen entsprechenden Säule und starrten mich an.

»Also«, fing Jendrik an zu erklären, »du nimmst jedes Objekt nach der Reihe in der Hand und dann wirst du schon selbst merken ob es auf dich reagiert oder nicht. So einfach.«

»Was kann denn zum Beispiel passieren«, wollte ich wissen.

»Ach, nichts Schlimmes«, wiegte Fiete ab. »Die Asche kann sich zum Beispiel in deinen Händen in Flammen auflösen, wenn du eine Affinität zum Feuer hast. Nichts Schlimmes also.«

Nichts Schlimmes? Er will mich doch verarschen? Bitte sag, dass er mich nur auf den Arm nimmt! Aber da keiner ihn für seine Worte tadelte wurde mir noch flauer im Magen.

»Es wird nichts passieren Abigail. Da du den Schleier passieren konntest, ist die Wahrscheinlichkeit, dass du dem Element Geist am nächsten bist sehr hoch, wahrscheinlich sogar ganz gewiss. Du wirst also nichts mit brennender Asche zu tun haben«, versicherte Jendrik mir, was mich beruhigte. »Wir fangen an mit dem Element Wasser. Stell dich vor der Säule mit dem gereinigten Wasser und nimm es in die Hand. Keine Angst«, fügte er hinzu als ich mich nicht direkt bewegte. Ich blickte mich noch einmal im Kreis um. Xenia schenkte mir ein aufmunterndes Lächeln. Zögernd ging ich zu dem kleinen Fläschchen und nahm es in die Hand. Ich rechnete damit das das Glas splitterte und mir in die Hand schnitt, doch als nichts passierte war ich fast schon ein wenig enttäuscht. Fast.

Ich setzte das Fläschchen mit einem leisen Seufzen wieder ab, sah in Jendriks Gesicht auf und als er nur nickte und dann nach links von sich mit dem Kopf deutete ging ich auf die nächste Säule zu auf dem die Erde in einer kleinen Schale lag. Die Erde, die ich mühsam und mit einigen blauen Flecken an unangenehmen Stellen zusammengetragen hatte. Bei dem Gedanken an die Hasengnome lief mir ein Schauer den Rücken runter – vor allem, als das Bild von mir mit Schweinsnase vor mir aufblitzte. Ich schüttelte die Gedanken ab.

Ich sah Sirhan kurz ins Gesicht, der hinter der Säule stand, und griff dann in die Schüssel mit der Erde. Für einen kurzen Augenblick, fühlte es sich so an, als ob die Erde in meiner Hand vibrieren würde. Als ob ein Lufthauch durch sie hindurch wehen würde. Aber als dann doch nichts weiter geschah, ließ ich die Erde zurück in die Schüssel fallen. Ich wischte mir die Hände an der Hose ab. Danach ging ich wieder einige Schritte nach rechts und stand nun vor Orelia und der Asche des Phönixes. Sie schenkte mir ein aufmunterndes Lächeln, das das ihrer Tochter so unglaublich ähnlich sah, und wie bei der Erde zuvor, griff ich in die Asche. Fast rechnete ich damit, dass es sich, wie Fiete gesagt hatte, in Flammen auflösen würde und mir die Hand verbrennt... doch wie bei den Malen zuvor geschah nichts. Die Asche lag ruhig in meiner Hand. Erleichtert stieß ich meinen Atem aus, und merkte jetzt erst, dass ich ihn angehalten hatte.

Eagsúlia - Macht der ElementeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt